Gerüchte über die Verhandlungen mit der Regierung Ihrer Majestät

PB hatte verschiedentlich über die englischen Vorbereitungen für die Unterhandlungen mit Brüssel und die grundsätzliche taktische Linie Londons berichtet. Es war ein Mix aus Verhandlungsangebot und Drohung mit dem vertragslosen Austritt. Andererseits waren die Verhandlungsziele des zuständigen EU-Kommissars Barnier bekannt: Britannien zu demütigen und für den Brexit zu strafen, die Insel in demütigende Sklaverei bis in alle Ewigkeit zu fesseln.

Die Liebe zwischen Frankreich und England war immer fragil. 1066 hatte der normannische Herzog Wilhelm I. England erobert und sich dort zum König ausgerufen. In der Folge stellten die mit ihm in das Land gekommenen Adeligen die neue Aristokratie Englands. Sie blieben der französischen Herkunft noch lange kulturell und in ihrem Selbstverständnis eng verbunden. Zudem verfügte diese normannische Aristokratie noch über teilweise beträchtlichen Grundbesitz in Frankreich.

Politisch nahmen die englischen Könige eine Doppelrolle ein. Während sie einerseits England als Königreich beherrschten und damit dem französischen König gleichgestellt waren, blieben sie zugleich Herzöge und Grafen in Frankreich und waren in dieser Rolle dem französischen König lehensrechtlich untergeordnet. Der souveräne englische König war größter Grundbesitzer in Frankreich und mit den dortigen Territorien mächtigster Vasall des französischen Königs. Daraus entwickelte sich 1337 bis 1453 der Hundertjährige Krieg, der mit dem Sieg der französischen Könige endete.

Wir wollen über solche Nickeligkeiten wie den Siebenjährigen Krieg in den Kolonien großzügig hinweggehen und zum Konflikt zwischen Napoleon und England kommen. Die Kontinentalsperre 1806 bis 1813 bildete den Höhepunkt einer langen Geschichte der Rivalität zwischen Frankreich und Großbritannien. Ab 1793 eskalierte ein Wirtschaftskrieg zwischen dem revolutionären Frankreich und Großbritannien. So verhängte Großbritannien 1793 eine Seeblockade gegen französische Häfen, insbesondere den von Brest. Die französische Regierung ihrerseits untersagte im selben Jahr den Import von britischen Manufakturwaren. Ein Gesetz vom 31. Oktober 1796 erklärte, „aus dem Ausland importierte Ware, woher sie auch stamme“ gelte automatisch als englisch und dürfe nicht nach Frankreich eingeführt werden. Das Direktorium legte das Gesetz jedoch nicht so streng aus wie Napoleon. Wegen seiner militärischen Eroberungen konnte er das Importverbot und die Beschlagnahmung von englischen Gütern auch in besetzten Gebieten und mit Frankreich verbündeten Staaten durchsetzen. 1803 ließ er ein entsprechendes Embargo in der Italienischen Republik in Kraft treten. Zwischen April 1803 und Juni 1806 folgten Verträge mit Portugal, Spanien, Neapel und Preußen.

Napoleon rechtfertigte seine 1806 in Berlin verkündigte Kontinentalsperre damit, daß Großbritannien gegen das Völkerrecht verstoßend die internationale Handelsschifffahrt gefährde und Privateigentum beschlagnahmt habe. Zum konkreten Anlass für die Kontinentalsperre wurde jedoch die verlorene Seeschlacht von Trafalgar am 21. Oktober 1805. Napoleon wollte Großbritannien auf wirtschaftlichem Wege durch die Sperrung aller Häfen bezwingen. Das gelang nicht, weil ausgiebig geschuggelt wurde und weil auch nicht alle Vasallen eifrig mittaten.

Um 1900 erfolgte eine Entkrampfung des englisch-französischen Verhältnisses und die beiden Länder kämpften in zwei Kriegen gemeinsam gegen Deutschland. Was aber nicht zur Folge hatte, daß man sich danach gut verstand. Frankreich hatte den 1973 erfolgten Beitritt des Vereinigten Königreichs zur EU lange blockiert. Nach dem Beitritt harmonierten die beiden Länder in den Brüsseler Institutionen nicht immer besonders gut. Und nun hatte Kommissar Barnier vermutlich auf Befehl seines Herrn eine Neuauflage des Hundertjährigen Kriegs im Visier. Eine Art neue Kontinientalsperre verhängte Frankreich am 21. Dezember, als es die Grenzen zum Königreich rigoros schloß. Tausende Truckerfahrer wurden von der mitleidslosen elitaristischen Regierung in Paris um ihr Weihnachtsfest gebracht.

PB hatte schon seit Jahr und Tag immer wieder auf das deutsche Interesse einer wie auch immer gearteten Übereinkunft mit Boris Johnson hingewiesen, das sich banal aus dem starken deutschen Handelsüberschuß erklärt.

An dieser kritischen Stelle müssen wir einen anderen Faden der jüngeren europäischen Geschichte aufnehmen. Jene Leine, die London mit Hannover verbindet.  1714 wurde der Kurfürst Georg Ludwig von Hannover aus Erbfolgegründen auch König von England, Hannover wurde bis 1837 von London aus regiert. Die Deutsche Kanzlei hatte ihren Sitz im St James’s Palace und erledigte die wichtigsten Geschäfte Hannovers von London aus. 1866 wurde das Königreich Hannover von Preußen anneketiert, was in der Bevölkerung nicht so gut ankam. Lange hielt sich eine Welfenpartei im Deutschen Reichstag. Man erinnerte sich gerne der Welfenherrlichkeit. Eine historische Reminiszenz hat es scheinbar jüngst gegeben. Die Tochter des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht, Ursula von der Leyen (kurz vdL) wurde auf Betreiben einiger europäischer Regierungen in das Amt der EU-Kommisionspräsidenten gebracht. PB hatte über die Einzelheiten – unter anderem ein vorbereitendes Meeting in der Goldenen Stadt – mehrfach berichtet. Gibt es eine alte Anhänglichkeit Hannovers an England? Diese Frage steht. Der ehemalige niedersächsische Ministerpräsident David McAllister, der auch die britische Staatsbürgerschaft hat, sitzt derzeit für die Niedersachsen-CDU im Europaparlament, leitet dort den außenpolitischen Ausschuß und ist auch beratendes Mitglied des niedersächsischen Parteivorstands.

Aus dem Vereinigten Königreich hört man, daß vdL in der allerletzten Runde der Unterhandlungen zum Handelsvertrag der EU mit dem UK die Notbremse gezogen haben soll. Der Feinschliff wurde dem Vertragswerk verpaßt, nachdem vdL sich höchstselbst mit Johnson getroffen bzw. mit ihm telefoniert hatte, wenn die englischen Quellen zuverlässig berichtet haben sollten, ohne Barnier. Das Vertragsergebnis läßt auf die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht schließen.

Die deutsche L-Presse stellt das in der Regel anders dar, sie behauptet auch, daß Boris Johnson bei der Abstimmung des Vertrags im Unterhaus innerparteiliche Widersacher hatte. Das ist natürlich eine glatte Lüge, die Verschwörungsmedien verbreiten – wie könnte es anders sein – Verschwörungstheorien. Kein Abgeordneter der Tories hat gegen das Handelsabkommen gestimmt, und nur ein einziger Abgeordneter von Labour.

 

Grüße an den V-Schutz: Hannover liegt an der Leine.