Die soziale Ausgrenzung hat Tradition

Derzeit wird über den Tropenmediziner Emil Reisinger der Stab gebrochen, der im zwangsfinanzierten Staatsfernsehen lediglich das gelassen ausgesprochen hat, was immer schon praktiziert wurde. Die Gesellschaft hat sich an den Grenzen der verschiedenen Glaubensüberzeugungen immer schon fragmentiert. In einer religiös hoch aufgeladenen Gesellschaft der Klima- und Kóronakirche, ist das natürlich ausgeprägter, als in einer säkularen.

Ganz früher sonderten sich Protestanten und Katholiken ab, später Sozialisten und Unternehmer, Sozialisten und Juden. Zu meiner Zeit trennte sich die Nomenklatura von der zivilisierten Welt bzw. sie wurde abisoliert. Aktuell hört sich das so an:

„Impfzwang wäre, wenn ich den Menschen sage, sie müssen sich impfen lassen. Hier haben die Menschen ja die Möglichkeit, sich impfen zu lassen oder sich nicht impfen zu lassen. Dann können sie an bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens eben nicht teilnehmen,“ so der schlaue Professor Reisinger. „Wenn Du nicht geimpft bist, dann möchte ich auch nicht, daß Du mit meinen Kindern spielst.“

Das erinnert mich an meine Kindheit. In der Gasse wohnte ein Mitarbeiter des Inlandsgeheimdienstes, der eine Tochter im spielfähigen Alter hatte. Alle Eltern in der Umgebung achteten scharf darauf, daß ihre Kinder nicht mit diesem Mädchen in Berührung kamen. Es hätte ja was ausgeplaudert werden können, was nicht in falsche Ohren gehörte: Westpakete, Westverwandschaft, Westfernsehen, Fluchtpläne, Schwarzgeschäfte, Fritzchenwitze.

Umgekehrt war es übrigens spiegelbildlich: Sobald sich ein Kind dem Zaun des sozialismusbelasteten Grundstücks näherte, verkündigte die Tochter des Genossen: „Ihr kommt hier nicht herein. Das kommt garnicht in Frage.“

Die Furcht vor der Infektion mit Keimen der anderen Glaubensrichtung war also vor 60 Jahren genauso verbreitet, wie heutzutage. In der Russenzeit hätten übrigens alle Leute freiwillig in die Partei eintreten können, „um an bestimmten Bereichen des öffentlichen Lebens teilzunehmen“.

Aber da hat man auf diese unattraktiven Bereiche lieber verzichtet, und sich unerwünschten Freuden gewidmet: Westfernsehen, Westpakete, nicht über die Nationale Front organisierte Treffen mit Gleichgesinnten und Fritzchenwitze. Einer ging so:

Der Lehrer erklärt die Republiksfahne: Der Hammer steht für den Arbeiter, die Ähre für den Bauern und der Zirkel für den Ingenieur. Fritzchens Banknachbar beschwert sich, daß für seinen Vater nichts auf der Fahne ist. Fritzchen fragt: „Was ist denn dein Vater?“ – „Parteisekretär“. Fritzchen tröstet seinen Banknachbarn: „Für Parteisekretäre ist oben die Niete im Zirkel.“

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst:

Dir, der Unberührbaren,
Ist es nicht benommen,
Daß die leicht Verführbaren
Traulich zu dir kommen.

(Geh. Rath v. Goethe)