Nach Hochwasser wird immer über zu hohe Füllstände der Talsperren geklagt

Ich kenne das Dilemma der Talsperrenverwaltung aus den Erzählungen eines Gartenbesitzers in Jena. Ein Hochwasser hatte seinen Garten und sein Gartenhaus verwüstet. Natürlich warf er der Talsperrenverwaltung vor, vor dem Regenereignis nicht genug Stauraum zur Verfügung gehabt zu haben. Ähnliche Vorwürfe gibt es nun auch in NRW. Anhand zweier Mitteilungen des Talsperren-Ruhrverbandes kann man erkennen, daß bereits Anfang Juli mit überdurchschnittlicher Füllung gekämpft wurde. In solchen Situtionen kommt es dann auf den Wetterdienst und die richtige Reaktion der Talsperrenverwaltung an. Nicht ganz einfach, weil man ständig mit alarmistischen Wetterwarnungen zugemüllt wird. Wenn ich schon den Wettermann vom Focus sehe, der ständig so entsetzt aussieht, als würde er die nächste Minute von der Tscheka zum Genickschuß abgeholt werden. Ständige Warnungen auf Maximalniveau nutzen sich auch ab.

Hintergrundinformationen zur derzeitigen Talsperrensteuerung, Mittwoch, 27. Januar 2021 (16:00 Uhr)

Heute, am Mittwoch, dem 27.01.2021, fließen um 12 Uhr den Talsperren des Ruhrverbands in Summe 20,2 Kubikmeter Wasser pro Sekunde zu, während die Abgabe aus dem Talsperrensystem in Summe zur gleichen Zeit ca. 24,9 Kubikmeter Wasser pro Sekunde beträgt. Hinter der summarischen Betrachtung des Gesamtsystems, wie sie auch im Lagebericht der Talsperrenleitzentrale aufgeführt ist, verbergen sich acht Talsperren, die in eine Nordgruppe (Henne-, Möhne- und Sorpetalsperre) und eine Südgruppe (Biggetalsperre mit Stausee Ahausen, Verse-, Ennepe und Fürwiggetalsperre) eingeteilt sind. Das Talsperrensystem dient im Wesentlichen zwei Hauptaufgaben: während Niedrigwasserzeiten der Einhaltung gesetzlich vorgeschriebener Mindestabflüsse in der Ruhr und bei Hochwasser dem Schutz der Unterlieger durch Rückhalt in den Talsperren.

Die Talsperrengruppen werden aufgrund gesetzlicher Vorgaben bei der Gewährleistung von Mindestabflüssen (Niedrigwasser) in der Ruhr unterschiedlich stark beansprucht. Die Nordgruppe muss zur Gewährleistung der Mindestabflüsse mehr Wasser abgeben als die Südgruppe, wobei in der Südgruppe allein die Biggetalsperre zur Einhaltung der vorgeschriebenen Grenzwerte herangezogen wird. Gleichzeitig ist das Niederschlagsaufkommen im Ruhreinzugsgebiet ungleich verteilt. In der Südgruppe fallen in der Regel deutlich mehr Niederschläge als in der Nordgruppe. Diese Kombination führt dazu, dass die Talsperren der Nordgruppe während Niedrigwasserzeiten stärker beansprucht, d.h. abgestaut werden. Die stärkere Beanspruchung ist in den vergangenen drei Jahren wiederholt und bis in den Winter hinein aufgetreten, sodass sich die Auswirkungen in den derzeit an den Talsperren der Nordgruppe herrschenden niedrigeren Füllständen widerspiegeln.

Für den Hochwasserfall sind in der Bigge-, Möhne- und Hennetalsperre in den Wintermonaten sogenannte Hochwasserschutzräume bereitzustellen. Dies ist ein Teil des Stauvolumens, das bei Hochwasser dem Rückhalt zufließenden Wassers dient. An der Biggetalsperre ist derzeit der Hochwasserschutzraum durch die vorangegangenen Niederschläge bereits leicht in Anspruch genommen. Vor dem Hintergrund der insbesondere für die beiden kommenden Tage angekündigten Niederschläge, des dann vorübergehend einsetzenden Tauwetters und der dadurch ansteigenden Zuflüsse liegt die Abgabe aus dem Biggesystem (über den Stausee Ahausen) derzeit bei 22 Kubikmetern pro Sekunde. Die Abgaben aus den Talsperren der Nordgruppe liegen hingegen alle auf dem Niveau, das als Mindestabgabe für die jeweiligen Talsperren vorgeschrieben ist. Somit beträgt allein der Anteil der Biggetalsperre an der Gesamtabgabe 88 Prozent, der Anteil der drei Talsperren der Nordgruppe hingegen nur 5 Prozent. Die restlichen 7 Prozent entfallen auf die verbleibenden Talsperren der Südgruppe.

Um den Hochwasserschutzraum der Biggetalsperre so schnell wie möglich wieder in vollem Umfang zur Verfügung stellen zu können, geben die Talsperren des Ruhrverbands heute in Summe etwas mehr ab, als ihnen zufließt. Dennoch wird an den Talsperren, an denen es möglich ist, weiter angestaut. Durch die angekündigten Niederschläge und das einsetzende Tauwetter ist auch in den Folgetagen mit weiter steigenden Füllständen an allen Talsperren zu rechnen.

Dem Ruhrverband ist vor dem Hintergrund der weiterhin für die Jahreszeit deutlich zu niedrigen Füllstände in den Talsperren insgesamt und vor allem in der Nordgruppe daran gelegen, möglichst viel Wasser aufzustauen. Dazu sind neben den oben erläuterten kontrollierten Abgaben an den Talsperren in den Folgewochen hohe Zuflüsse über einen langen Zeitraum erforderlich. Diese ergeben sich nur durch entsprechend viel Niederschlag.

So voll wie heute waren die Talsperren des Ruhrverbands an einem 9. Juli noch nie, Freitag, 09. Juli 2021 (13:00 Uhr)

Rekordstauinhalt für die Jahreszeit – lokal begrenzte Unwetter prägen das Wettergeschehen

Hochsommer im Ruhreinzugsgebiet – das war in den letzten Jahren die Zeit, in der der Ruhrverband über Wochen und manchmal Monate hinweg große Mengen Wasser aus seinen Talsperren abgeben musste, um die gesetzliche Mindestwasserführung in der Ruhr aufrechtzuerhalten.

Ganz anders hingegen präsentiert sich die Situation in diesem Jahr: Weil die ungewöhnlich geringe Zuschusspflicht durch die immer wieder auftretenden Regenfälle ausgeglichen wird, ist der Gesamtfüllstand des Talsperrensystems seit Ende April nahezu unverändert und hat am heutigen 9. Juli mit 451,52 Millionen Kubikmetern einen neuen Rekord aufgestellt. So voll (113 Prozent vom langjährigen Mittel) war das Talsperrensystem im Ruhreinzugsgebiet an diesem Datum noch nie. Zum Vergleich: Vor genau einem Jahr waren die Talsperren um rund 72,3 Millionen Kubikmeter Wasser leerer als heute.

Insgesamt lag das erste Halbjahr 2021 zwar fast genau im langjährigen Niederschlagsmittel der Jahre 1927 bis 2020, doch besonders der Mai war mit 133 Prozent vom langjährigen Monatsmittel deutlich zu nass und auch der Juni von mehreren Unwetter- und Regenereignissen geprägt.

Besonders charakteristisch für diese Ereignisse ist ihre lokal sehr unterschiedliche Ausprägung. Ein Beispiel: Als die Gewitter gestern Nachmittag über Teile Nordrhein-Westfalens hinwegzogen, verzeichnete die Klimastation an der Ennepetalsperre 40 Millimeter Regen in nur 30 Minuten, was statistisch gesehen alle 100 Jahre einmal vorkommt. An der 20 Kilometer entfernten Versetalsperre fielen hingegen am ganzen gestrigen Tag nur 5,2 Millimeter Niederschlag.

Der heute aufgestellte Tagesrekord wird voraussichtlich nur bis zum Wochenanfang zu halten sein. Danach wird der Füllstand des außergewöhnlich nassen Juli 1980 höher liegen. Die gestrige Rekordmarke für einen 8. Juli ist fast genauso lange her: Sie stammt aus dem Sommer 1981.

 

Grüße an den Inlandsgeheimdienst: „Die Erde ist ein gebildeter Stern mit sehr viel Wasserspülung.“ (Erich Kästner, 1899 – 1974)