NWO – der vierte Versuch der Weltverbesserung in 120 Jahren

Klaus Schwab als Strippenzieher des Weltwirtschaftsforums ist mit seinem angedachten Aufbruch in eine Neue Weltordnung ein Unbelehrbarer. Es ist nämlich schon der vierte ernstzunehmende Versuch des Aufbruchs ins Ungewisse binnen der letzten 120 Jahre. Und immer war das Grundmuster dasselbe: Überzogene Fundamentalkritik am Bestehenden, ein abgefahrener Zukunftsglaube an das erfolgreiche Walten des neuen Menschen und ein totales Scheitern.

Der Ursprung dieser Fehlentwicklungen liegt in der menschlichen Natur, denn Wunderglauben gab es immer. Lassen wir die Zeit vor 1900 mal außen vor und beschäftigen wir uns mit der Zeit danach. Um 1900 war die kampfstarke Jugendbewegung entstanden. ihre Tummelplätze waren so heterodox wie diese Bewegung selber: Ausdruckstanz, Vegetarismus, Antikapitalismus, Antisemitismus, Bolschewismus, Nudismus, Krieg, Sport, Euthanasie. Neben einem starken Hang zur Besserwisserei war es besonders die weitverbreitete Manie, die tradierten Werte abzulehnen und bewusst umzuwerten, medienwirksame Tabubrüche zu begehen.

Der kindsgesichtige Georg Heym träumte 1910 von Barrikaden und Kriegen. Auskunft gab sein Tagebuch:

„Geschähe doch einmal etwas. Würden einmal wieder Barrikaden gebaut. Ich  wäre der erste, der sich darauf stellte, ich wollte mit der Kugel im Herzen den Rausch der Begeisterung spüren. Oder sei es auch nur, dass man einen Krieg begänne, er kann ungerecht sein. Dieser Frieden ist so faul ölig und schmierig, wie Leimpolitur auf alten Möbeln.“

Ein Jahr später reimte er schon wieder vom Krieg:

Aufgestanden ist er, welcher lange schlief,
aufgestanden unten aus Gewölben tief.

Eine große Stadt versank in hellem Rauch,
warf sich lautlos in des Abgrunds Bauch.
Aber riesig über glühnden Trümmern steht,
der in wilde Himmel dreimal seine Fackel dreht

über sturmzerfetzter Wolken Widerschein
in des toten Dunkels kalten Wüstenein,
dass er mit dem Brande weit die Nacht verdorr,
Pech und Feuer träufet unten auf Gomorrh.

Von 1910 bis 1914 entstanden Hunderte von Gedichten, Romanen und Bildern, in denen der bevorstehende Krieg thematisiert und vorweggenommen worden ist. 1911 wurde Jakob von Hoddis „Weltende“ veröffentlicht, das die deutschen Gymnasiasten regelrecht elektrisierte:

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
in allen Lüften hallt es von Geschrei
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Das riecht nach Klimawandel und Kórona! Hoddis spielte hier mit der Angst vor dem Weltuntergang angesichts des am 18. Mai 1910 im Abstand von 63 Millionen Kilometern an der Welt vorübergeflogenen Halleyschen Kometen. Das Berliner Tagblatt berichtete am 19. Mai von stattgefundenen Weltuntergangsparties mit Kometenbowle und Untergangsmelodien.

Die literarisch-poetische Zerstörungslust, manchmal gar Zerstörungswut, war mit dem Wunsch nach einer harmonischen schönen Neuen Welt verbunden, deren neue Menschen in einer Reinigungskatastrophe entstehen würden.

Den Grundstein für diese unheilige Allianz von Atheismus, Elitarismus und Naturschutz hatte Friedrich Nietzsche als epochale Neudefinition des Frevels selbst gelegt:

„Ich beschwöre euch, meine Brüder, bleibt der Erde treu und glaubt denen nicht, welche euch von überirdischen Hoffnungen reden! (…) Einst war der Frevel an Gott der größte Frevel, aber Gott starb, und damit auch die Frevelhaften. An der Erde zu freveln ist jetzt das Furchtbarste und die Eingeweide des Unerforschlichen höher zu achten, als der Sinn der Erde!“

Der im deutschsprachigen Raum wie sonst nirgends auf der Welt weitverbreitete metaphysische Ehrfurcht vor der Natur und die kehrseitige Abwertung des menschlichen Lebens hat hier scheinbar ihre Wurzel. Nietzsche orakelte:

„Ich liebe Die, welche nicht erst hinter den Sternen einen Grund suchen, unterzugehen und Opfer zu sein: sondern die sich der Erde opfern, daß die Erde einst der Übermenschen werde.“

Man fragt sich, wieso im repressiven Kaiserreich solche Entgleisungen möglich waren. Die Rechtssetzung und Rechtsprechung dieses Staates wurde rückblickend zwar als repressiv angeprangert, war jedoch auf die Ahndung formaler Ausrutscher abgestellt. Frank Wedekind saß zum Beispiel sieben Monate wegen Majestätsbeleidigung im Zuchthaus, und nicht wegen seinem blutrünstigen Tantengedicht. Wegen inhaltlichen Missgriffen gab es so gut wie keine Strafen. Viele Reichstagsabgeordnete als Gesetzgeber und viele Richter liefen dem Zeitgeist wie die Majestät selbst hinterher. Die Strafe für die moralische Sorg- und Nachlässigkeit ließ nicht auf sich warten: Deutschland verhedderte sich in den von französischen, russischen und deutschen Träumern gewollten Weltkrieg, der Kaiser wurde zum Palast herausgejagt.

Zuweilen schien es, als hätte sich Wilhelm II. dem Mainstream entgegengestemmt. In einigen Geschmacksfragen spricht der Anschein auch dafür. Neben Beharrungskräften triumphierte immer wieder die Anpassung an den Zeitgeist. Auch Zeitgenossen fiel dieser Widerspruch auf: „Der Kaiser, mit seiner beweglichen Mischung sehr rückständiger und sehr moderner Züge, war doch vor allem ein Repräsentant dieser neudeutschen Modernisierung des Lebens; er war längst dazu gelangt, die innere Entwicklung ihren eigenen Lebensgesetzen zu überlassen…“, schrieb Hermann Oncken in seinem Rückblick „Das deutsche Reich und die Vorgeschichte des ersten Weltkrieges“.

Der horizontose Zukunftsglaube war durchaus keine teutonische Besonderheit: In Rußland fabulierte Leo Trotzki genauso von der NWO:

„Der neue Mensch, der sich erst jetzt projektiert und verwirklicht, wird nicht wie Kljujew, und nach diesem auch Rasumnik, die Auerhahnbalz und das Netz für den Stör dem Hebekran und dem Dampfhammer gegenüberstellen. Der sozialistische Mensch will und wird die Natur in ihrem ganzen Umfang einschliesslich der Auerhähne und der Störe mit Hilfe von Maschinen beherrschen. Er wird beiden ihren Platz anweisen, und zeigen wo sie weichen müssen. Er wird die Richtung der Flüsse ändern und den Ozeanen Regeln vorschreiben. Die idealistischen Tröpfe mögen glauben, dies werde langweilig werden – aber dafür sind sie eben Tröpfe. Natürlich wird dies nicht bedeuten, dass der ganze Erdball in Planquadrate eingeteilt wird und das die Wälder sich in Parks und Gärten verwandeln. Wildnis und Wald, Auerhähne und Tiger wird es wahrscheinlich auch dann noch geben, aber nur dort, wo ihnen der Mensch den Platz anweist. Und er wird dies so gescheit einrichten, dass selbst der Tiger den Baukran nicht bemerken und melancholisch werden, sondern wie in Urzeiten weiterleben wird. Die Maschine ist auf allen Lebensgebieten ein Werkzeug des modernen Menschen. Die gegenwärtige Stadt ist vergänglich, aber sie wird sich nicht in dem alten Dorf auflösen. Im Gegenteil, das Dorf wird sich grundsätzlich zur Stadt erheben. Das ist die Hauptaufgabe. Die Stadt ist vergänglich; aber sie kennzeichnet die Zukunft und weist ihr den Weg, während das gegenwärtige Dorf völlig in der Vergangenheit ruht.“

Der bolschewistischen, faschistischen und nationalsozialistischen Machtergreifung (in der genannten Reihenfolge) ging die lebensreformerische Kulturrevolution von 1890 bis 1933 voraus. Der Neue Mensch in Verbindung mit Kapitalismusfreiheit, Kulaken- und Judenfreiheit, Parteireinigungen, Jugendkult und Sport, Glauben an die Planbarkeit der Zukunft, das Schönheitsideal des kraftvollen Proletariers bzw. Germanen, die Orthodoxie, die Ariosophie, der Mythos des Natürlichen mit der Dominanz von Blut und Boden, das Vollkornbrot sowie der Futurismus und der sozialistische Realismus.

Der zentrale Gedanke der Bolschewisten, Faschisten und Nationalsozialisten war der zentrale Gedanke Nietzsches und seiner Jünger: Der Übermensch, der Neue Mensch.

„Wer den Nationalsozialismus nur als politische Lehre versteht, weiß fast nichts von ihm. Er ist mehr noch als Religion: er ist der Wille zur neuen Menschenschöpfung“, notierte Hermann Rauschning nach einem Gespräch mit Hitler, welches bereits Anfang der 30er Jahre stattgefunden hatte.

Alle politischen Maßnahmen, die uns heute brutal und unmenschlich erscheinen, hatten in diesem kulturellen Ziel, in damaligem Verständnis als Ergebnis hohen Sinnens, wie Joachim Fest schrieb, in Hitlers innersten und feierlichsten Gedanken ihren Kern. Das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums, die Beschlüsse der Wanseekonferenz, die Euthanasiegesetze, der „Verlobungs- und Heiratsbefehl“ der SS oder die Gründung des Rasse- und Siedlungshauptamtes SS; entweder dienten sie dazu perfekte Neogermanen zu züchten oder die Juden als vermeintliche Gegenbildung des Ariers zu vernichten. Baugleich haben wir es danach erlebt: Auch einige Kommunisten glaubten tatsächlich denselben Schmarrn von der perfekten Zukunft und begingen dafür widerlichste Verbrechen.

Das Weltwirtschaftsforum steht wegen der Ablehnung gewachsener Stukturen und der Vergötzung des fundamentalen Wandels in der Tradition von Jugendbewegung, Bolschewismus und Nationalsozialismus. Das Trio Schwab –  Merkel – Neubauer beschwört die vierte Katastrophe in Europa herauf. Die Wandervögel, die Bolschewisten und die Nationalsozialisten sind gescheitert, allerdings war der Preis immer viel zu hoch. Geht es dieses Mal etwas billiger?

 

Grüße an den V-Schutz:

Palmström stellt ein Bündel Kerzen
auf des Nachttischs Marmorplatte
und verfolgt es beim Zerschmelzen.

Seltsam formt es ein Gebirge
aus herabgefloßner Lava,
bildet Zotteln, Zungen, Schnecken.

Schwankend über dem Gerinne
stehn die Dochte mit den Flammen
gleichwie goldene Zypressen.

Auf den weißen Märchenfelsen
schaut des Träumers Auge Scharen
unverzagter Sonnenpilger.

(Ch. Morgenstern)