Der Blick der deutschen Medien auf England

Denken fängt mit Vergleichen an. Das ist so, auch wenn es immer wieder geleugnet wird. Adolf war da sehr entschieden: „Vergleichen Sie sich nicht mit anderen. Wenn Sie dies tun, beleidigen Sie sich.“ Oder Bill Gates: „Vergleiche dich mit niemandem auf dieser Welt… wenn du das tust, beleidigst du dich selbst.“

Eine brauchbare und nüchterne Betrachtung des Vergleichs stammt von Immanuel Kant: „Etwas als ein Merkmal mit einem Dinge vergleichen heißt urtheilen. Das Ding selber ist das Subject, das Merkmal das Prädicat.“

Das häufige Problem des Vergleichs – und damit auch des Urteils – ist es, in eine Schieflage zu geraten, weil man am anderen Subject nur entweder gute oder aber schlechte Prädicate, jedoch nicht beide in ihrer Ambivalenz erkennen will. Daß der Vergleich dadurch zur Selbsterhöhung oder -erniedrigung mißrät, statt ein nüchternes Urteil fällen zu können.

Dieses Phänomen trübt seit geraumer Zeit den Blick auf viele Nachbarländer, exemplarisch auch auf England. Die alternativen Medien berichteten, daß im zwangsfinanzierten Staatsfunk der Rücktritt von Boris Johnson gefordert worden sei. Die Berliner Schriftleiter haben ihre Niederlage – daß Britannien aus der EU ausgetreten ist – noch nicht verwunden. Ständig wird von Katastrophen in Albion berichtet. Mal seien die Regale in den Kaufhallen leer wie im Rumänien der 70er Jahre, mal seien die Gaspreise skandalös gestiegen, und mal stehe die Wirtschaft vor dem Kollaps. Darüber daß das Pfund gegenüber dem Euro im vergangenen Jahr 6 % an Wert gewonnen hat, daß der FTSE im gleichen Zeitraum über 14 % zugelegt hat, der DAX jedoch nur 12 %, daß das Wirtschaftswachstum 2021 auf der Insel 6,9 % betrug, und in Deutschland 2,7 % herrscht Funkstille.

Der Blick des deutschen Agitations-Journalismus sucht gezielt nur noch das Negative und tritt es breit. Das ist eben der Unterschied zwischen Information und billiger Propaganda. Selbst in Kindergärten läuft die Wertung von Vorfällen rationaler, als bei ARD und ZDF.

Ich habe nun einmal das deutsche Englandbild Anfang 1914 und Anfang 1938 anhand der Freiburger Zeitung durchleuchtet, um es mit dem heutigen zu vergleichen. 1914 finden wir einen Bericht über das Londoner Nachtleben, in welchem auch Bettler vorkommen, aber der Autor vergriff sich deswegen nicht gleich an der Regierung. Aus Südafrika wurde von einem Streik berichtet, bei dem „die Behörden vollkommen Herr der Lage“ wären. Ansonsten beschäftigte sich die Zeitung viel mit dem Balkan und mit französischen Angelegenheiten. Man erahnt nicht einmal zwischen den Zeilen, daß der Weltkrieg unmittelbar bevorstehen sollte.

Umfänglicher war die Berichterstattung 1938. Themen wie: „Englisch-italienischer Rundfunkkrieg?“, „Geteilte Meinungen der englischen Presse über die Ernennung eines Diplomatischen Hauptberaters“, „Die englische Riesenrüstung“, „Der Generalstabschef der britischen Diplomatie“, „Brand auf britischen Kreuzer“, „Große Manöver in Singapore“, „Neuer englisch-japanischer Zwischenfall“, „Fünf Schlachtschiffe und acht Kreuzer“.

Die Freiburger Zeitung der 30er ging nicht ganz so brachial mit dem Holzhammer vor wie SPIEGEL, ARD oder ZDF. Die Nachrichten wiesen dezent in eine bestimmte Richtung: London rüstet auf und betreibt verdächtige Diplomatie. Das wurde in einem sachlichen und unkritischen Tonfall dargestellt und bei der Wertung auf die Phantasie des Lesers spekuliert. Dr. Goebbels traute den Volksgenossen etwas mehr zu, als Klaus Kleber oder Marietta Slomka, die jeden Happen gründlich vorkauen, jede Schlußfolgerung selber ziehen, oft in einfacher Sprache. Die müssen annehmen, daß überwiegend komplette Idioten vor den Empfängern sitzen. Solche Eskapisten wie Böhmermann oder Reschke wurden weder 1914 noch 1938 zugelassen, es sollte damals alles eine seriöse Anmutung haben.

Die England-Berichterstattung ist gegenüber 1914 deutlich unfreundlicher geworden, gegenüber 1938 direkter und übergriffiger. Was dem Bund an Bewaffnung fehlt, sucht man in der Berliner Bohéme anscheinend mit Tastatur und Kamera wettzumachen.

Wir müssen uns klar darüber sein: Die Berichterstattung in der Epoche des Merkelismus sagt nichts über England oder irgendeinen anderen verfemten Schurkenstaat aus, sondern etwas über die prekären intellektuellen Verhältnisse, in welchen die gedungenen Lohnschreiber der Reichsnachrichtenkammer (RND) im festen Glauben an Geschlechtslosigkeit, Wasserstoff und die bis vor einem Jahr verschmähte Gentechnik dahinvegetieren.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Die Engländer überhaupt scheinen vor vielen anderen etwas voraus zu haben. Wir sehen hier in Weimar ja nur ein Minimum von ihnen und wahrscheinlich keineswegs die besten; aber was sind das alles für tüchtige Leute! Und so jung und siebzehnjährig sie hier auch ankommen, so fühlen sie sich doch in dieser deutschen Fremde keineswegs fremd und verlegen. Vielmehr ist ihr Auftreten und ihr Benehmen in der Gesellschaft so voller Zuversicht und so bequem, als wären sie überall die Herren und als gehöre die Welt überall ihnen. “ (Geh. Rath v. Goethe am 12.3.1828)