Junge Leute mit schlechten Manieren gabs immer schon

Just im Jahre des Herrn 2022 hört man von Terroristen der sog. letzten Generation, die wie weiland Max und Moritz oder der Lehrling Klecksel böse Streiche machen, sich zum Beispiel an Kunstwerken vergehen oder diverse Suppen verschütten. Hier zwei Exempel aus der deutschen Kulturgeschichte:

  

Im Fall von Meister Böck handelte es sich wie auf der A 100 in Berlin um das Unbrauchbarmachen von Verkehrswegen. Der Meister konnte dank zweier Enten und eines heißen Bügeleisens, anders als die Berliner Radfahrerin, gerettet werden:

Ein heißes Bügeleisen auf den kalten Leib gebracht, hat alles wieder gutgemacht.

Karl-August Böttiger berichtete undatiert (es wird sich um das Jahr 1776 handeln, das wurde über die Biografie von Bertuchs Frau ermittelt) über eine Verwüstung beim Verleger Bertuch in Weimar.

„Bertuch war, als die Genieperiode grassierte, immer das Stichblatt des Spottes bey den Genies und dem Herzog u. hieß der Spießbürger. An eben dem Abend, er seine Frau zuerst nach Weimar in sein Logis gebracht hatte, erhielt er noch vom Herzog u. Göthe einen Besuch. Der Herzog debütierte damit, daß er gehört habe, er habe sich verteufelt spießbürgerlich eingerichtet, einen prächtigen Nachtstuhl habe machen lassen, und triebe großen Luxus. Er müsse doch also sehen, was daran sey. Sogleich fielen ihm ein paar schöne neue Spiegel ins Auge, die er mit seinem Hieber zertrümmern wollte, sich aber doch, als Bertuch vorstellte, daß er sie auf des Herzogs Unkosten noch einmal so kostbar anschaffen würde, zureden ließ, u. mit der Äußerung abstand, daß man die Spiegel um der Frau willen lassen müsse, damit diese sich bespiegeln könne. Darauf hielt der Herzog Revision auf Bertuchs Schreibpult und fand einen Roman von Göchhausen, mit dem er sogleich eine Exekution vornahm, Blätter herausriß und herausbrannte, Taback hereinstreute und so die Bescheerung der Fräulein von Göchhausen versiegelt zuschickte. Endlich hieb und stach er in die neuen Tapeten, weil dieß verflucht spießbürgerlich sey, daß man die nackten Wände überkleistern wollte. Die junge Ehefrau schlich sich, wie vom Donner gerührt, über diese Behandlung davon. Bertuch verbiß seinen Aerger, ward aber einige Tage darauf sterbenskrank.“

Wir sehen, daß der Reichenpöbel schon vor einem Vierteljahrtausend wenig Achtung vor dem Leben der Anderen hatte. Goethe war 1776 etwa siebenundzwanzig Jahre alt, der Herzog etwa neunzehn. Paßt!

„Der Sturm und Drang als literarische Epoche verlief von etwa 1765 bis 1785 und ward auch als „Geniezeit“ bezeichnet. Sie bildete sich aus der Epoche der Aufklärung (1720 – 1800) als eine Jugend- und Protestbewegung von jungen Dichtern heraus, die anstelle der Vernunft und des Verstandes auf den Individualismus und die freie Verwirklichung des eigenen Ichs zielte, und die Gefühle in den Vordergrund stellte.“ (Patrick Langer)

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst:  

Sag mir nur, warum die Jugend,
Noch von keinem Fehler frei,
So ermangelnd jeder Tugend
Klüger als das Alter sei.

(Geh. Rath v. Goethe)

 

Beitragsbild: Goethe und Herzog Carl August, etwa 1776.