Die Geschichte der Fischstäbchen
Derzeit wird viel über Deindustrialisierung in Deutschland gesprochen und geschrieben. Es gibt aber auch andere Formen der Auswanderung, und zwar der Firmenholding in Steuerparadiese. Die britischen Jungferninseln in der Karibik sind eins der letzten Reservate für diejenigen, welche der Sozialdemokrat Franz Müntfering ohne die Resultate der Kanzlerschaft von Olaf Scholz zu erahnen, geringschätzig „Heuschrecken“ nannte:
Namen und Identität der Geschäftsführer oder Aktionäre werden nicht auf den Gründungsurkunden von Unternehmungen genannt und tauchen nicht in öffentlichen Registern auf. Es gelten strenge Vertraulichkeitsgesetze. Es gibt keine Steuern auf Bank- und Offshore-Transaktionen, keine Einkommens-, Kapitalertrags- und ähnlichen Steuern. Es gibt jedoch Steuerabkommen mit den USA und der EU. Aber machen wir mal einen kurzen Abstecher retour nach Deutschland:
Vor ein paar Tagen stand ich vor einem Kühlregal in Isserstedt und staunte über die Preise von Fischstäbchen. Ich dachte, daß Iglo ein deutsches Traditionsunternehmen sei, die Werbung – hier ein Clip aus der späten Russenzeit – suggerierte es:
Fast alle Matrosen waren damals sehr blond, es war noch kein merkelscher Messermann dabei. Dabei hätte der Werbebotschaft eine heiße, provokant lächelnde Latina aus einer karibischen Hochburg der Piraterie sehr gut gestanden.
Bis 1961 firmierte der Tiefkühlkosthersteller unter Solo Feinfrost mit Produktionsstandorten, darunter in Emden und Wunstorf. 1959 wurden die ersten Tiefkühl-Fischstäbchen produziert.
Seit 1961 gehörte Iglo zum Unilever-Konzern. 1960 wurde der Name Iglo erstmals bei der Vermarktung von tiefgekühlten Lebensmitteln wie Fischstäbchen und Spinat in den Niederlanden verwendet, wobei Iglo die niederländische Bezeichnung für Iglu – die Behausung von Eskimauts – ist. 1961 entschloss sich der damalige Mutterkonzern Unilever, anstelle des englischen Namens der Schwestermarke Birds Eye (vermutlich deutsch: Auge vom Vogel) den Namen Iglo ebenfalls in Deutschland zu verwenden. Damit folgte auch die Umfirmierung des Unternehmens in Iglo Feinfrost.
Die Langnese-Iglo GmbH entstand 1963 aus einem Zusammenschluss der beiden Unilever-Firmen Langnese Eiskrem GmbH (seit 1936 bei Unilever) und der Iglo GmbH.
Im August 2005 wurde die Langnese-Iglo GmbH ein Teil der Unilever Deutschland GmbH und fungierte nicht mehr als eigenständiges Unternehmen.
Nach 45 Jahren, am 9. Februar 2006, gab Unilever den Verkauf seiner europäischen Tiefkühlmarken Iglo und Birds Eye bekannt. Als Gründe wurden die steigende Konkurrenz durch Billigprodukte und zu geringe Gewinn- und Wachstumsaussichten genannt. Daher wurde am 1. Juli 2006 der Bereich Tiefkühlkost in die neu gegründete Iglo GmbH ausgegliedert. Iglo und Birds Eye wurden am 28. August 2006 für 1,73 Milliarden Euro an die Private-Equity-Gesellschaft Permira verkauft. Ab Mitte 2011 firmierte die Gruppe Birds Eye Iglo unter Iglo Foods Group Limited.
Im April 2015 wurde Iglo für 2,6 Milliarden Euro an die amerikanische Investorengruppe Nomad Foods Limited verkauft. Und da sind wir dann wieder zurück auf den günstigen Jungferninseln. Nomad beabsichtigt, das Unternehmen von dort aus zu einem Nahrungsmittelkonzern auszubauen.
Wir sehen, daß Iglo fast so viele Besitzerwechsel durchgemacht hat, wie Prinz Heinrich XIII. Anhänger in seiner Chatgruppe hatte. Ich habe natürlich mal nachgesehen, wie es der Nomad Holding in Road Town auf den britischen Jungferninseln so geht. Ja, sie erzielen die in der Nahrungsmittelbranche üblichen Margen. Was ich etwas kritisch sehe, sind die vielen teueren Zukäufe. Da muß man immer den Glauben haben, daß ein glückliches Händchen walte. Jeder dritte Zukauf entpuppt sich später als Flop.
Unilever hatte zuletzt eine Marge von gut 11 %, Nomad von knapp 7 %. Der Verkauf der Kalte-Fische-Sparte hat sich also gelohnt. Andererseits verdient man mit Iglo immerhin mehr als mit dem Autobau.
Da Iglo in die Karibik umgezogen ist, hat die italienische Band Nanowar of Steel ein Video „Der Fluch des Käptn Iglo“ hergestellt. Das Wochenende gehört der Kunst, deshalb möchte ich der Leserschaft dieses spannende Werk, welches mit der Verspeisung von Mammas Selbstgekochtem endet, nicht vorenthalten:
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Wasser allein macht stumm, man sieht es im Bach beim Fische.“ (Geh. Rath v. Goethe)
Jetzt waren Sie so fleißig, Herr Prabel.
Nomad Foods firmiert zwar auf den Britischen Jungferninseln, der Steuersitz ist allerdings das Vereinigte Königreich.
Ersteres dient wohl primär dazu, dem Streubesitz-Pöbel gegenüber die Haftungsverpflichtungen zu reduzieren.
Viel wichtiger hingegen ist, dass Discounter-Stäbchen nichts taugen – das Panade-zu-Fischverhältnis ist meist schlecht.
Und was zum Teufel steht denn jetzt auf den Fischstäbchen drauf ?? “ Made by Virgins from Virgin Islands “ ??