Die Inflation am 15.03.1922

Inzwischen hat die Geldentwertung ein Niveau erreicht, welches den Ölpreisschock der 70er Jahre locker in den Schatten stellt. Vergleiche sind von jetzt an mit den 20er Jahren zu führen. Das wollen wir jetzt einmal tun. Eine Zeitreise genau 100 Jahre retour.

Am 1. Juli 1914 betrug der Dollarkurs 4,20 RM, am 31. Januar 1920 42 RM, am 31. Januar 1921 60,43 RM und am 31. Januar 1922 199,40 RM. Nun war der Dollarkurs natürlich auch nicht das Gelbe vom Ei, weil der Dollar sich mit entwertete, nur nicht so schnell.

Vor genau 100 Jahren, am 15. März 1922, bekam man den Dollar für 274,72 RM, einen Tag vorher waren es noch 262,23 RM gewesen.

Ein kg Schwein lebend kostete 43 RM, ein kg Schaf lebend 21 RM und ein kg Rind lebend etwa 36 RM. Da etwa ein Fünftel bis ein Drittel des Gewichts minder werthaltige Schlachtabfälle sind und Kosten für Zerlegung und Vertrieb entstehen, dürfte der Ladenpreis etwa doppelt so hoch gelegen haben.

Das Briefporto betrug 2 RM, es stieg bis Jahresende auf 6 RM.

Weizen gedroschen kostete 13,80 RM pro kg, Weizenmehl 34 RM, Roggenmehl 24,80 RM.

Die Aktienkurse stiegen im selben Maße wie der Dollarkurs. Es ging immer lustig aufwärts, der Anleger konnte damit die Inflation ausgleichen, aber auch nicht mehr. In den Zeitungsanzeigen häuften sich Angebote, Geld als stiller Teilhaber bereitzustellen, teilweise stattliche Summen. Die Leute wollten in Sachwerte, wenn sie noch einigermaßen tickten. Werthaltige Gegenstände wie Schmuck oder Porzellan  wurden selten in Verkaufsanzeigen angeboten. Dagegen suchten Antiquitätenhändler verzweifelt nach Schmuck, Silbersachen und Orientteppichen. Der Immobilienmarkt war sehr dünn, teilweise wurden Tauschobjekte angeboten. Suche Schreinerei, biete Wohnhaus.

Es wurden Bekloppte gesucht: Kriegsanleihen wurden auch noch 1922 zum Kauf angeboten. Wir sollten darüber nicht lachen, heute gibt es Anleger von Delivery Hero.

In Berlin wurde über die Arbeiterlöhne verhandelt: Für Großstäde wurden am 14.03.1922 Zuschläge von 2,33 bis 2,70 RM pro Stunde erzielt, in der Provinz 50 Pfennige weniger. Immerhin waren das 400 RM im Monat mehr. In dieser Phase der Inflation konnten die Löhne mit der Geldentwertung noch mithalten, ein Jahr später nicht mehr.

Als Ursache der Inflation wurde von der Presse – egal welcher politischen Ausrichtung – der Versailler Vertrag kommuniziert, die hohen Kriegskosten und das planwirtschaftliche Regime der Republik wurden aus der Ursachenforschung weggewischt. Es war genau wie heute: Putin ist an allem schuld, punktum.

Omnia in omnibus war die Reichsmark als Tauschmitttel noch eingeschränkt verwendbar, für planerische Bemühungen wie Investitionen und dgl. war sie bereits unbrauchbar, die Wertaufbewahrungsfunktion war hinüber, nur daß das den Letzten erst klar wurde, als alles zu spät war. Die Hoffnung stirbt immer zuletzt, aber am bitteren Ende wird sie von blinder Wut abgelöst.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Der deutsche Donner ist freilich auch ein Deutscher und ist nicht sehr gelenkig, und kommt etwas langsam herangerollt; aber kommen wird er …“ (Heinrich Heine)