Globalisierung, Landleben, Weltverbesserung vor 200 Jahren
Viele finstere Spekulationen über die Zukunft Deutschlands und Europas machen die Runde. Eine oft vernachlässigte Grundlage von Prognosen ist das Studium vergleichbarer Situationen in der Geschichte. Ich hatte bereits mehrmals auf das angebrochene Biedermeier 2.0 mit seinem Rückzug ins Private und Familiäre hingewiesen. Aber auch auf die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts, auf die Adenauerzeit oder die Barockepoche nach dem 30jährigen Krieg. Jede dieser Aufräumaktionen hatte eigene erfolgreiche oder desaströse Methoden. Heute kam die Kunde, daß Märklin mit der Produktion für den Heimwerker im Bastelkeller nicht mehr nachkommt. Das riecht freilich nach Biedermeier. Im Folgenden einige dichterische Kostproben aus der Zeit von 1820 bis 1840.
Eine diffuse Kritk an Kerosinkathas, Bonusmeilencems und Langstreckenluisas weltumspannenden Reisen zeichnete sich schon im Biedermeier ab, als man das Intime, Abgeschlossene und Bescheidene pries und auf die Kehrseiten globaler Ambitionen verwies. Damals in einer langen Entschuldungskrise nach den teuren napoleonischen Kriegen und ihrer Substanzvernichtung. Das Konsolidieren haben wir noch vor uns. Ich freu mich schon auf die langen spätgotischen Gesichter der verzogenen und verwöhnten höheren Göhren von FfF.
Charlotte von Ahlefeld (* 06.12.1777, † 27.07.1849)
Sicherheit in Beschränkung
In des Baches reinen, hellen,
Leise nur bewegten Wellen,
Schlüpft das Fischlein froh dahin.
Und die klaren Fluthen geben
Seinem stillen, stummen Leben
Nahrung und Vergnügen hin.
Sorgenlos und leicht und heiter
Schwimmt es mit dem Bächlein weiter,
Bis in′s weite offne Meer
Sich der Wellen Lauf ergiesset –
Ach die fremde Bahn erschliesset
Ihm der Sorgen dunkles Heer.
Furchtbar drohende Gestalten,
Die in feuchter Tiefe walten,
Winden schreckend sich heran.
Und der Tod, mit bangem Schauer
Steht, so dünkt ihm, auf der Lauer,
Will ihm hundertfältig nahn.
Aber ach, ihm zu entfliehen,
Wehrt das Schicksal nun, es ziehen
Leise Mächte es dahin.
Und des Meeres wilde Wogen
Haben rauschend es betrogen
Um den sichern, heitern Sinn.
So vertauscht des Landes stilles Leben
Mancher mit der Städte lautem Streben,
Und gesellt sich finstern Sorgen zu.
Nur die Abgeschiedenheit gewähret Frieden,
Der Beschränkung nur ist Sicherheit beschieden,
Und der Stille nur entkeimt die Ruh.
Bis 2015 saß ich auf sechs Baugrundstücken, die sich nicht kostendeckend veräußern ließen. Mit einem Schlag entdeckten die Städter die Sicherheit in der Beschränkung des Landlebens wieder und ich verkaufte fünf der Grundstücke binnen eines Vierteljahrs. Diese Landlust – gepriesen sei die Kanzlerin mit ihren Schächtungen und Messerattacken – hat sich bis jetzt erhalten. Kürzlich wurden in der Umgebung wieder mehrere Häuser etwa zum zehnfachen Preis wie vor 15 Jahren verkauft. Ch. von Ahlefeld dazu:
Mein Dörfchen
Wenn im Weltgeräusch, das mich umgiebt,
Noch mein Herz Dich, trautes Dörfchen, liebt,
O so sinds der Kindheit Frühlingskränze
Und die Reize ländlicher Natur,
Die Erinn′rung meiner ersten Lenze,
Was mich knüpft an Deine stille Flur.
Nie konnt′ ich im Glanz der Städte finden,
Was im Dämmerschatten Deiner Linden
Mir die heitre Einsamkeit verlieh.
Ach ich fand in lauten, bunten Freuden
Jenes Glück der frühern Jugend nie –
Fand nur Sorgen, Bangigkeit und Leiden.
Auch Bettina von Arnim (* 04.04.1785, † 20.01.1859) stieß in dieses Horn:
Auf diesem Hügel…
Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Hinab ins Tal, mit Rasen sanft begleitet,
Vom Weg durchzogen, der hinüber leitet,
Das weiße Haus inmitten aufgestellt,
Was ist′s, worin sich hier der Sinn gefällt?
Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Erstieg ich auch der Länder steilste Höhen,
Von wo ich könnt die Schiffe fahren sehen
Und Städte fern und nah von Bergen stolz umstellt,
Nichts ist′s, was mir den Blick gefesselt hält.
Auf diesem Hügel überseh ich meine Welt!
Und könnt ich Paradiese überschauen,
Ich sehnte mich zurück nach jenen Auen,
Wo Deines Daches Zinne meinem Blick sich stellt,
Denn der allein umgrenzet meine Welt.
Annette von Droste-Hülshoff (* 12.01.1797, † 24.05.1848) gab Dr. Merkel, den FfF-Aktivisten und der Grünen Jugend folgendes mit auf den Weg:
An die Weltverbesserer
Pochest du an – poch nicht zu laut,
Eh′ du geprüft des Nachhalls Dauer!
Drückst du die Hand – drück nicht zu traut!
Eh du gefragt des Herzens Schauer!
Wirfst du den Stein – bedenke wohl,
Wie weit ihn deine Hand wird treiben!
(…)
Drum poche sacht – du weißt es nicht,
Was dir mag überm Haupte schwanken.
Drum drücke sacht – der Augen Licht
Wohl siehst du, doch nicht der Gedanken.
Wirf nicht den Stein zu jener Höh‘
Wo dir gestaltlos Form und Wege,
Und schnelltest du ihn einmal je,
So fall‘ auf deine Knie und fleh‘,
Daß ihn ein Gott berühren möge.
Grüße an den V-Schutz: „Städter, die auf’s Land ziehen, sind manchmal eine echte Landplage.“ (Tom Borg)
Was die Mädels verbindet, ist ja nicht nur das Biedermeier, sondern auch die Leibeigenschaft, der sie ihre Apanage verdanken; etwas, das mit Hartz 4 schon in greifbare Nähe gerückt ist im Überwiegen der persönlichen Dienstleistung über die Industrieproduktion. Da freut sich die Luisa und gesellt dem Kreugerschen Streichholzpalast das Fluppenschlösschen bei.
Damals lief man den umgekehrten Weg: die Tommies durch Kontinentalsperre und überlanges Ausruhen auf dem Wattschen Patent ausgebremst, die Franzen mit der Restauration ihrer „Grande Nation“ befasst, begann der kometenhafte Auftsieg der Ruhrindustrie, auch durch geschicktes Ausnutzen des oktroyierten Code Civil über das Feodalrecht.
Es ist ja nicht so, dass das Landleben, das ich so sehr genieße, Weltfremdheit impliziert.
Den Grad der Abgeschiedenheit mag jeder für sich selbst bestimmen – aber merke auf, Familien ticken anders als Egomanen oder Eremiten.
Eine gut funktionierende Infrastruktur ist das A und O .
Andererseits bin ich froh, der dekadenten Scheinheiligkeit und Bornierheit der großherzoglichen Residenzstadt entkommen zu sein.
Andererseits möchte ich (und die schon länger hier auf dem Lande Lebenden) nicht, dass uns der charakterliche und wohlstandsverwahrloste Kultur- und Beamtenabschaum, dem man entronnen ist, hier wieder einholt.
Aber so wird es kommen. Siehe Wendland. Zuerst die Alternativbewegung/Lebensreform, dann der CASTOR, damit die Dauerdemonstranten, schliesslich die Verbeamtung derselben als grüne Bonzen in HH, LG, UE, dann der Anschluss an den Hamburger Verkehrsverbund, zum Schluss die Araben und Drogenneger. So muss es übrigens zwangsweise auch kommen, weil die Kartoffel-Grünlinge im Ggs. zu den Clans keine Autos mehr fahren dürfen und in die Stadt zurückgezwungen werden.
Hallo Cindy aus WE
Keine Angst, die Jung`s und Mädel`s aus der Stadt die machen das schon.
Die meisten von denen geben nicht eher Ruhe, bis die Gegend wo die hinziehen,
genauso verkorkst ist, wie die, wo sie herkommen. Deshalb der Rat von meinem Vater,
ehemals Bürgermeister, ehrenamtlich, an alle Gemeindevertreter: ,, Mit 5% Idioten kommt eine Gemeinde in der Regel klar. 10% sind EIN PROBLEM.“ Und mit jedem neuen Baugebiet steigt
dieser Anteil.
Schon ganz oberflächlich, nur vom Wandern her, staune ich über manche neuen, ausgedehnten Villenviertel in ehemals abgelegenen Dörfern. Nichts gegen solide Häuser, aber „Villen“ meine ich buchstäblich, die wirken auf mich deplaziert, erschlagen ein ehemaliges Dorf regelrecht und ich möchte nicht wissen, wie es mit dem Dorfleben weitergeht. [Bin vor rund 60 Jahren in einem armseligen und verschnarchten Kuhnest aufgewachsen, wo jeder jeden kannte und unter die Arme griff. Naja]
Rheinsberg lebte fast ausschliesslich vom Hof des Prinzen Heinrich, 150 Jahre später von Parteibonzen und Kombinatsdirektoren. Staatsschauspieler nicht zu vergessen. Nämliches gilt für die Seen um Berlin und ihre Dörfer. Später alles in der Hand westdeutscher Kennzeichen.
Sehr interessant ist immer in republikanischer Zeit der krasse weltanschauliche Unterschied zwischen Stadt und Land, grösser als der zwischen den jeweilig auftretenden Invasoren und der Landbevölkerung. Es gibt viele römische Gutsbezirke, die Völkerwanderung usw bis heute überstanden haben.
Was sagt das über die republikanische Staatsform?
Vor dem Kriege gabs im Dorf ein Gutshaus, das von einem holländichen Kapitän bewohnt wurde, der teure Ökomilch produzierte und an die dummen Städter lieferte. Seine Melker titulierte er „Schweizer“ und veröffentlichte täglich in den Weimarer Käseblättern, was er den Kühen fütterte. Von dem Milchgeld baute er sich ein großes modernes Gutshaus, Skurrile Zuzüge im Dorf gabs immer schon. Seit 1990 hat mehr als die Hälfte der Dorfbewohner gewechselt, viele Zuzüge waren ganz vernünftig.