Große Zustimmung für Lieferkettengesetz

Eine große Mehrheit der Bürger – etwa drei Viertel – sind dafür , daß deutsche Firmen nur mit solchen im Ausland Verträge eingehen, welche die Umwelt- und Sozialstandards einhalten. Was für Standards? Wer legt diese Standards fest? Deutsche Gerichte?

Ich bin als Praktiker eher skeptisch, ob das eine gute Idee ist. Als Unternehmer hatte ich eine Kooperation mit einer ausländischen Firma, von der ich annehmen mußte, daß sie entsprechend der Landessitte mit Steinkohle heizt. Ich hätte aber keine Möglichkeit gehabt das belastbar zu prüfen. Außerdem habe ich nie in die Bücher der Firma eingesehen, um die Abführung von deren Sozialabgaben zu kontrollieren. Auch bin ich nicht sicher, ob dafür überhaupt ein rechtlicher Rahmen existierte. In Deutschland ist ja wegen einer Handelsbeziehung auch niemand verpflichtet die Bücher bis in letzte Details aufzuklappen.

Die Möglichkeiten im Ausland Firmen auszuspionieren sind begrenzt, allein schon wegen fremden Rechtssystemen, umgewohnten Bräuchen und schwierigen Sprachen. Wenn mir meine ausländischen Versorgungsunternehmen in ihrer vertrackten Kanzleisprache schreiben, bin ich froh überhaupt zu verstehen, was sie im wesentlichen von mir wollen. Das Studium der ellenlangen Rechtshinweise habe ich mir immer verspart. Von den Handwerkerangeboten lese ich den Leistungsbeschrieb und den Preis. Mehr bekommt man in der Regel sowieso nicht.

Wie mögen die Betriebe mit internationalen Lieferketten bis in exotische Länder hinein darüber denken? Variante eins folgt einem Vokslied:

Wenn ich ein Vöglein wär‘
Und auch zwei Flüglein hätt‘,
Wärs Ausland ganz nett.

Man verlegt einfach den Hauptsitz in ein Nachbarland, zum Beispiel die Schweiz, wo vergangene Woche das Lieferkettengesetz bei einer Volksabstimmung am Ständemehr gescheitert ist.

Auch die zweite Option folgt einem populären Lied:

Es war einmal ein Mann der trat mit seinem Fuß, mit seinem nackten Fuß in einen Scheißhaufen.
Er ekelte sich sehr vor seinem einen Fuß, er wollt mit diesem Fuß kein Stück mehr weiter gehn.
Und Wasser war nicht da zu waschen seinen Fuß, für seinen einen Fuß war auch kein Wasser da.
Da nahm der Mann sein Beil und hackte ab den Fuß, den Fuß hackte er ab in Eil mit seinem Beil.

Man kann die Auslandsbeziehungen kappen, bevor sie unkalkulierbare Risiken hervorbringen.

Die Wirtschaftsverbände versuchen noch die Regierung von der Gesetzgebung abzubringen: „Ein praktikables Lieferkettengesetz muss aber in der täglichen Praxis umsetzbar sein und darf den Unternehmen nicht Pflichten auferlegen, die selbst unsere Bundesregierung in Vereinbarungen mit anderen Staaten nicht durchzusetzen vermag. (…) Insbesondere die Forderung für eine zivilrechtliche Haftung von Unternehmen für unabhängige Geschäftspartner im Ausland, die dort eigenen gesetzlichen Regelungen unterliegen, ist realitätsfern. Diese verkennt auch die Komplexität globaler Lieferketten, die oftmals über 100 Zulieferstufen enthalten und aus Deutschland heraus überhaupt nicht zu kontrollieren sind. Unternehmen können deshalb auch dafür nicht in Haftung genommen werden.“

Vermutlich vergebliche Liebesmüh. Ich tippe auf Lösung Nr. 1 – Wegzug der Firmenzentralen -. Sie ist am schnellsten umzusetzen. Praktisch ändert sich nicht viel, die Produktionsstandorte bleiben teilweise erhalten. lediglich die Verwaltung zieht um. Das Unternehmen erscheint nicht mehr im DAX, sondern im SMI, im BUX, PX, Hang Seng, WIG20 oder irgendwoanders. Wir kennen das Prozedere ja vom Umzug der sächsisch-thüringischen Industrie nach dem Westen: Zeiss, BMW, Schott, Audi, Knorr Bremse, Devrient, Wella und viele andere verschwanden 1945 aus politischen Gründen und kamen nie wieder.

Bis 2006 verlagerten etwa 3.985 deutsche Unternehmen wirtschaftliche Aktivitäten ins Ausland, davon alleine 1.306 nach China und Indien. Von 2014 bis 2016 waren es  977, davon 278 nach den beiden asiatischen Giganten. Hauptgründe waren damals wirtschaftlicher und nicht administrativer Natur. Außerdem ist nur in 10 % der Fälle die Zentrale verzogen. Aber das kann sich alles ändern, siehe 1945.

Jede auf den ersten Blick fatale Entwicklung hat auch ihre gute Kehrseite. Wenn die deutsche Wirtschaft entscheidend geschwächt sein wird, kann endlich der Berliner Hochmut gebrochen werden. Es wird wie im Märchen vom Schweinhirten zugehn. Der Prinz eines ganz kleinen Landes klappte der einfach gestrickten Kaiserstochter das Tor in seiner Grenze vor der Nase zu und sie sang: Ach, du lieber Augustin, alles ist hin.

 

Grüße an den V-Schutz: „Manche Hähne glauben, daß die Sonne ihretwegen aufgeht.“ (Th. Fontane)