Peter Schiff über die Just-in-Time-Wirtschaft
Peter Schiff ist Ökonom, Wirtschaftskommentator, Autor und Börsenmakler. Er ist für seine Analysen zur Zukunft der US-Wirtschaft bekannt; insbesondere hat er die Finanzkrise ab 2007 vorhergesagt, ist also „Crashprophet“. Heute hat er sich auf Zerohedge wieder mal zu den Niedrigzinsen geäußert:
Die Federal Reserve hat die Zinsen seit Jahrzehnten künstlich niedrig gehalten. Selbst nachdem die Zinsen im Zuge der Finanzkrise 2008 auf Null gedrückt wurden, schaffte es die folgende „Normalisierung“ nur, die Zinsen auf 2,5% anzuheben – kaum „normal“. Die Zentralbank begann 2019 schon wieder, noch vor der Coronavirus-Pandemie, die Zinsen zu senken.
Erstens vermasseln künstlich niedrige Zinsen die Art und Weise, wie die Wirtschaft Ressourcen und Produktion verteilt. Der Zinssatz ist der Geldpreis. Preise senden Signale in einer Wirtschaft. Betrachten Sie sie als Straßenschilder. In einer freien Wirtschaft würden niedrige Zinsen durch eine Fülle von Ersparnissen zustande kommen. Und wenn Sie viel gespart haben, was bedeutet das? Das bedeutet, dass die Menschen heute nicht konsumieren. Ihre Zeitpräferenz für den Konsum liegt in der Zukunft. Das Signal an die Wirtschaft lautet also: Hey, Sie müssen heute nicht viel produzieren, weil die Amerikaner sparen. Sie geben nicht viel Geld aus. Sie können also in diese langfristigen Projekte investieren, die sich über Jahre und Jahre und Jahre nicht auszahlen werden. Und dann investieren Sie in diese Art von Projekten, die keine sofortige Rendite haben, weil Sie diese niedrigen Zinsen haben, die das Signal senden, daß die Amerikaner das Geld jetzt nicht brauchen. Sie werden sparen und das Geld in Zukunft ausgeben.
Aber in der heutigen Wirtschaft sind die Zinsen nicht deshalb so niedrig. Der einzige Grund, warum die Zinsen bei Null liegen, ist, dass die Fed sie künstlich unterdrückt. Amerikaner geben immer noch Geld aus wie betrunkene Matrosen. Nicht, dass ich die betrunkenen Matrosen beleidigen möchte. Aber das bedeutet, daß dies alles Fehlinvestitionen sind. Und letztendlich müssen sie liquidiert werden, wenn die Wahrheit ans Licht kommt – wenn die Zinsen schließlich explodieren oder der Dollar aufgrund dieser Politik implodiert. Was würde also passieren, wenn die Fed zulassen würde, daß die Zinssätze auf ihr natürliches Niveau steigen – angesichts des Mangels an Ersparnissen und der Konsumneigung der Amerikaner im Moment? All die überschuldeten, Geld verlierenden, überbewerteten Unternehmen da draußen wären nicht in der Lage, Kapital zu beschaffen. Sie würden alle das Geschäft aufgeben.
Die einzigen Unternehmen, die Kapital bekommen könnten, wären diejenigen, die es gerade produktiv einsetzen, weil sie diese höheren Zinssätze zahlen müßten, und dies müssten sie aus dem laufenden Cashflow tun können. Und wie würden sie den Cashflow generieren, um die höheren Zinsen zu bezahlen? Sie würden die Waren und Dienstleistungen produzieren, die die Amerikaner jetzt verlangen – die sie jetzt kaufen wollen. Damit könnten sie sich diese höhere Hürde leisten. Sie könnten die höheren Zinsen zahlen.
Die spekulativen Unternehmen, die in Jahrzehnten Gewinne versprechen, wären nicht in der Lage, mit echten Unternehmen zu konkurrieren, die heute Gewinne erzielen. Das sind die Unternehmen, die das Kapital brauchen, weil wir nicht genug Produktion haben. Das belegen die massiven Handelsdefizite. Wir müssen mehr in Produktionskapazitäten investieren. Aber die Fed verhindert das mit ihrer inflationären Geldpolitik. Also haben wir diesen Dienstleistungssektor geschaffen, die Just-in-Time-Wirtschaft. Niemand produziert. Niemand hat Inventar. Wir drucken alle dieses Geld. Und jetzt bricht die Hölle los in diesem inflationären Superzyklus, in dem diese Hühner nach Hause kommen, um zu schlafen – wo wir all das Geld haben und nichts zu kaufen.
Soweit der Eintrag auf Zerohedge. In Deutschland sind die Verhältnisse übrigens ähnlich. Gorillas, McDonalds, HelloFresh, Just Eat Takeaway, Starbucks, Beyond Meat, Delivery Hero expandieren, während sich das produzierende Gewerbe heimlich schleicht. Für meinen Geschmack sind alleine im Dax bei nicht sehr strengen Kriterien mindestens sieben Zombies. Für den vorsichtigen Anleger gilt also: Auf die Eigenkapitalquote achten, auf das Gewinn-Umsatz-Verhältnis gucken, auf das Geschäftsmodell und auf die Bilanzhistorie. Das wird nie verkehrt sein, auch wenn Peter Schiff mit der „losbrechenden Hölle“ etwas überzeichnet haben sollte.
Grüße an den Inlandsgeheimdienst: 2020 und 2021 pumpte O. Scholz jeweils rund 400 Mrd. € in die Gegend, was alles facile, easy und łatwo macht. Die Entwöhnung von diesen Aufputschmitteln wird ein bisserl hart werden.
Welches sind diese 7 Zombies im DAX? Würde mich interessieren.
Ist natürlich subjektiv und keine Verkaufsempfehlung: Airbus, Conti, Delivery Hero, Deutsche Bank, HeidelbergCement, HelloFresh, Siemens Energy
Starbucks ist doch schon eine alte Industrie, genau wie KFC pp. Da kehre ich immer gerne ein. Überdies sind die durch ihre Franchise-Modelle global sehr flexibel, auch im (multi)kulturellen Sinn.
Kurierdienste hatten allerdings ihre grosse Zeit unter der Kohl-Administration und in der Nachwendezeit, ob modische Lastenräder mit schwitzenden Antifanten das wiederholen können?
Wenn Geld sich zusehends in zweckgebundene Jetons verwandelt, haben Gross-Banken aus vergangenen Zeiten keinen Sinn mehr. Das sind die wahren Zombies im DAX-System. Auch die Autoindustrie kann über ein Deplatforming in Restdeutschland anfangen nachzudenken. Gerade soll ja Diess gefeuert werden, weil er von „alle entlassen“ phantasierte.