Das Bedingungslose Grundeinkommen dreht am Rad der Geschichte

PB hatte monatlich über die Steuereinnahmen berichtet. Das wird im November mal ausgesetzt, im Januar wird dafür über die Jahreseinnahmen und -ausgaben des Bundes und der Länder 2021 berichtet. Anstelle der Monatszahlen wird aber über das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats des Bundesfinanzministeriums zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) berichtet:

Seit Jahren wird in Deutschland ein BGE diskutiert, das allen Bürgerinnen und Bürgern als fester, monatlicher Betrag ausbezahlt wird, ohne dies an Bedingungen zu knüpfen. Das BGE soll jedem ein existenzsicherndes Einkommen garantieren, wobei die Vorschläge der Befürwortenden eines BGE in der Regel nicht detailliert ausgearbeitet sind. Gemein ist ihnen die Hoffnung, mit einem BGE Kinder- und Altersarmut sowie Hartz IV zu beenden. Bei erwerbsfähigen Bedürftigen bräuchte es keiner stigmatisierenden Bedürftigkeitsprüfung mehr. Bei Langzeitarbeitslosen könnten die Sanktionen entfallen, wenn diese aktuell bestehenden Verpflichtungen nicht nachkommen.

Wenn das BGE das bisherige soziokulturelle Existenzminimum für alle Bürgerinnen und Bürger garantieren will, muss es sich an den Leistungen des bestehenden Systems der Grundsicherung orientieren. Der Regelbedarf soll die alltäglichen Kosten des Lebensunterhalts abdecken. Er liegt im Jahr 2021 für Erwachsene bei monatlich 446 Euro, für Kinder je nach Alter zwischen 283 Euro und 373 Euro.

Während der Regelsatz bundeseinheitlich festgelegt wird, werden die Leistungen für Unterkunft und Heizung regional entsprechend den Mietniveaus differenziert. So sind etwa in München die Mietkosten je nach Art der Bedarfsgemeinschaft zwischen 40 Prozent und 50 Prozent höher als für vergleichbaren Wohnraum in Berlin. Solche regional unterschiedlichen Bedarfe können bei einem existenzsichernden BGE nicht berücksichtigt werden. Es muss daher so hoch angesetzt werden, dass auch der höchste Bedarf durch das BGE vollständig abgedeckt wird.

Bedingungslosigkeit erfordert, dass Erwachsenen und Kindern unabhängig von der Familiengröße jeweils das gleiche Grundeinkommen ausbezahlt wird. Der Bedarf steigt jedoch unterproportional mit der Familiengröße und ist regional sehr unterschiedlich. Das BGE verzichtet darauf, dies bei der Bedarfsberechnung zu berücksichtigen, und führt damit im Vergleich zum gegenwärtigen System der Grundsicherung zu einer Umverteilung zugunsten größerer Familien und zugunsten von Personen in Regionen mit niedrigem Mietniveau.

Dies führt zu einem entsprechend höheren Finanzierungsbedarf. Bezahlt man für einen Erwachsenen im Monat 1.208 Euro und für ein Kind 684 Euro, so beträgt der jährliche Finanzierungsbedarf 1.119 Mrd. Euro. Zur Gegenfinanzierung können aus dem Sozialbudget die Leistungen der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und die Einkommensleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung herangezogen werden, sowie sämtliche Förder- und Fürsorgesysteme, wie z. B. Kindergeld, Elterngeld, Grundsicherung für Arbeitsuchende und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie Wohngeld. Beiträge zur Kranken- und der sozialen Pflegeversicherung können nicht gegengerechnet werden, da die entsprechende Versicherung als Teil des soziokulturellen Existenzminimums weiterhin mitfinanziert werden muss. Die Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung haben Eigentumscharakter und stehen ebenfalls nicht zur Gegenfinanzierung zur Verfügung. Das gesamte Einsparpotenzial beläuft sich somit auf maximal 232 Mrd. Euro. Damit verbleibt eine Finanzierungslücke von 887 Mrd. Euro. Die Abgabenquote stiege damit selbst dann von 41,3 Prozent auf etwa 67,0 Prozent an, wenn durch die höheren Steuersätze wider Erwarten keine Beschäftigungsverluste einträten.

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Während in der Informationsgesellschaft gemeinhin Daten und Informationen eine immer höhere Bedeutung beigemessen wird, verzichtet ein BGE selbst auf wichtige Informationen, die jetzt bereits vorliegen und einfach zu erheben sind. Personen mit erhöhtem Förderbedarf sind dann nicht mehr zu identifizieren, wenn Informationen zu Vermögen, Familienstand, Alter, Erwerbsfähigkeit, Intensität der Arbeitssuche und Ausbildung, tatsächliche Mietkosten im Vergleich zum lokalen Mietniveau nicht mehr erhoben werden. Die Ausgaben des BGE liegen damit wesentlich höher als der Betrag, der notwendig wäre, um allen Bürgen ein existenzsicherndes Einkommen zu gewähren.

Während ein BGE den Informationsbedarf hinsichtlich der Bedürftigkeit senkt, wird der Informationsbedarf an anderer Stelle jedoch deutlich ansteigen. Aufgrund der substanziell höheren Grenzsteuersätze wird Schwarzarbeit attraktiver. Deren Bekämpfung ist unabdingbar, wenn die Finanzierung des BGE sichergestellt sein soll. Der Staat muss daher die Kontrolle derjenigen ausdehnen, die als Leistungsträger das BGE finanzieren.

Die bisher vorgebrachten Argumente berücksichtigen nicht, dass Deutschland Mitglied der Europäischen Union (EU) ist. Zu deren Grundfesten gehören die EU-Freizügigkeitsregelungen, die es EU-Bürgerinnen und -Bürgern erlauben, sich innerhalb der EU frei anzusiedeln. Das gilt für Personen, die sich entschließen, ihren Lebensmittelpunkt aus einem anderen Land der EU nach Deutschland zu verlagern, und es gilt für Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, die ihren Lebensmittelpunkt in ein anderes Land der EU verlagern möchten.

Personen mit unterdurchschnittlichen Erwerbsmöglichkeiten werden durch ein BGE angezogen, vor allem, wenn das BGE Höhen erreicht, die deutlich über den Möglichkeiten zur Einkommenserzielung im Heimatland der jeweiligen Person liegen. Das macht das System wesentlich teurer als in den Simulationen ausgewiesen und führt zu noch höheren Steuern.

Wichtiger noch als diese Zuwanderungsanreize erscheinen mögliche Abwanderungswirkungen für die Personen mit überdurchschnittlichen Erwerbseinkommen in Deutschland. Das ist der Personenkreis, der mit seinen Steuern das BGE zum größten Anteil finanziert. Freizügigkeit umfasst immer auch die Möglichkeit, sich den Zahlungen an ein großzügiges Sozialsystem durch Auswandern zu entziehen. Zwar können sich Deutsche durch Wegzug nicht sofort und gänzlich der deutschen Besteuerung entziehen. Aber die durch das Außensteuergesetz vorgesehenen Einschränkungen gelten nur temporär und können einen weitgehenden „brain drain“ und eine weitreichende Verlagerung von Investitionen ins Ausland nicht verhindern.

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Die Idee eines BGE, das allen Bürgerinnen und Bürgern Existenzsicherung verspricht, gewinnt in Deutschland an Zustimmung. Das Gutachten des Beirats zeigt jedoch, dass sich die Ausgaben eines solchen Systems nicht finanzieren lassen. Die höheren Ausgaben beruhen zum einen darauf, dass ein BGE Familiengröße und regionale Mieten nicht konditionieren kann und damit in vielen Fällen über die reine Existenzsicherung hinausgeht. Viele Posten des aktuellen Sozialbudgets stehen für eine Gegenfinanzierung nicht zur Verfügung. So entsteht mit der Einführung eines existenzsichernden BGE ein Finanzierungsbedarf von knapp 900 Mrd. Euro jährlich. Simulationsrechnungen zeigen, dass bereits die Einführung eines partiellen BGE in Höhe der derzeit geltenden Regelsätze in der Grundsicherung zu weitreichenden negativen Arbeitsangebotsreaktionen führt. Ein wirklich existenzsicherndes BGE ist nicht mehr aufkommensneutral zu finanzieren.

Nun erfolgt noch ein Blick in die Bundestagswahlprogramme der Parteien, Focus auf das Bedingungslose Grundeinkommen:

CDU/CSU: „Soziale Sicherheit in Deutschland soll nicht nur Armut verhindern, sondern jedem ein Leben in Würde ermöglichen. Dazu stehen wir. Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird es mit uns aber nicht geben.“

SPD: „Die Grundsicherung werden wir grundlegend überarbeiten und zu einem Bürgergeld entwickeln. Unser Bürgergeld steht für ein neues Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats. Das Bürgergeld soll digital und unkompliziert zugänglich sein. Bescheide und Schriftwechsel sollen eine verständliche Sprache sprechen. Die Regelsätze im neuen Bürgergeld müssen zu einem Leben in Würde ausreichen und zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen. Das Bürgergeld muss absichern, dass eine kaputte Waschmaschine oder eine neue Winterjacke nicht zur untragbaren Last werden. Die Kriterien zur Regelsatzermittlung werden wir weiterentwickeln und Betroffene und Sozialverbände mit einbeziehen.“

AfD: „Die AfD will eine „Aktivierende Grundsicherung“ als Alternative zum Arbeitslosengeld II (sogenanntes „Hartz IV“). Das erzielte Einkommen soll nicht wie bisher vollständig mit dem Unterstützungsbetrag verrechnet werden. Stattdessen verbleibt dem Erwerbstätigen stets ein spürbarer Anteil des eigenen Verdienstes. Dadurch entstehen Arbeitsanreize. Wer arbeitet, wird auf jeden Fall mehr Geld zur Verfügung haben als derjenige, der nicht arbeitet, aber arbeitsfähig ist (Lohnabstandsgebot). Missbrauchsmöglichkeiten sind auszuschließen.“

FDP: „Wir Freie Demokraten wollen das Liberale Bürgergeld. Wir wollen steuerfinanzierte Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II, die Grundsicherung im Alter, die Hilfe zum Lebensunterhalt oder das Wohngeld in einer Leistung und an einer staatlichen Stelle zusammenfassen, auch im Sinne einer negativen Einkommensteuer. Selbst verdientes Einkommen soll geringer als heute angerechnet werden. So möchten wir das Steuer- und Sozialsystem verbinden. Die Grundsicherung muss unbürokratischer, würdewahrender, leistungsgerechter, digitaler und vor allem chancenorientierter werden.“

Linke: „Alle in der Partei DIE LINKE sind dem grundlegenden Ziel verpflichtet, alle Menschen sicher vor Armut zu schützen und gesellschaftliche Teilhabe zu garantieren. Diese Garantie macht für viele die Idee eines Grundeinkommens attraktiv. Viele andere halten diese Idee dagegen für ungeeignet. […] Wir führen die gesellschaftlichen Diskussionen über ein bedingungsloses Grundeinkommen kontrovers und entscheiden im kommenden Jahr mit einem Mitgliederentscheid, ob wir unsere Haltung dazu ändern.“

Grüne: „Wir begrüßen und unterstützen Modellprojekte, um die Wirkung eines bedingungslosen Grundeinkommens zu erforschen.“ (…) „Jeder Mensch hat das Recht auf soziale Teilhabe, auf ein würdevolles Leben ohne Existenzangst. Deswegen wollen wir Hartz IV überwinden und ersetzen es durch eine Garantiesicherung. Sie schützt vor Armut und garantiert ohne Sanktionen das soziokulturelle Existenzminimum.“

Aus Sicht der PB-Weltökonomieredaktion würde das BGE eine erhebliche Beschleunigung der Drehung des Rades der Geschichte bewirken: Fleiß erzeugt Reichtum, Reichtum zeitigt Übermut, Übermut stürzt in Krieg oder Krise, beides bringt Armut, Armut erfordert Fleiß. Sinngemäß las ich das in den 90ern mal in einem Wirtshaus bei der Festung Königstein.  Damals wollte ich es so nicht wahrhaben. Der Spruch spiegelt aber folgende historischen Abläufe wider:

Brot und Spiele – Völkerwanderung – Mittelalter, Gewaltenteilung, Zunftwesen

Renaissance und Reformation – Religionskriege – Barock, Absolutismus, Merkantilismus und Manufakturen

Sturm und Drang, frz. Revolution – Napoleonische Kriege – Steinsche Reformen, Heilige Allianz und industrielle Revolution

Lebensreform, Neuer Mensch und Jugendbewegung – WK I und II – sog. „Wirtschaftswunder“

Klimafaschismus – Blackout, wirtschaftlicher Niedergang – ???

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Derjenige aber, der anders denkt, der vorwärts will, mache sich deutlich, daß nur ein ruhiges, folgerechtes Gegenwirken die Hindernisse, die sie in den Weg legen, obgleich spät, doch endlich überwinden könne und müsse.“ (Geh. Rath v. Goethe, 1820)

 

Beitragsbild: Bernd Zeller aus ZZ. Heute: Der Zorn des Volkes auf die Umgeimpften