Mindestlohn ist Hartz IV plus Arbeiten gehen

Im Dezember 2013 hatte ich mal den Unterschied zwischen einem Mindestlöhner und einem Hartzer berechnet. Nun sind sieben Jahre rum und der Eintrag muß wegen Änderung der Regelsätze und Abgaben mal überarbeitet werden.

Bei einem Mindestlohn von 9,35 € kommt man mit 160 Stunden auf ein Bruttogehalt von 1.496 € pro Monat. Mit Steuerklasse 1 und ohne Kinder rechnet sich ein Netto von 1.132 € aus.

Wer so rechnet hat das Steuersystem nicht verstanden. Wenn man alle Steuern und Abgaben abrechnet bleibt viel weniger Geld als 1132 € netto. Heute möchte ich geschwind mal aufstellen, was ein Bezieher von Mindestlohn wirklich netto bekommt.

Ich habe als Auto einen Opel Corsa 90 PS angenommen, um zur Arbeit antreten zu können, eine Schachtel Zigaretten am Tag und einen Hund des Normaltarifs. Die Grundsteuer B wird über die Miete abgedrückt. Als Stromverbrauch habe ich 150 kWh pro Monat angenommen, als Fahrleistung des Corsa 5.000 km im Jahr.

Die Umsatzsteuer ist etwas schwierig zu fassen, weil es 19 % für normale Waren und Leistungen gibt, 7 % für begünstigte Waren und außerdem gibt es steuerbefreite Leistungen (z.B. Miete, Versicherungen, Gesundheitsleistungen…). Ein durchschnittlicher Steuersatz liegt beim Normalo bei etwa 7 % vom Nettolohn. Zu beachten ist, daß auf Verbrauchssteuern Umsatzsteuern bezahlt werden, daß also vieles doppelt besteuert wird. Die Umsatzsteuersenkung für ein halbes Jahr habe ich nicht berücksichtigt.

Steuer % vom Brutto
Lohnsteuer € 65,- 4,3
Rentenversicherung € 139,- 9,3
Krankenversicherung € 116,- 7,8
Aloversicherung € 18,- 1,2
Pflegeversicherung € 27,- 1,8
Rundfunksteuer € 18,- 1,2
Versicherungssteuer € 15,- 1,0
Tabaksteuer € 112,- 7,5
Kaffeesteuer € 1,- 0,1
Branntweinsteuer € 3,- 0,2
Schaumweinsteuer € 1,- 0,1
Energiesteuer € 15,- 1,0
Stromsteuer € 4,- 0,3
Kfz-steuer € 11,- 0,7
EEG € 11,- 0,7
Biersteuer € 1,- 0,1
Hundesteuer € 5,- 0,3
Grundsteuer B € 15,- 1,0
Umsatzsteuer € 79,- 5,3
Nettoverdienst € 885,- 59,2
Steuer/Abgabenquote 40,8

Ziehen wir mal die Kfz-Versicherung, die Miete und die Mietnebenkosten von 885 € ab, so bleibt Hartz. Für eine 50-qm-Wohnung rechne ich bei einer Warmmiete von 10 € pro qm 500 € Kosten und 43 € für die Versicherung des Corsa. 885 minus 543 macht 342 €.

432 € beträgt der Regelsatz von Hartz. Davon gehen etwa 30 % Verbrauchssteuern ab, insbesondere wenn er Raucher ist. Bleiben etwa 302 € netto für den Hartzer, denn seine Wohnkosten und die Heizung übernimmt der Steuerzahler. Die Differenz zwischen 342 € für den Mindestlöhner und 302 € für den Hartzer sind 40 €. Die hat man Mehraufwand wenn man arbeiten geht, zum Beispiel für Fahrzeugreparaturen. Ohne Auto braucht man bei den meisten Arbeitsorten und -zeiten überhaupt nicht antreten.

Der ausgerechnete Nettoverdienst von 885 € entspricht nicht einmal dem steuerlichen Lebensminimum von 1.179 €.

Wie man es auch dreht und wendet: Das Netto aus dem Mindestlohn entspricht dem Hartz IV-Niveau. Der Hartzer bekommt einschließlich Wohnung und Heizung das gleiche Geld wie der Mindestlöhner. Wer als Mindestlöhner arbeitet, hat offensichtlich außerökonomische Gründe dafür. Oder er versteht nicht was das Finanzamt alles mit ihm macht.

Eigentlich könnte man vom Mindestlohn 1.496 € leben. Wenn es keine Steuern und Abgaben gäbe. Mit 885 € netto kann man definitiv nicht auskommen, wenn man zum Beispiel Miete in einer teuren Stadt zahlen muß und keinen eigenen Wald zum Heizen hat. In den meisten Mietwohnungen gibt es heute keinen Ofen mehr. Da soll der dicke Pullover helfen, der von einigen Sozialdemokraten  getragen wird (zum Beispiel vom Ex-Finanzminister und Problem-Peer Steinbrück).

August Bebel (1892 bis 1913 Parteivorsitzender der SPD) hat sich im deutschen Reichstag noch jedes mal hochgespult, wenn Verbrauchssteuern erhöht wurden. Der würde im Grabe rotieren, wenn er wüßte was Olaf so treibt. Viele Verbrauchssteuern rühren aus der Zeit her, als Gerhard Schröder (SPD) Bundeskanzler war: Energiesteuer, EEG, Stromsteuer, Erhöhung der Tabak- und der Umsatzsteuer. Vieles davon Erziehungssteuern für Erwachsene. Neuerdings sind die Sozialdemokraten ganz stolz auf den erstrittenen Mindestlohn. Wenn Saskia sich mal das Netto daraus auf der Zunge zergehen ließe, würde sie den Ball flacher halten.

Viel effektiver als der Mindestlohn zur Armutsbekämpfung wäre die Abschaffung der Steuern und Abgaben für Gering- und Normalverdiener. 40 % Abgaben für den Mindestlöhner – das ist krank. Und nächstes Jahr kommt noch die Luftbesteuerung für CO2 oben drauf.

 

Grüße an den V-Schutz. Die meisten Menschen kommen mir wie grosse Kinder vor, die auf den Markt mit wenig Pfennigen begierig eilen. So lang‘ die Tasche noch das bißchen Geld verwahrt, ach da ist alles ihre, Zuckerwerk und andre Näschereien, die bunten Bilder und das Steckenpferdchen, die Trommel und die Geige! (Geheimrath v. Goethe, 1800)