Friedrich Merz und die Perestroika der CDU

Wenn man die Erfolgschancen von Friedrich Merz bei der Perestroika der CDU prognostizieren will, lohnt sich ein Blick in die Geschichte der KPdSU, insbesondere während der Jahre 1982 bis 1990. Denn die Defizite sind strukturell die gleichen: Ignoranz gegenüber Realitäten, Schönfärberei, das Sonnen im milden Licht der Vergangenheit und ein verkrusteter Apparat.

Nach dem Tod von Leonid Breschnjew im Novenber 1982 kam die AKK der KPdSU ans Ruder, Juri Wladimirowitsch Andropow (1914 bis 1984). Er wußte als langjähriger Geheimdienstchef über viele Defizite Bescheid, bemühte sich mehr Ordnung zu schaffen und die Kaderstruktur etwas zu verbessern. Alkohol gab es nur noch ab 14 Uhr und Gorbatschoff wurde gefördert. Der liebe Gott ließ ihm nicht viel Zeit, er wurde krank und starb.

Eine Anekdote aus dieser Zeit beschrieb eine Politbüro-Sitzung: Erst wurde das Lied „Wir sind die Junge Garde“ gesungen, danach wurden die in Afghanistan erbeuteten Herzschrittmacher verteilt.

Sein Nachfolger wurde der Laschet der KPdSU, Konstantin Ustinowitsch Tschernjenko (1911 bis 1985). Tschernenko war als starker Raucher bekannt. Im höheren Alter entwickelte sich ein Lungenemphysem. Nach seinem Tod wurde eine Autopsie durchgeführt, bei der entdeckt wurde, dass er auch noch an einer typischen russischen Volkskrankheit, der Leberzirrhose litt. Er starb bereits nach dreizehnmonatiger Amtszeit.

Auch dazu gab es eine Anekdote, die ich meinen geschichtsinteressierten Lesern nicht vorenthalten möchte: Genosse Rabinowitsch soll am Ersten Mai das Schild mit dem Porträt von Parteichef Tschernenko tragen. Er weigert sich mit der Argumentation: „Letztes Jahr habe ich Andropow getragen: Er ist im selben Jahr gestorben. Vorletztes Jahr habe ich Breshnjew getragen: Er ist im selben Jahr verstorben“. Darauf seine Kollegen: „Genosse Rabinowitsch, du hast goldene Hände!“

1985 kam der Merz der KPdSU, Michail Sergejewitsch Gorbatschow (geb. 1931) ans Ruder. Neue Akzente in der sowjetischen Politik setzte er mit Glasnost (Offenheit) und Perestroika (Umbau). Am 11. März 1985, einen Tag nach dem Tod von Tschernenko, wurde Gorbatschow mit 54 Jahren zum zweitjüngsten Generalsekretär in der Geschichte der Kommunistischen Partei gewählt. Bereits zu Beginn seiner Amtszeit stoppte er den Verkauf von Wodka, Brauereien und Destillerien wurden stillgelegt sowie Weinstöcke rausgerissen. Darüber hinaus blieb eine Belebung der Wirtschaft aus.

Eine Anekdote aus der Zeit beschreibt die Problemlösung: „Im Radio wird immer behauptet, daß es alles gibt, aber mein Kühlschrank ist leer.“ – „Du mußt den Stecker vom Kühlschrank in die Steckdose vom Radio stecken.“

Da der Zusammenhalt des Ostblocks auf brutaler Machtausübung basierte, zerfiel er, als die Zügel lockerer gelassen wurden. Die SED verbot zum Beispiel die sowjetische Zeitung „Sputnik“ in der Zone und der Propagandachef Kurt Hager bestritt die Notwendigkeit eines Tapetenwechsels in Ostberlin. Im August 1990 unternahmen einige orthodoxe Politiker, zusammen mit einem Teil des Militärs und angeführt vom Staatskomitee für den Ausnahmezustand, einen Putschversuch in Moskau, während Gorbatschow drei Tage unter Hausarrest in einer Regierungsresidenz auf der Halbinsel Krim stand. Dem damals neugewählten Präsidenten der Russischen Sowjetrepublik, Boris Jelzin, gelang es, die Putschisten auszuschalten und die Staatsgewalt zu übernehmen. Jelzin erließ ein Dekret zum Verbot der Tätigkeit der KPdSU auf russischem Boden. Gorbatschow – nicht nur sowjetischer Präsident, sondern zu diesem Zeitpunkt auch noch Generalsekretär der gerade für illegal erklärten KPdSU – war völlig überrumpelt. So endete nach fünf Jahren seine Regierungszeit. Auch Boris Jelzin war kein Glück beschieden, erst Wladimir Waladimirowitsch Putin richtete den Zarismus wieder auf, allerdings ungekrönt.

Das Exempel zeigt, welche Tücken erforderliche Reformen in sich bergen, wieviele Zwischenschritte erforderlich sind, wieviele Personen verschlissen werden müssen, um Macht zu erneuern und zu konsolidieren.

Friedrich Merz steht vor noch größeren Problemen, als Gorbatschow, weil er keinen Durchgriff auf die Medien hat. Die von Merkelgezücht dominierte Bundestagsfraktion steht ihm ablehnend gegenüber, schon bei der erforderlichen Übernahme der Fraktionsführung durch Merz kann es zum Eklat kommen, bei vielen Richtungsentscheidungen auch. So wie sich Gorbatschow im stalinistischen Gestrüpp verheddert hat,  und zentrifugale Kräfte ständig wuchsen, so kann es sich Merz sehr schnell  mit den Anhängern einer elitistischen großstädtischen Elite – auch in der CDU – verscherzen. Und dann gibt es noch den ungehobelten fränkischen Jelzin namens Söder.

Ich vermute, daß die CDU frühestens in vier Jahren auf die Beine kommt, wenn auch Abgeordnete der konservativen Basis im Bundestag sitzen werden. Falls Merz solange durchhält.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Halten Sie doch ein öffentliches Tribunal ab, hängen Sie mich auf. Nur bitte, wenn Sie das schon tun, dann bitte nicht für das, was Jelzin angerichtet hat. Und bitte, wenn Sie mich aufhängen wollen, dann bitte weit von Jelzin entfernt!“ (Michail Gorbatschow)