Technikfeindlich und waffengeil
Die deutsche Jugendbewegung war im Gegensatz zur italienischen oder russischen strikt technikfeindlich.
„Bünde, Sekten, die alle an dem Entwurf einer neuen, nicht-chaotischen Lebenskultur arbeiteten und die ein gemeinsames Feindbild hatten – den nur von Kommerz und Hochtechnologie angetriebenen Fortschritt. Die praktizierten Formen der neuen Lebenskultur zielten darauf, das Gefühl in die Lage zu bringen, den Verstand zu kontrollieren, die Vorherrschaft des Verstandes zu brechen, um damit die Vormacht der Technik zu beenden. (…) Der Entwurf des verlorenen, irdischen Paradieses stellte sich als Aufgabe einer reformierten Kunst und Kultur, die sich vom Diktat der Wissenschaft und Forschung befreit hatte,“ schrieb Achim Preiss in seinem „Abschied von der Kunst“.
Im Oktober 1913 fand der sogenannte Freideutsche Jugendtag auf dem Hohen Meißner bei Kassel statt. Bei dieser Gelegenheit trafen sich 2-3000 Aktivisten der auf über 60.000 Mitglieder angeschwollenen organisierten Jugendbewegung, um ihr gewachsenes Selbstbewußtsein zu demonstrieren und sich über ihre Ziele zu vergewissern. Der Ton wurde von Kulturkritikern angegeben, die antimodernistische, heidnische und spätromantische Konzepte vertraten. Das Grußwort des Lebensphilosophen Ludwig Klages an den Jugendtag ist entsprechend eine einzige Jeremiade gegen das industrielle Zeitalter. Klages Anklagen begannen ähnlich wie auf einer grünen Bundesversammlung der siebziger oder der achtziger Jahre:
„Wir täuschen uns nicht, als wir den ´Fortschritt´ leerer Machtgelüste verdächtig fanden, und wir sehen, daß Methode im Wahnwitz der Zerstörung steckt. Unter den Vorwänden von ´Nutzen´, ´wirtschaftlicher Entwicklung´, ´Kultur´ geht er in Wahrheit auf Vernichtung des Lebens aus. Er trifft es in allen seinen Erscheinungsformen, rodet Wälder, streicht die Tiergeschlechter, löscht die primitiven Völker aus, überklebt und verunstaltet mit dem Firnis des Industrialismus die Landschaft und entwürdigt, was er von Lebewesen noch übrig läßt gleich dem ´Schlachtvieh´ zur bloßen Ware, zum vogelfreien Objekt ´rationeller´Ausbeutung. In diesem Dienste aber steht die gesamte Technik und in deren Dienste wieder die weitaus größte Domäne der Wissenschaft.“
Klages versuchte nach 1933 die Gunst der Stunde zu nutzen, um eine geistige Führungsrolle in Deutschland einzunehmen. Er scheiterte nicht an fehlendem antisemitischen Eifer, sondern an seinen zivilisationskritischen technikfeindlichen Ansätzen. Selbst die Germanenschwärmer der NSDAP waren sich darüber im Klaren, daß Naturwissenschaft und Technik für die Umsetzung imperialer Großmachtsphantasien unverzichtbar wären. Die nationalsozialistische Variante der Lebensreform kam zum Tragen, weil Hitler es verstand, bizarre reformatorische Inhalte in für die Massen vermittelbare und nicht vermittelbare zu selektieren, das „Brauchbare“ massenverträglich in glatte Tüten zu verpacken und die Lebensreform mit der Technik zu versöhnen. Während eine schmale Parteielite von Supergermanen, Heldenzüchtung, Blutreinigung und erobertem Boden träumte, opferte die von Goebbels gesteuerte Filmindustrie auf dem Altar des Egalitarismus, nuschelte sich der kleine Rühmann an den elitaristischen Sirenen vorbei. Adolf Hitler löste das alte lebensreformatorische Dilemma: populär, aber nicht elitär; elitär, aber nicht populär endlich auf. Das Elitäre wurde populär. Aber nicht alles, sondern vor allem der jugendbewegte Führerkult und die horizontlose Weltverbesserung.
Die Schneise von Nietzsche zur Technikbegeisterung wurde bereits vor 1933 und nicht wie man vielleicht vermuten könnte nach 1933 geschlagen. Bei den Futuristen reimte sich schon 1909 amore auf motore, auch Ernst Jünger hatte 1929 den Weg von der Technikfeindlichkeit Nietzsches zur Technikbegeisterung Hitlers vorweggenommen:
„Ja, die Maschine ist schön, sie muß schön sein für den, der das Leben in seiner Fülle und Verhältnismäßigkeit liebt. Und in das, was Nietzsche, der in seiner Renaissancelandschaft für die Maschine noch keinen Raum hatte, gegen den Darwinismus gesagt hat, daß das Leben nicht nur ein erbärmlicher Kampf ums Dasein, sondern ein Wille zu höheren und tieferen Zielen ist, muß auch die Maschine einbezogen werden. Sie darf uns nicht nur ein Mittel zur Produktion, zur Befriedigung unserer kümmerlichen Notdurft sein, sondern sie soll uns eine höhere und tiefere Befriedigung verleihen. Wenn das geschieht ist manche Frage gelöst. Der kümmerliche Mensch, der in ihr plötzlich seine Ganzheit statt einer zweckmäßigen Zusammensetzung aus Eisenteilen sieht, der Stratege, der sich vom Banne des Produktionskrieges loszulösen strebt, sie sind an dieser Lösung ebenso tätig wie der Techniker und der Sozialist.“
Kein Mittel zur Produktion, sondern ein Mittel zur Kriegführung sollte die Maschine sein, Jünger war Soldat. „Erst unsere Generation beginnt sich mit der Maschine zu versöhnen, und in ihr nicht nur das Nützliche, sondern auch das Schöne zu sehen.“
In diesem typischen Jugendbewegungsdilemma stecken jetzt die Grünen. Einerseits versuchen sie die Industrie zu zerstören, andererseits sind sie ebenso wie der Führer Waffennarren, was eine moderne industrielle Basis erfordert. Sie haben bereits den Wald und die Vögel den Windmühlen auf dem Altar der Macht hingegeben, sie werden in absehbarer Zeit auch ihre Rest-Technikfeindlichkeit noch an die Garderobe ihres Weltmachttheaters hängen. Der Drang zur absoluten Herrschaft wird stärker sein, als irgendwelche vorgeschobenen Prinzipien, mit welchen man die Machtergreifung legitimiert hatte. Vor wenigen Jahren (2009) hatten die Grünen plakatiert: „Jeder Baum ist ein Zuhause“, wenige Jahre später können sie nicht schnell genug fällen.
Der Faschismus war von Anfang an so gestrickt: Der Futurist Marinetti hatte 1913 die Neue Welt als technizistisch fundamentiert beschrieben: „So leugnen wir auch den aufdringlichen Glanz der toten Jahrhunderte und halten es mit der siegreichen Technik, die die Welt in ihrem Netz der Geschwindigkeit hält.“
Ein Mittelmaß kriegen die Grünen nicht hin. Begonnen hat ihre Karriere mit Technikphobie, enden wird sie mit Leopard2 und irgendwelchen Kampfbombern, vielleicht sogar mit Kernwaffen. Mal sehen.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Es ist nichts inkonsequenter als die höchste Konsequenz, weil sie unnatürliche Phänomene hervorbringt, die zuletzt umschlagen.“ (Geh. Rath v. Goethe)
Ab 1:27 ist die Herstellung des Streckmetallgitterzauns für die DDR – Zonengrenze zu sehen.
Bei Krupp – konnte man damals auf der Westseite mit dem Fernglas lesen (nahe Eschwege).
Der Zaun war 89 so mürbe, den konnte man mit der bloßen Hand zerbröseln.
Seinerzeit wurden diese Gedanken von den Emigrés des „Instituts für Sozialforschung“ in die USA und zurück getragen – immer auf Deutsch publizierend, im damaligen Feindesland Amerika eine grossartige Leistung! Adornos Minima Moralia atmen diese Filosofie auf jeder Seite.
Jetzt haben wir seit 1968 die teutschen Linksversifften als faustische Schüler, später Magister, jedenfalls vollkommen unfähig, den in der Emigration musikalisch-rabbinisch sublimierten, hochabstrakten Gedankenflügen einer Art Reform-Talmudschule zu folgen. Wie bei Marx auch. Oder Freuds „Unbehagen in der Kultur“.
Ich frage mich ohnehin schon lange, wie aus diesem ja konstant durch die Jahrhunderte wabernden deutschen Nebel jemals Gestalten wie Gauss, Helmholtz, Brücke, Bunsen, Liebig, Planck, Riemann, Hilbert, Hahn und ihre Ingenieurs-Pendants entstehen und sich bemerkbar machen konnten, so dass die Tommies damals zugeben mussten, ausser dem Dampfturbinen-Parsons niemenden zu haben, der den deutschen Forschern das Wasser reichen könnte.
Ihre Fragen gehen mir auch durch den Kopf.
Die Liste könnte man locker erweitern um Astronomen, Mathematiker und andere (meinetwegen auch Bismarck, der gezielt Russisch lernte) und andererseits etwas eingrenzen auf Preußen, wo Gedankenfreiheit, Rechtsstaatlichkeit und Effizienz keine leeren Worte waren. Theodor Althoff zum Beispiel war ein zusätzlicher Glücksfall für die Universitäts- und Wissenschaftspolitik. Seine Abteilung im preußischen Kultusministerium umfaßte 34 Beamte (eingeschlossen Bürodiener) und war zuständig für Universitäten, Technische Hochschulen, Höheres Schulwesen, Bibliotheken, Akademien, Museen, Kunst- und Handelshochschulen.
Kein Kommentar. 🙁
Ja, der Althoff wird oft beigezogen. Aber er balancierte auf einem Rasiermesser! Hier in Heidelberg wurde beispielsweise von seiten der Juristen und Theologen gefordert, die Chemie (Bunsen) zügig wieder aus der Universität hinauszuwerfen.
Und Wilhelms Schulreform vermochte das sog. Abiturprivileg auch nicht sogleich den tattrigen Theologen und Altphilologen zu entwinden. Stattdessen musste quasi eine Parallelwelt aus Oberrealschulen und Technischen Hochschulen geschaffen werden, was die 34 Beamten von Althoff schwer relativiert.
Ich meine sogar, die Oldenburger Universität (Karl v. Ossietzky-U.) hätte noch bis in die 1980er sich nicht Universität nennen dürfen, da keine medizinische Fakultät vorhanden war. Uni = Theologie, Philosophie, Juristerei und Medizin.
Wir müssen uns noch um 360° drehen, wie ein großer Philosoph der Gegenwart tiefschürfend feststellte.