Warum es ohne Bündnisse nicht geht

In der Friedensbewegung, bei der Linken und in Randbereichen anderer Parteien gibt es die Überzeugung, daß ein Europa ohne die NATO ein besseres wäre.

Wir wollen mal vom desolaten Zustand dieses Bündnisses absehen, dessen Führungsmacht derzeit sehr suboptimal regiert wird, dessen Mitglieder teilweise nicht angemessen in die Rüstung investieren, Privatkriege im Innern und nach außen führen, Gebiete annektieren (z.B. Nordzypern) und dessen Struktur von NGOs destabilisiert wird, ohne daß jemand mit dem Stock auf den Tisch haut.

Früher gab es zeitweise politische Bündnisse, an denen auch Rußland beteiligt war. Das war zum Beispiel die vielgeschmähte Heilige Allianz nach 1815.

Foto: Prabel, Treffen des russischen Zaren mit dem Preußenkönig

Der Kitt, der sie zusammenhielt war allgemeine Erschöpfung nach den Napoleonischen Kriegen und die Verhinderung einer erneuten Revolution. Nach der Revolution von 1848 brach das Bündnis zusammen, weil Frankreich ausbrach. Aber auch andernorts erodierte die Lust am Frieden. Der erste Krieg zwischen Ex-Bündnispartnern war der Krimkrieg 1853.

Ein weiteres Bündnis unter Einbeziehung von Rußland war das Dreikaiserabkommen zwischen den drei Monarchien Rußland, Österreich-Ungarn und dem Deutschen Reich. Es wurde am 22. Oktober 1873 von Kaiser Wilhelm I., Kaiser Franz Joseph I. und Kaiser Alexander II. unterzeichnet. Das Abkommen wurde geschlossen, um „den gegenwärtig in Europa herrschenden Friedenszustand zu befestigen“, um ihn „gegen alle Erschütterungen, von welcher Seite sie auch kommen mögen, zu sichern, und wenn nötig zu erzwingen“. Er war aber primär nur ein Versprechen der drei Herrscher, durch direkte und persönliche Verständigung etwaige Differenzen auszuräumen. Es war kein Garantiepakt, wurde aber zum Grundstein der Bündnispolitik Otto von Bismarcks. Es verhinderte es eine mögliche Isolierung Deutschlands zu einem geringen diplomatischen Preis und sollte die Annäherung Rußlands an Frankreich verhindern. Bereits beim Berliner Kongreß zerbrach es, nicht nur weil der Hund von Bismarck dem russischen Außenminister, dem Fürsten Gortschakoff, die Hose zerrissen hatte, sondern auch weil es auf dem Balkan zu massiven Interessenkonflikten zwischen Rußland und Österreich kam.

Am 18. Juni 1881 war es soweit: Bismarck hatte wieder alle Schwachstellen zugeklempnert, Russland, das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn schlossen den Dreikaiserbund. Die Vertragspartner verpflichteten sich auf drei Jahre zu wohlwollender Neutralität in einem potentiellen Krieg mit einer vierten Partei und vereinbarten eine Konsultationspflicht für ihre Aktivitäten auf dem Balkan. Das Deutsche Reich konnte sich so der russischen Neutralität in einem etwaigen französisch-deutschen Krieg sicher sein, während Russland mit der reichsdeutschen und österreichisch-ungarischen Neutralität im Falle eines Krieges gegen Großbritannien wegen der Meerengenfrage oder gegen das Osmanische Reich auf dem Balkan abgesichert war. Auch dieses Bündnis platze aus demselben Grund wie das vorhergehende, und zwar 1886.

Das nächste Bündnis mit Rußland war der Stalin-Hitler-Pakt 1939. Er hielt nur bis 1941. Nachdem man die aufgeteilten Pufferstaaten hallewege verdaut hatte, kam es erwartbar zum Krieg, beide Vertragspartner hatten Weltherrschaftspläne.

Die Sowjetunion und die Zone schlossen am 20. September 1955 in Moskau einen Vertrag über die gegenseitigen Beziehungen ab. Beide Staaten sicherten sich völlige Gleichberechtigung, gegenseitige Achtung der Souveränität und Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten zu. Das war für Moskau eine wahnsinnige Erleichterung, bestand doch vorher immer die Gefahr, daß Ulbricht betimmt, wo es in Moskau lang geht. 1957 schlossen beide sog „Staaten“ einen Vertrag über die Truppenstationierungen ab, der „im Fall des Bedrohung der Sicherheit“ ein Eingreifen der sowjetischen Armee in der Zone ermöglichte.

1964 wurde der Vertrag über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit zwischen Chrustschoff und Ulbricht abgeschlossen. Auch er beteuerte die Souveränität der sog. „DDR“. Als gerlernter Ossi glaubte man an den Inhalt von Verträgen nicht. Da stand immer das Gegenteil der Wahrheit drin. „Papier ist geduldig“, sagten die Alten.

0 Chrustschoff und Ulbricht 1964

Der Verfasser dieser Zeilen war natürlich Mitglied der Gesellschaft für Deutsch-sowjetische Freundschaft. Damals gab es unter den Rußlandfreunden viele Witze: Stimmt es, daß das Getreide in der Sowjetunion so hoch wird wie Telegraphenmasten? – Im Prinzip ja, die Abstände sind sogar noch größer. Oder als Verulkung des Wiko-Kurses: Was muß passieren, daß es und es uns besser geht? – Es darf keine Klassen mehr geben, sondern nur noch Schichten. Eine Schicht Kommmunisten und eine Schicht Erde drauf.

Nun muß man im Unterschied zu späteren Zeiten natürlich anmerken, daß es unter den Reichskanzlern Bismarck und Hitler ein militärisches Gleichgewicht mit Rußland gab, man also auf Augenhöhe miteinander umging. Das war schon bei Österreich-Ungarn nur bedingt der Fall, trotz der Größe des Reichs schwächelte die Rüstung. Andere Völker mit geringer Größe wie Polen, Balten, Finnen, Ukrainer, Tschechen, Albaner, Kroaten, Slowenen, Slowaken usw. waren ständiger Spielball der Großen und wurden untergebuttert.

Die Uhr der Bündnisse zwischen Rußland, Österreich und Deutschland ist abgelaufen, weil Rußland Kernwaffen hat und von oben herab bestimmen kann, wie gegenüber Ulbricht. Der wurde ja auf Befehl aus Moskau weggeputzt.

  Breschnjeff und Honecker nach Ulbrichts Sturz

Die Voraussetzungen haben sich seit 1950 geändert.  Es gibt die Oberliga der Atommächte und die Kreisklasse der übrigen.  Das ist nicht ganz neu, weil es Großmächte immer schon gab. Deutschland ist allerdings 1945 nach unten durchgereicht worden. Das haben Annalena & Co noch nicht so richtig realisiert. Sie denken so wie Dr. M.: Wenn man laut genug mit den Wölfen heult, ist man mächtig. Und die deutschen Medien lassen das etwa seit dem Berlinumzug so durchgehen. Die heutige WELT beklagt den Irrtum der Merkelschen Außenpolitik, den wir hier auf PB schon fast 10 Jahre lang offengelegt hatten. Was gestern noch als Nazipropaganda der AfD verurteilt wurde, hängt heut am Baum der Erkenntnis.

„Die Russland-Politik des Westens der vergangenen Jahre ist in Berlin erdacht worden. Von Angela Merkel (CDU), der Kanzlerin, die so oft wie keine andere mit Putin verhandelt hat. Und von Steinmeier. Der war als ihr Außenminister der intellektuelle Architekt der jetzt so dramatisch gescheiterten Befriedung des Ukraine-Konflikts. Auf die „Steinmeier-Formel“ berief sich Putin noch am Dienstag vergangener Woche, als er neben Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kreml stand. Eine Woche später zerriss er sie in der Luft.“

Nicht zuletzt ist in Berlin verabsäumt worden, auf eine rationale Kiewer Nationalitätenpolitik hinzuwirken und dabei zu helfen die Soros-Agenten rauszuschmeißen. Der Besuch von Dr. M. am Krankenbett von Nawalny war gequirlte diplomatische Grütze, weil letzterer wohl schlimmer wäre, als Putin, käme er an die Macht.

Gestern war nämlich trotz des albernen Berliner Gekakels wieder mal die Stunde der Wahrheit. Weder die Expedition der stotternden Annalena an die Front, noch das Hocken von Olaf Scholz am superlangen Tisch im Kreml, nicht der deutsche Rekordaußenhandel mit dem Russischen Reich in 2021 (der vor allem durch Preisanpassungen zum Rekord wurde) und auch nicht die Freundschaft mit Gerhard Schröder haben den Zorn des Zaren über die Ukraine besänftigen können. Über solche lächerlichen Berliner Zwerge setzt man sich halt hinweg, zumal das Weiße Haus in den letzten Wochen auch schlecht beraten war.

Da die Macht auf der Welt sehr asymmetrisch verteilt ist, und unbegrenzt immer zu Mißbrauch verleitet, müssen sich die Mannschaften der Kreisklasse unter die Fittiche von Atommächten begeben. Und die hocken alle auf ihrem Monopol und lassen den dicken Maxen raushängen.

Wenn man über ein bündnisfreies Osteuropa phantasiert, darf man nicht vergessen, daß alle von Rußland und/oder Deutschland schon ein- oder mehrmals angegriffen worden sind. Man könnte Polen, Ungarn, Estland, Rumänien, die Slowakei usw. in die Neutralität entlassen, wenn man ihnen Kernwaffen zugesteht. Sie liegen halt nicht so günstig wie die Schweiz und haben nicht die Schrankfächer unter der Zürcher Bahnhofstraße, wo die Mächtigen aus aller Welt ihre Reichtümer verstecken. Die Schweiz ist ein Sonderfall.

Ich hatte 2016 Aufzeichnungen veröffentlicht, die ein europäisches Bündnis mit Frankreich als Atommacht skizziert hatten. Falls Amerika das Interesse am alten Kontinient verliert. Hier. Ganz alternativlos ist nichts. Dafür müßte die Mannschaft in Berlin allerdings ausgewechselt werden. Gegenüber Paris kann man sich nur behaupten, wenn man eigene Interessen hat und vertritt.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Auch was Geschrieb’nes forderst du Pedant? Hast du noch keinen Mann, nicht Manneswort gekannt?“ (Geh. Rath v. Goethe über Verträge)