Eine der großen Blasen der Finanzgeschichte
Für den Mitbegründer des britischen Investmentunternehmens Grantham, Mayo, & van Otterloo (GMO), Jeremy Grantham, ist klar, daß sich an den Börsen (aber nicht nur da) eine Blase gebildet hat. „Mit extremer Überbewertung, explosiven Preissteigerungen, rasanten Emissionen und hysterisch spekulativem Anlegerverhalten wird dieses Ereignis meiner Meinung nach als eine der großen Blasen in die Finanzgeschichte eingehen“, so der Analyst in einem Beitrag auf der Internetpräsenz seines Unternehmens Anfang Januar.
Grantham ist modischen Gedanken nicht abgeneigt, zum Beispiel gibt er große Summen in die Kollekten der Klimakirche. Trotzdem befällt ihn das Grausen, wenn er die Bewertungen von Firmen mit zeitgeistiger Produktpalette sieht, z.B. Tesla oder Nikola.
„Heute liegt das Kurs-Gewinn-Verhältnis des Marktes im oberen Bereich der historischen Spanne und die Wirtschaft ist im schlechtesten Bereich. Das ist völlig ohne Präzedenzfall“.
„Meine beste Schätzung, wie lange diese Blase überleben könnte, ist das späte Frühjahr oder der frühe Sommer, zeitgleich mit der breiten Einführung des COVID-Impfstoffs“, so Grantham. „Zu diesem Zeitpunkt wird das dringendste Problem der Weltwirtschaft gelöst sein. Die Marktteilnehmer werden aufatmen, sich umschauen und sofort erkennen, daß die Wirtschaft immer noch in einem schlechten Zustand ist, die Stimulierung in Kürze mit dem Ende der COVID-Krise zurückgefahren wird und die Bewertungen absurd sind.“
Anleger sollten sich nach Einschätzung von Grantham gegen US-Wachstumsaktien entscheiden und in einen Mix aus Value- und Emerging-Markets-Aktien investieren. „Täuschen Sie sich nicht – für die Mehrheit der heutigen Anleger könnte dies sehr wohl das wichtigste Ereignis in Ihrem Anlegerleben sein“.
Was sind Wachstumsaktien? Alle, die im Wert-Zeit-Diagramm einen super steilen Anstieg haben, dabei geringe oder keine Gewinne machen und nicht schütten. Typisch ist auch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis über 30. Ich habe davon eine einzige im Depot: Monster Beverage, einfach um zu sehen, was damit passiert, wenn es knallt. Dabei ist die noch nicht einmal hoch riskant, weil es eine Getränkemarke ist.
Ansonsten habe ich mich für Langweiler entschieden, solche mit einer stabilen Geschäftshistorie, hohen Ausschüttungen und niedrigen Kursen, die nicht wesentlich über denen von Januar 2020 liegen, am besten etwas drunter. Themen, die den jungen Anlegern heilig sind, sollte man derzeit meiden. Rund um die Elektromobilität, das Internet, den Wasserstoff und die Impfstoffe sind unerschütterliche Optimisten in hellen Scharen unterwegs. Wenn im Chart die linke Seite einer Kerze entsteht, kracht es immer bald. Am sichersten sind derzeit Lebensmittel, Konsumgüter, Tabak und eingeschränkt Rohstoffe.
Ich bin mit den Klimajüngern selten einig, aber mit Granthams Ausblick kann ich mich anfreunden. Der Aktienmarkt ist nicht generell überbewertet, nur in modischen Teilbereichen, da aber richtig.
Daß nicht alle Kleinanleger ganz helle sind, hat man jüngst bei Gamestop gesehen. Die Wendigsten und Schnellsten haben ein Vermögen gemacht, wer zu spät eingestiegen ist und nicht rechtzeitig wieder verkauft hat, ist sein Geld los. So ist das mit der Schwarmintelligenz. Den letzten beißen nach wie vor die Hunde.
Grüße an den V-Schutz: „Spekulieren kann jeder. Es zur richtigen Zeit zu tun – das ist die Kunst.“ (André Kostolany)
> Alle, die im Wert-Zeit-Diagramm einen super steilen Anstieg haben, dabei geringe oder keine Gewinne machen und nicht schütten. Typisch ist auch ein Kurs-Gewinn-Verhältnis über 30.
Alles relativ. Amazon z.B. war nach diesen Kriterien nie kaufbar. Das ist sie aber seit vielen Jahren. Ich rede nicht ueber jetzt, ich habe auch keine Glaskugel. Ich habe die aber frueh gekauft. Leider zu wenig, aber schon das machte es zum Teil eines Fundaments, auf dem man ueberhaupt erst einmal sinnvolle Summen zur Verfuegung hat.
Das Herausziehen/Neuanlegen etc. sollte man natuerlich nie vergessen. Diese Aktie war aber diesbezueglich keine Motte und hat ausreichende Zeitintervalle fuer o.g genannte Aktionen zur Verfuegung gestellt.
Das mag auch damit zusammenhaengen, dass sie eben nicht nur heisse Luft produzieren. Das gilt fuer ihr Versandgeschaeft genauso wie fuer die IT middleware, die sie hauptsaechlich ueber AWS zur Verfuegung stellt.
Von diesen Erfolgsgeschichten gibt es einige wenige. Allein in der Dotcom-Zeit ist die zehnfache Zahl von Aufsteigern den Bach runtergegangen. Wenn man die Nase hat, früh zu erkennen, was funktioniert: Chapeau!
Für meinen Geschmack ist Amazon mit einem KGV von 79 überbewertet. Jetzt würde ich sie nicht kaufen.
> Für meinen Geschmack ist Amazon mit einem KGV von 79 überbewertet.
Das war ja Teil meines Punktes, sie waren sogar oft und lange dreistellig. Danach haette man sie weder heute noch in der Vergangenheit kaufen koennen. Aber sie erfuellten andere Kriterien die zu den eher schwer fakebaren Fundamentaldaten gehoeren, wie dem cash flow. Bezos war auch immer beruechtigt dafuer, massiv rezuinvestieren.
> Jetzt würde ich sie nicht kaufen.
Ich auch nicht, aber das hat andere Gruende. Uebrigens langsam auch interessant sind Dinge wie diese hier:
https://www.zerohedge.com/geopolitical/doubleline-warns-events-are-motion-remove-dollar-reserve-currency
(Kern: „In November, 15 Asian countries, comprising 30% of global GDP, signed the Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP), creating a free-trade zone among the signatories.“ [https://de.wikipedia.org/wiki/Regional_Comprehensive_Economic_Partnership])
Die Wechselkurse sind eine oft unterschätzte Gefahr. Aus meiner Sicht alles Wundertüten.
> Wechselkurse
Es heisst ja ‚Wechsel‘. Das geht also in beide Richtungen.
Ich denke auch, daß uns in nächster Zeit einiges um die Ohren fliegt und Vermögenssicherung wichtiger wird als eingebildete Performance. Deshalb setze ich vorwiegend auf Langweiler – ETFs und bin damit bisher zufrieden.
> Vermögenssicherung wichtiger wird
Richtig, Problem ist nur, dass m.E. die Wahrscheinlichkeit steigt, dass an Stellen eingegriffen wird, fuer die es kein historisches Vorbild gibt. Konkret fuer Aktien – und jegliche Wertpapiere – ist z.B. die kuerzliche Gamestopaktion m.E. ein Warnhinweis. Es ist ueberhaupt nicht ausgeschlossen, dass die Geschichte des freien Anlegens – wie die des Bargeldes – insgesamt zu Ende geht oder gehen soll. Man also anfaengt die Kleinanleger in ihrem Anlageverhalten zu regulieren. Die Infrastruktur dort ist ja schon so hundertprozentig digital, wie es die feuchten Traeume der Bargeldabschaffer fuer ihr Gebiet erst noch moechten. Dort kann man Schrauben mittlerweile schon aehnlich gut ansetzen wie bei z.B. Immobilien. Auch international wird es durch die in den letzten Jahren immer fester und umfangreicher gezurrten Auskunftsverpflichtungen fortlaufend enger.