Die Hinterlassenschaften eines verwegenen Menschenschlags

„Es lebt dort ein so verwegener Menschenschlag beisammen, daß man mit der Delikatesse nicht weit reicht“, diktierte der Weimarer Geh. Rath v. Goethe vor knapp 200 Jahren am 4. Dezember 1823 seinem Eckermann bezüglich der preußischen Metropole in die Feder. Die Lügenmedien dürfen über dieses anrüchige Thema nicht berichten, nun ist es einer in sicherer Entfernung – in Singapur – wohnenden Korrespondentin doch herausgerutscht:

Eine Freundin aus Berlin (…) erzählte, dass sie vor Kurzem mit ihrem Mann essen gehen wollte, in ein gut besprochenes neues Restaurant in Berlin-Kreuzberg.  Am Ende des Abends, enttäuscht von mittelmäßigem Fish and Chips und Caesar Salad für 82 Euro, traten sie auf die Straße und stellten fest, dass sie nicht nach Hause fahren konnten: Vor ihrem Auto hockte ein Mann und erledigte sein großes Geschäft. Zuerst warteten sie, doch er ließ sich Zeit.

Das deckt sich mit zwei pittoresken Erlebnissen, welche ich selbst machen durfte. Neben einem Rixdorfer Friedhof hatte ich in der Gradestraße sehr zu meiner Zufriedenheit einen Parkplatz für meinen großen Pickup gefunden. Die Freundin stieg aus und wäre auf dem Trottoir fast in einen Haufen gelatscht. Zunächst nahm sie an, daß das von einem größeren Hund stammen könnte. Nun nehmen Hunde allerdings kein Papier. Es muß ein Homo S. gewesen sein. Ein andermal fuhr mich der Mann von meiner Freundin ihrer Schwester durch Kreuzberg. Ein Berliner stand am Straßenrand, pinkelte mit großer Erleichterung im weiten Bogen auf die Straße und traf neben anderen Fahrzeugen auch unser Auto. Einmal Autowäsche gespart.

Auch kursieren Videos im Internet, wo Berlinerinnen von ihren Kavalieren in den Mund gepißt wird. Es soll sich um Etablissiments wie die berühmten Clubs handeln, wo die strengen Türsteher per Selektion des musikbegeisterten Publikums immerhin noch Schlimmeres verhindern dürften. Nicht jeder darf hereinspazieren.

Kürzlich hatte ich ein Klassentreffen besucht. Da waren auch Leutchen gekommen, die es in die Reichshauptfavela verschlagen hatte. Sie haben mir bestätigt, daß überall menschliche Fäkalien herumlägen, auch in den Ungated Communities des NGO- und Was-mit-Medien-Neuadels. Vielleicht werden deshalb so viele Berliner die Briefwahl vorziehen, um auf dem Weg zum Wahllokal in der Gosse nicht auszugleiten.

Die Verhältnisse erinnern an Prof. Josef Kulischers Beschreibung der Straßen im 18. Jahrhundert: „Es gab weder Bürgersteige noch Pflaster. Soweit Pflaster vorhanden war, war es von solcher Beschaffenheit, daß die Bewohner (…) geneigt waren zu wünschen, daß lieber gar keines vorhanden sein möchte. Es gab in demselben zahlreiche Löcher, in denen Menschen, Tiere und Fuhrwerke versanken. (…) In der Mitte der Straßen liefen Rinnsale, welche widerliche Gerüche ausstrahlten und beständige Ansteckungsherde darstellten. Abtritte fehlten vollständig und die Bevölkerung bediente sich der Höfe zu diesem Zwecke und benützte die Straßen als Ablager für Unrat. Arthur Young schreibt über Clermont-Ferrand, die Hauptstadt der Auvergne, daß seine Straßen durch ihren Schmutz und ihren Gestank an Laufgräben erinnerten, die man in Misthaufen angelegt hätte; die Bewohner würden sich sehr wohlfühlen in dieser Atmosphäre.“

Retour nach Berlin: „Ein ständiges Problem war das Umkippen der Kutschen – ein Umstand, der gerade den Postkutschen des 18. Jahrhunderts nicht gerade den besten Ruf nachsagte. So störte sich ein Berliner Zensor an dem Satz einer Novelle: „Der Postwagen fuhr abends um neun Uhr die Friedrichstraße entlang und kippte an der Ecke Leipziger um.“ (Laszlo Tarr, Karren, Kutschen, Karossen, Budapest 1970, S. 275)

Wir sehen, daß sich Berlin in die hygienischen und medientypischen Verhältnisse des Feudalismus hineinentwickelt, was allerdings im Gleichmaß mit der politischen Kulisse geschieht.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Seid reinlich bei Tage und säuisch bei Nacht So habt ihrs auf Erden am weitsten gebracht.“ (Goethe als Spätpubertant 1775 im Urfaust)