Aus alter Familie – einige Bemerkungen zum neuen Kampfpanzer Panther der Firma Rheinmetall

Gastbeitrag von Helmut Roewer

Die deutsche Waffenschmiede Rheinmetall hat am 14. Juni 2022 den Prototyp eines neuen Kampfpanzers präsentiert. Lässt man den Werbeblödsinn mal beiseite, handelt es sich um ein Vollkettenfahrzeug von 59 Tonnen Kampfgewicht mit einer nagelneuen 13 cm-Bordkanone, einem koaxial angebrachten 13,5 mm-Maschinengewehr sowie Abwehrgerätschaften gegen Drohnenangriffe. Der Panzer ist bis unter die Lukendeckel vollgestopft mit Elektronik, die – so die Firmenanpreisung – von allen 4 Besatzungsmitgliedern bedient werden kann.

Der Panzer hat den Namen Panther verpasst bekommen. Dieser Name ist Programm. Sein Vorgänger war die deutsche Antwort auf eine unangenehme Überraschung auf den Schlachtfeldern der Ostfront, wo die Wehrmacht mit dem sowjetischen T 34 konfrontiert wurde, dessen Existenz 1941 von der deutschen Auslandsaufklärung, dem Amt Ausland/Abwehr, verpennt worden war. Erst ab 1942 mit dem Panther und dem zugleich gefertigten Tiger hatte die Wehrmacht mittelschwere bzw. schwere Kampfpanzer, die den russischen und später den westalliierten Paroli bieten konnten, ja deutlich überlegen waren.

Revolution des Schlachtfeldes oder Schnee von gestern: die deutsche Panzerwaffe

Es waren nicht die Deutschen, sondern die Briten im Ersten Weltkrieg, die den Panzer – dort aus Tarnungsgründen Tank genannt – ins Kriegsgeschehen an der Westfront einführten. Die Absicht: das in einem scheinbar unveränderlichen, verlustreichen Stellungskrieg festgefahrene Kriegsgeschehen wieder flott zu machen. Es galt tief gestaffelte, mit herkömmlichen Mitteln des Infanterie-Angriffs kaum zu passierende Verteidigungsgräben zu überwinden. Als die britischen Tanks Ende 1916 bei Cambrai erstmals überraschend und zudem in großer Stückzahl zum Einsatz kamen, geschah genau das: Die deutsche Hauptkampflinie wurde auf breiter Front durchbrochen. Und dann? Und nichts. Die in der Tiefe des Raums herumirrenden Panzer wurden einer nach dem anderen – sofern sie nicht wg. technischer Mängel ohnehin stehenblieben – von deutscher pferdebespannter Feldartillerie im Direktbeschuss vernichtet.

Immerhin: der Schock, der auf der deutschen Seite ausgelöst wurde, versetzte die deutschen Militärtaktiker und -techniker im Großen Generalstab und preußischen Kriegsministerium in Trab. Hier im Kriegsministerium, der Sektion A7V, entstand mit hohem Tempo die technische und taktische Planung für einen Kampfpanzer, der ein vierkantiger nach allen Seiten Feuer speiender Koloss auf Raupen wurde. Nach seinen Vätern nannte man ihn A7V.

Der A7V kam ab dem Frühjahr 1918 in kleinen Stückzahlen an der Westfront bei den Durchbruchsschlachten zum Einsatz. Dann war der Krieg aus, und ein Panzerverbot stand im Versailler Vertrag. Das wurde, wie manches andere, umgangen. In Sachen Panzer werkelten und übten die deutschen Strategen in der Sowjetunion, deren junger Militärelite im Gegenzug eine (ebenfalls verbotene) Generalstabsausbildung in Deutschland am Sandkasten zuteil wurde.

Davon sickerte das eine oder andere an die Öffentlichkeit. Tucholsky & Co hatten hieran regen Anteil. Was sie indessen nicht sehen konnten, fand in den Köpfen einiger weniger Offiziere statt. Es konnte dann zur Überraschung der Welt betrachtet werden, als die Wehrmacht dank des Diktators irrwitziger Entscheidung 1939 in Polen einrückte.

Das Staunen der Welt erhielt den international verwendeten Namen Blitzkrieg. Dahinter steckte das Prinzip der massiven Konzentration von gepanzerten Verbänden, die mit ebenso massiver direkter Luftunterstützung den Feind frontal durchbrachen, in die Tiefe des Raumes ohne zu zögern vorstießen, nach links oder rechts abdrehten und den verwirrten Gegner, ehe er sich’s versah großräumig einkesselten.

Die Polen lernten diese Lektion als Erste. Ihren meist tapfer fechtenden Soldaten hatte eine verantwortungslos handelnde Führung eingeredet, deutsche Panzer bestünden aus Sperrholz und Pappmaché. Die einschlägigen polnischen Propagandaplakate kann man heute noch mit Grausen betrachten. Bevor sie den Irrtum erkannten, lagen die polnischen Reiter tot auf den Schlachtfeldern von Pommern. Nach 3 Wochen war der Krieg vorüber, und einen polnischen Staat gab es nicht mehr.

Die Franzosen, die eigentlich gar nicht kämpfen wollten, erfuhren es dann im Mai und Juni 1940 als nächste, wie der Durchbruch und Bewegungskrieg mit verbundenen Panzerkräften selbst gegen einen zahlenmäßig überlegenen Gegner funktionierte. Die verbündeten Briten flohen via Dünkirchen Hals über Kopf vom Kontinent. Der deutsche Größenwahn wuchs durch den Sieg über den sog. Erbfeind beträchtlich. Als nächstes wurde der Balkan überrannt. Und dann die Sowjetunion. Da geriet die Blitzkriegführung an ihre Grenzen. Nach Kesselschlachten von gigantischen Ausmaßen im Sommer und Herbst 1941 traten zwei Gegner auf den Plan, die bereits Napoleon 130 Jahre zuvor kennengelernt hatte. Sie hießen Tiefe des Raumes und General Winter. Beide sorgten für ausbleibenden Nachschub für die zudem eingefrorenen Panzer. Doch immer noch ließ deutscher Größenwahn die Erkenntnis des NichtSieges nicht zu. Die Niederlage musste ausgefochten werden. Mittendrin im Juli 1943 die Panzerschlacht von Kursk, das größte einschlägige Ereignis in der Welt-Kriegsgeschichte.

Die Niederlage von 1945 war eine totale. Danach gab’s keine deutschen Panzer mehr. Nur noch Stahl, der zugunsten der Sieger eingeschmolzen wurde. Das von den Großen Drei unisono verkündete Nie-wieder währte genau 10 Jahre. Dann rollten erneut deutsche Panzerverbände durch die Lüneburger Heide und den Brandenburger Sand. Dazwischen eine gut bewachte Grenze und der Auftrag, einander, wenn’s befohlen wurde, an die Kehle zu gehen. Das blieb aus. Wir haben Glück gehabt. Die Sitzbereitschaft in den ersten Wochen der sowjetischen BruderIntervention im August 1968 war keine Freude – das blieb hängen.

Wir sind wieder wer: Deutschland baut Panzer

Als ich als junger Mann in die Bundeswehr eintrat, hatte das Panzerbataillon 183 in Boostedt bei Neumünster noch den US-amerikanischen Kampfpanzer M 47 und wurde gerade auf dessen Nachfolger M 48 umgerüstet. Die ausgemusterten Panzer wurden dem Vernehmen nach an die Griechen abgeschoben. Von den 53 M 47 schafften es bestenfalls 10 mit eigener Kraft auf den Transportgüterzug, die anderen mussten geschleppt werden.

In den nächsten ein, zwei Jahren wurde alles anders: Der Leopard, Leo genannt, ersetzte als deutsches Eigengewächs recht zügig den Panzerbestand. Der Leo konnte seine Eltern nicht verleugnen. Er war ein etwas platt gedrückter Panther mit dem Fahrwerk des WehrmachtsStandart-Panzers IV. Er wurde ein Exportschlager. An seiner Vorführung für die Spitzen der italienischen Armee war ich beteiligt. Soviel Lametta habe ich vorher und auch danach nie auf einem Haufen gesehen.

Verständlich, dass einer dieser Goldbetressten, nachdem wir vorgeführt hatten, wie man mit diesen Stahlkolossen wilde Rennen im Heidesand fahren konnte, auch mal ran wollte. Kurzes Getuschel auf deutscher Seite, dann saß er am Steuer. Da muss er etwas missverstanden haben, vielleicht unterschätzte er auch, was passierte, wenn man mit voller Wucht aufs Gas trat. Jedenfalls rammte er einen der Busse, mit dem die Delegation an den Ort des Geschehens gereist war, und schnitt seitlich mit der Kette den hübschen Bus wie eine Sardinendose von vorn bis hinten auf, so dass der in Zeitlupe in sich zusammenknickte. Dem deutschen Kommandeur der Panzertruppenschule stand der Schweiß auf der Stirn. Später beruhigte er sich, als die Herren von Mercedes und Kraus-Maffei (Blaumann, Schlips und Aktentasche) sich um die Frage stritten, wer den kleinen Schaden begleichen dürfe.

Deutschland schafft sich ab: Die Legende von der Friedfertigkeit

Nach meinem Ausscheiden aus der Armee habe ich Panzer nur noch hie und da gesehen. Sie veränderten ihr Gesicht und auch ihr Innenleben. Der Leo 2, der den Ursprungs-Leopard irgendwann ersetzte, hatte die schlanke, flache Form eingebüßt, und hatte zudem bis zum Rand Technik an Bord. Er ähnelte äußerlich zunehmend dem Königstiger, den die Wehrmacht Ende 1944 als neusten Schlager erhalten hatte, ein Monstrum an Größe und Gewicht. Ob dieser Leo 2-Panzer etwas taugte oder besser: taugt, weiß ich nicht. Immer noch stehen, so höre ich, Länder Schlange, um ihn zu erwerben. So Polen, das endlich seine sowjetischen Panzer loswerden will – um mit dem Leo 2 in Lemberg einzumarschieren?

Ob das alles seinen Gang gehen wird, lässt sich schwer sagen. Klar ist nur, dass das jetzige Gefeilsche um deutsche Panzer eine drastische Wahrheit unmissverständlich ans Licht gezerrt hat. Deutschland hat so gut wie keinen einzigen einsatzfähigen Panzer. Hunderte wurden abgewrackt oder – angeblich – eingemottet. Einschlägiges kam ans Licht bei dem Versuch, 50 ausgemusterte Fla-Panzer des Typs Gebhard in die Ukraine zu verscherbeln. Doch was nützen eingemottete Panzer, die man aufpoliert, wenn es für diese keine Munition gibt?

Dabei ist die missliche Lage nicht plötzlich und auch nicht ganz unbemerkt eingetreten. Schritt um Schritt war der Auftrag der Streitkräfte abgeändert worden, bis er schließlich ganz in Vergessenheit geriet. Von der Verteidigung Deutschlands war nicht mehr die Rede, sondern von irgendwelchem modernistischen Kunstgeschwätz: Interventionsfähigkeit, Frauengerechtigkeit, Klimatauglichkeit und so – mit einem Wort: Stuss.

Vor allem: es wurde die Legende gepflegt: Wir sind friedlich, also sind andere es auch. Deswegen werden Streitkräfte, vor allem aber Kampftruppen, nicht mehr gebraucht. Das ist Wunschdenken im Edelformat.

Von Putin lernen, heißt siegen lernen: Der neue Panther und die größte Armee Europas

Mit Russlands militärischer Intervention im Februar 2022 in der Ukraine wurde plötzlich alles anders. Die USA und ihre Verbündeten beschlossen, in diesen Krieg im Wege wirtschaftlicher Sanktionen zugunsten der Ukraine einzugreifen. Aber so richtig und hundertprozentig traut sich eigentlich niemand, denn das großmäulig angekündigte Tun ist nicht nur ein Schuss ins eigene Kontor, sondern es bleibt die Unsicherheit, wie lange Russland die unfreundlichen Akte lediglich durch unfreundliche Akte beantworten wird. Die Sache könnte auch ziemlich plötzlich ins Militärische eskalieren.

Da hat die deutsche Führung plötzlich bemerkt, dass man für einen solchen Fall – und sei es zur Abschreckung – Streitkräfte braucht. Die sind nicht da. Vor allem Kampftruppen: Fehlanzeige. Nun werden aus den langgedienten Kräften der grünen Heilsarmee und aus liberalen Emanzen mit Sturmhaubenfrisur über Nacht Militärbefehlshaber, die Waffen einkaufen. Seht mal her, was ich für Muskeln habe. In diesem Moment kommt das Angebot von Rheinmetall wie ein Wink des Himmels. Die Firma ist sich stolz ihrer Zeitgeist-Rolle bewusst. Den neuen Panther hat sie den Game Changer genannt. Nun, man wird sehen. Oder, wie man so sagt: Vor den Erfolg haben die Götter den Schweiß gesetzt.

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Einstweilen sind es nur große, aber keinesfalls kluge Worte, wenn der Bundeskanzler verkündet, Deutschland werde alsbald die größte konventionelle Armee Europas haben. Größer als? Schweiz? Frankreich? Polen? Russland? Alle zusammen? Und ganz zum Schluss nur mal so in die Runde gefragt: Kennt jemand einen deutschen Mann, dem er zutraut, diese Armee zu leiten?

 

©Helmut Roewer, Bilder: 1-2: HR-Arch., 3: Firmenprospekt Rheinmetall, Juni 2022