Ein reiches Land und deutscher Wahn – einige weitere Bemerkungen über Südwest Afrika
Gastbeitrag von Helmut Roewer
Teil 2: Verwehte Spuren und der Reiter von Windhoek
Nach dem Ende der Aufstände in Deutsch Südwest errichteten die Deutschen nach 1907 zwei markante Denkmale in der Kolonie: Den Schutztruppen-Reiter in der Hauptstadt Windhoek (Windhuk) und das Ehrenmal der Seesoldaten in der Hafenstadt Swakopmund. Der Reiter ist seit 2014 verschwunden, das Denkmal für die Mariner ist noch da. Es ist unübersehbar, wenn man morgens vor dem Café Anton sitzt und mit Behagen ins Brötchen mit Rohhack beißt.
In jedem Ort, der groß genug ist, Straßennamen zu haben, finde ich eine Bismarck-Straße. Und überhaupt, die Ortsnamen: Lüderitz heißt nach wie vor Lüderitz, mal mit und mal ohne die Pünktchen über dem U. Eine versuchte Umbenennung nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 in einen Namen, der einem der örtlichen Stammessprachen entnommen wurde, konnte sich nicht durchsetzen, da diese Sprache von niemandem nachgeahmt werden kann, zumal sie aus unterschiedlichen Schnalz-, Knack- und Kehllauten besteht. Zwar hat der weiße Mann für diese Sprache Schriftzeichen erfunden, doch die sind eher etwas für akademische Spezialisten, und ich wage die Prognose, dass sie keine Chance haben, allgemein akzeptiert zu werden, womit wir zwanglos bei einer Besonderheit des Landes angelangt wären. Zwar schickt man die schwarzen Kinder heutzutage in die Schule. Dort werden sie in der angeordneten Landessprache unterrichtet. Das ist das Englische, von dem die Kleinen bis zum Eintritt in die Schule noch nichts gehört haben.
Den Erfolg solcher Beschulungsbemühungen habe ich vielfach testen müssen. Das Englisch dieses Bevölkerungsteils ist katastrophal bis komplett unverständlich. Ich hatte das zweifelhafte Vergnügen in Seeheim (dazu später) in die Weihnachtsfeier eines einheimischen Lehrerkollegiums zu geraten. Dieses schwarz-weiß gemischte Gremium verständigte sich untereinander mit Gestik und Brocken aus dem Englischen, Deutschen und der Burensprache Afrikaans. Ich bin Meilen davon entfernt, mich hierüber zu erheben, nur denke ich, dass dies schlechte Bedingungen sind, um aus den Völkern, die in Namibia siedeln, einen Nationsstaat zu formen. Falls das überhaupt gewollt ist.
Die Verständigung mit den Weißen war hingegen problemlos. Diejenigen, die Afrikaans als Umgangssprache nutzen, können auf Deutsch oder Englisch umschalten und tun dies auch ungesäumt. Aus diesen Gesprächen erfahre ich mehr über Land und Leute als aus jedem Reiseführer. Nach kürzerer Frist ergibt sich aus diesen Gesprächen ein sich stets wiederholendes Stimmungsbild. Das Leben bis zur Unabhängigkeit des Landes, 1990, war leichter, auch wenn es die in Südafrika strikt praktizierte Apartheit nicht gab.
Jetzt sei es so, dass versucht werde, die Weißen als Farmer und Geschäftsleute zu verdrängen. So sei der Verkauf von Farmen durch weiße Farmer an Weiße nicht erlaubt. Man nötigt die Eigentümer, ihre Farmen zu vierteilen und an Schwarze zu vergeben. Das Ergebnis sei dann – neben der nicht rentierlichen neuen Farmgröße – so, dass die schwarzen Käufer ihr Farmland als Prestigeobjekt besäßen, ohne es wirklich zu bewirtschaften.
Natürlich habe ich mich gefragt, wie es kommt, dass funktionierende Farmen sich heute noch in den Händen von Deutsch-Stämmigen befinden. Hier ist des Rätsels Lösung: Ab den 1890er Jahren erhielten die ehemaligen Soldaten der Schutztruppe nach dem Ablauf ihrer fünf Dienstjahre die Möglichkeit eingeräumt, vom deutschen Staat Farmland zu kaufen. Die Preise können nicht hoch gewesen sein, denn der Wehrsold war es auch nicht. Heute wirtschaften dort Nachkommen der dritten oder vierten Generation.
Man ist zunächst verblüfft über die Größe dieser Farmen (zwischen 30.000 und 100.000 Hektar) in einem Land, in dem der Fremde sich wundert, dass überhaupt etwas wächst. Das trifft im Prinzip nur für die gewaltige von Nord nach Süd ausgestreckte Hochebene zu. Hier erstreckt sich die Savanne, soweit das Auge reicht. Dieser Teil des Landes ist eingezäunt. Links und rechts der wenigen Straßen erstrecken sich hunderte von Kilometern an Zäunen, ab und an unterbrochen durch eine gemauerte Toreinfahrt, hinter der eine Sandpiste beginnt, die zur Farm führt.
Soweit diese Farmen auch Gäste beherbergen, ist mehrerlei zu lernen. Das Essen ist gut und reichlich. Es besteht vor allem aus dem, was im Lande wächst. Das ist Rinder-, Schafs-, Zebra-, Antilopen- und Straußenfleisch. Für Leute mit ideologischen Essstörungen hat man hierzulande bestenfalls ein müdes Lächeln über. Die Gäste, die ich antreffe, sind ebenso wie ich Weiße, aber im Gegensatz zu mir sind sie mit Jagdflinten bewaffnet.
Die Gespräche über Deutschland beginnen meist vorsichtig. Nein, nach Deutschland wollen die Wenigsten reisen: zu teuer, zu verrückt. Auch werde ich, wie schon angedeutet, in die Verhältnisse des südwestlichen Afrika eingewiesen. Die regierende Swapo ist durch und durch korrupt und wird durch den Stamm der Owambo beherrscht. Für Recht und Ordnung auf ihrem Territorium sorgen die Farmer selber. Mindestens ein schwarzer Abgestellter patrouilliert permanent auf dem Gelände, um Wilderer fernzuhalten. Wer erwischt wird, kriegt eine Kugel. Man schluckt, wenn man’s zum ersten Mal hört. Meine Rückfrage, was denn die Polizei dazu sagt, wird mit einem mitleidigen Lächeln beantwortet. Ich hake nach: Der nächste Polizeiposten ist über hundert Kilometer entfernt. Aha.
Deutsche Spuren? In fast jedem Ort, wenn er denn mehr als zehn Häuser hat, finde ich ein deutsches Lokal, so deutsch, dass man denkt, so muss es vor hundert Jahren zugegangen sein. Beispiel Keetmanshoop. Dort steht das Schützenhaus. Im großen Gesellschaftsraum eine Weihnachtsfeier, als ich gegen Mittag das Lokal betrete. Ich gebe zu, dass ich zweimal hinsehe, denn die Gesellschaft von ca. 100 schwarzen Personen hat sich mit bunt blinkenden Rentiergeweihen geschmückt. Es wird gesungen, ich werde in einen benachbarten Gastraum komplementiert. Dort hängen deutsche Messtischblätter an den Wänden mit dem Verlauf der Gefechte von 1914/15.
Ich lese in einem Reiseführer in mäkelndem Ton, dass es im Schützenhaus einen Clubraum nur für Mitglieder und deren Gäste gebe. Den will ich natürlich gesehen haben. Also spreche ich den Mann auf deutsch an, den ich für den Eigentümer halte. Er mustert mich kurz von oben bis unten, dann schließt er mir das Etablissement auf. Es ist eine Bar mit älteren Fotos an den Wänden, auch fehlt die kaiserliche Reichskriegsflagge nicht.
Da ich keine Anzeichen politisch korrekter Erschütterung zeige, bekomme ich durch kurze Rückfragen eine halbstündige Vorlesung über die Familie des Wirts und deren Herkunft aus Swinemünde. Ein Detail ist mir neu: Der Großvater, ein Soldat der Schutztruppen, entschloss sich nach Ablauf der Dienstzeit im Lande zu bleiben. Da er nicht alleine bleiben mochte, plante er sich zu verheiraten. Aber wen? Eine Anzeige in Tageszeitungen im Reich schuf Abhilfe. Es meldete sich eine Krankenschwester aus Berlin. Sie kam, sah und siegte. Mir geht durch en Kopf: Wenn eine über tausende von Kilometern anreist, dann muss sie ziemlich entschlossen sein. Vielleicht ist dies die Erklärung, dass man hierzulande auf diesen eigenwilligen Typus von Deutschen trifft, die im Traum nicht daran denken, ihr Deutschsein zu verleugnen. Hiervon zeugt ohne Frage auch der Zustand der deutschen Soldatengräber. Sie sind gepflegt, und ein Besucherbuch lädt dazu ein, seine Gedanken zu hinterlassen.
Mein politisch korrekter Reiseführer mokiert sich über die unterschiedlichen Aufschriften auf dem Soldatenfriedhof von Waterberg. Auf den Grabsteinen wird zwischen ermordeten und gefallenen Deutschen unterschieden. Zu recht, wie ich meine, denn die Toten vom Januar 1904 – die Mehrzahl von ihnen keine Soldaten – wurden von den Hereros in einer Nacht- und Nebelaktion erschlagen. Erst danach kamen die Kämpfe mit der Schutztruppe, von deren Soldaten überraschend viele ihr Leben ließen. Auf den Grabtafeln und im Werk des Generalstabs finden sich ihre Namen. Erwähnen will ich immerhin, dass deutsche Soldatenverbände eine Gedenktafel für die am Waterberg im Kampfe gefallenen Hereros angebracht haben.
Auf anderen Soldatenfriedhöfen, wie dem von Maltahöhe, finden sich die Gefallenen aus den diversen Aufständen der Nama, also aus den frühen 1890er Jahren und von 1904-07. Es sind mindestens 50. Eine Besonderheit entdecke ich schließlich auf dem Friedhof von Aus. Hier am Rande der Namib-Wüste ging im Ersten Weltkrieg der Kampf gegen die Truppen aus Südafrika zu Ende. Die Deutschen unter Victor Franke kapitulierten bereits im September 1915.
Die überlebenden Schutztruppler wurden im Lager von Aus eingesperrt. Der Friedhof von Aus birgt eine Überraschung, denn die Masse der dort Begrabenen starb erst im Ende 1918. Das war die Zeit der Spanischen Grippe. Die Grabsteine enthüllen ein grausam ironisches Detail. Im Oktober starben – erkennbar an den burischen und englischen Namen – die südafrikanischen Wach- und Besatzungstruppen, im November dann die deutschen Gefangenen. Die Wachen hatten also die Bewachten angesteckt. Die Grippe hat zwischen Siegern und Besiegten keinen Unterschied gemacht. Zur selben Zeit war der Krieg zu Ende, aber nicht für die Internierten. Diese jungen Männer erlebten ihre Freilassung nicht mehr.
Deutsche Spuren? Orts- und Straßennamen sind nach wir vor die der deutschen Kolonialzeit. Nur in der Hauptstadt Windhoek ist der Fortschritt eingezogen. Die Hauptstraße aus der Kaiserzeit hieß bis 1990 Kaiserstraße, jetzt heißt sie Independence Street, Straße der Unabhängigkeit. Der Reiter, ich sagte es schon, wurde entfernt. An seiner Stelle steht auf dem Hügel mit der Christuskirche, deren Fenster Wilhelm II. stiftete, ein Gebilde, das aus der Ferne wie ein überdimensionierter Müllschlucker aussieht, das Monument der Unabhängigkeit.
©Helmut Roewer, Januar 2023
Ich glaube sicher, dass den jugendlich-grünbraunen Restdeutschen die Reise nach dort (zwecks Agitation) einfach zu teuer ist. Mehr oder weniger freie Drogen und Kontakt zu US-liberalen Hippies gibt es scheints i.Ggs. zu Lateinamerika auch nicht. Zum Glück werden die neue Erbschaftssteuer und Klima-Flugsperren dafür sorgen, dass das auch so bleibt.
Trotz Ski, ich glaube, dass die ideologischen Idiotien der Klimaidioten selbst bei körperlicher Anwesenheit die Deutschen in Namibia nicht von Ideologie überzeugen würden. Dort wohnen Deutsche, die wissen, dass sie für ihre Existenz arbeiten und ihr Wissen einsetzen müssen.
ZITAT: „Die Gäste, die ich antreffe, sind ebenso wie ich Weiße, aber im Gegensatz zu mir sind sie mit Jagdflinten bewaffnet.“
Es kann nicht jeder mit dem Panzer vorfahren. 🙂
ZITAT: „Der nächste Polizeiposten ist über hundert Kilometer entfernt.“
Die Polizisten haben den Schuss nicht gehört. 🙂
ZITAT: „Vielleicht ist dies die Erklärung, dass man hierzulande auf diesen eigenwilligen Typus von Deutschen trifft, die im Traum nicht daran denken, ihr Deutschsein zu verleugnen.“
Da verstecken die sich also. Daran erkennt man, wie sehr wir hier psychisch zum Selbsthass manipuliert wurden. Dieser giftige Einfluss fehlt dort.