Ich habe nur eine einzige Aktie aus der DAX-Familie, und das hat gute Gründe: Heute habe ich mir die Bilanzen einer sogenannten Wachstumsaktie mit Berlinhintergrund angesehen. Es ist ein Essenslieferant. Wie sich Delivery Hero in den DAX reingewanzt hat, kann man sich denken. Wirecard hatte es ja auch ins Oberhaus der deutschen Wirtschaftselite geschafft. Zusammen mit Delivery Hero wurde auch Vapiano seit 2017 an der Börse gehandelt. Letztere Restaurantkette ist seit 2020 im Verfahren. Früher waren es Industriebetriebe, die in Frankfurt notiert waren, heute sind es Köche von fagwürdigen Billighappis. Das Wort „Systemgastronomie“ trifft es.
DER SPIEGEL schreibt heute: „Angesichts der hohen Investitionen schreibt Delivery Hero seit vielen Quartalen rote Zahlen: trotz eines starken Umsatzwachstums und zahlloser Neukunden in der Coronakrise. Daran dürfte sich durch den Deutschland-Start erst recht nichts ändern, auch wenn Östberg (der Chef vons Ganze) zunächst keine Angaben zu den Investitionen machen will: »Wir gehen davon aus, jahrelang keinen Gewinn in Deutschland zu erzielen. Wir rechnen mit einem 10- bis 15-jährigen Investitionszeitraum, um an die Spitze zu gelangen.« Die Margen in dem Geschäft seien »hauchdünn«.
Zugleich geht Östberg davon aus, dass die Konkurrenz über die Zeit weniger wird. »Es wird sicher Gewinner und Verlierer geben.« In den ersten zwei oder drei Jahren werde es wenig Konsolidierung geben, aber danach werde es zu einer Welle kommen.“
Mit solchen Märchen lassen sich Anleger leimen. Es gab Jahre, da wurde von Delivery Hero mehr Verlust, als Umsatz gemacht. 2015 wurde mit jedem Artikel, der für 5 € ausgeliefert wurde ein Verlust von 6,12 € geschrieben. Eine Stiftung nannte man sowas früher. 2021 beträgt der Verlust pro entsprechende Lieferung „nur“ noch 2,84 €. Da der Umsatz stark gestiegen ist, ist der Jahresverlust von 2015 bis 2021 von 252 Millionen € auf 1.302 Mio. € angestiegen. Die Schulden der Firma sind im betrachteten Zeitraum von 636 Mio. auf 4,68 Mrd. € angewachsen. Das entspricht etwa dem BIP der Zentralafrikanischen Republik. Die Eigenkapitalquote ist von 55,1 auf 19,9 % gefallen. Es gibt Neulinge am Aktienmarkt, die für eine Delivery Hero-Aktie heute 106 € gezahlt haben. Gestern war sie übrigens noch 114 € wert, oder besser: Man hat noch 114 € dafür bezahlt.
Derzeit finanzieren sich die Lieferhelden noch billig: Deren Wandelanleihen sind mit 0,25 bis 1,5 % extrem niedrig verzinst. Was passiert, wenn die Zinsen steigen? Dann krachts im Kartenhaus!
An den Börsen gehts genauso zu wie an den Wahlurnen. Durch Fakenews und Wunderglauben kommt es zu teuren Fehlentscheidungen. Früher gab es für naive Seelen risikoarme Lebensversicherungen und Festgelder. Heute legen sie bei Unternehmen mit modernen Ideen an, die von Märchenerzählern und Phantasyautoren wie beispielsweise Elon Musk beworben werden.
Nun will ich noch die Neugier der Leser befriedigen: Meine einzige DAX-Aktie (incl. S-, M- und TechDAX) ist Bayer. Sie war deutlich unterbewertet, weil sie wegen Monsanto einen sehr schlechten Ruf hat. Heute ist sie – wenige Tage nachdem ich sie gekauft hatte – um 7,2 % gestiegen. Frau Künast würde in Ohnmacht fallen, wenn sie wüßte, was ich alles habe. Tabak, Kohle, Schlachthäuser usw. Für sowas gibt es gut zahlende Kundschaft. Die wirkliche Welt außerhalb des Berliner S-Bahnrings ist an grünen Phantasien gemessen sehr unmoralisch, aber sie ist lebendig und schön.
Ganz ehrlich, ich versteh nicht, wie solche Unternehmen funktionieren…
Wer zahlt sowas??
Aber ich habe ja auch von meiner Großmutter noch gelernt, dass man kein Geld ausgeben kann, was man nicht hat.
Das Geld anderer Leute ausgeben, geht schon. Damit muss man aber sehr, sehr verantwortungsbewusst umgehen.
Wenn ich mir die (vermutlich selbständigen) Fahrer dieser Lieferdienste in ihren Privatfahrzeugen so anschaue und die Aktienpreise dagegenhalte, denke ich an eine Art Outsourcing des Sozialstaates.
Bei vielen Restaurationsbetrieben hier im Südwesten kann man nur über die Portale dieser Firmen aus einer vergleichsweise abgespeckten Karte bestellen.
Die Kinarestaurants dagegen haben eigene Fahrer und die volle Karte wie im Lokal.
Meine erste ganz kurze Erfahrung beim Investment ist, daß die ETF’s insgesamt besser rentieren als speziell ausgesuchte Einzelwerte. (Was natürlich überhaupt nichts zu sagen hat.)
Dazu eine technische Frage am Rande: Berechnet hier jemand die Performance / Rendite seines Gesamtdepots oder Teile davon selber (evtl. mit EXCEL)? mfG!
Ja. Mit Excel.
Das macht die Commerzbank für mich tagesaktuell.
Mit der Exceltabelle habe ich alle Aktien bei verschieden Depots und Banken in einem Überblick. Auch Fundamentaldaten und Quartalsberichts-, Dividenden- oder Splittingtermine.
Sinn der Depot- und Kontoführung bei mehreren Banken ist 1. dass keine Bank eine kpl. Übersicht über meine finanziellen Verhältnisse hat und dass ich 2. beim Ausfall einer Bank – etwa durch technische Probleme – auf eine andere Bank sofort ausweichen kann. Zumindest bei Aktienkäufen und Überweisungen.
Diese Schweinebacken nehmen seit der Coronakrise von den Restaurants inzwischen 30 (!!!) % Provision – glatte Erpressung in einer Notlage.
Diese Schweinebacken bezahlen und domestizieren ihr Personal unter aller Sau.
Und trotzdem machen diese Schweinebacken nur Verluste?
Kann mir das mal jemand erklären?
Wer nutzt diesen „Lieferdienst“ überhaupt?
Unsere „urbane Elite“ ?
Grünenwähler?
Hehe – ich hatte auf BASF getippt (die einzige Daxaktie, die ich habe). Bei Bayer schwebt noch das Damoklesschwert Monsanto über dem Unternehmen.
Ansonsten habe ich Öl, Tankstellen, Fisch (Austevoll Seafood), Bangkok Bank und als mittelfristige Turnarroundspekulation Leoni.
April und Mai sind aber klassische Verkaufsmonate, sollte man bedenken. Zurückgekauft wird Stück für Stück von August bis November. Mindestens genauso wichtig, wie die Auswahl der Einzelwerte, ist das Timing.