Insolvenzgeld steigt, Zahl der Insolvenzen sinkt

Die EZB-Bankenaufseher haben die Risiken der Shutdownkrise für die Banken simuliert. In einem Extremszenario könnte der Bestand an faulen Krediten europaweit 1,4 Billionen Euro betragen, Stoff für ein neues Kapitel der Bankenkrise. Vor Ort merkt man schon einiges davon. Die Sparkasse in Oberweimar hat geschlossen, nachdem schon die Filiale in Magdala zugemacht hatte. Inzwischen muß der Sparkassenkunde 14 km nach Apolda fahren. Aus Apolda rief mich wiederum die Commerzbank an. Sie schließt den Standort und ist dann nur noch in der Weimarer Fußgängerzone erreichbar. Es entsteht in den Städten viel Platz für weitere Barbershops, die Kunden werden nur anders eingeseift werden.

Die MSM melden, daß die Zahl der Insolvenzen sinkt, gleichzeitig steigt aber das ausgezahlte Insolvenzgeld. Das liegt daran, daß die Zahl der Großinsolvenzen von Firmen mit mehr als 50 Millionen Umsatz von 22 im ersten Halbjahr 2019 auf 51 im ersten Halbjahr 2020 gestiegen ist. Nur die Zahl der Pleiten mit geringen Umsatzzahlen und demzufolge auch Beschäftigten ist gesunken.

Heute hat die Rettinger Kunststofftechnik GmbH in Pfinztal mit 60 Mitarbeitern die Hufe hochgemacht. Sie produzierte Kunststoffteile aus Thermoplasten und Mikrospritzguss-Teile. Den weit überwiegenden Teil des Umsatzes von zwölf Millionen Euro erwirtschaftete das Unternehmen mit der Automobilindustrie.

Ebenfalls heute startet der Investorenprozess für die Tidal Operations Germany GmbH (TOG). TOG betreibt zehn Hotels unter den Marken Holiday Inn, Holiday Inn Express und Crowne Plaza in deutschen Großstädten. Insgesamt arbeiten aktuell 248 Mitarbeiter in Voll- und Teilzeit in den zehn Hotels.

Im Rahmen des Restrukturierungsprozesses der weltweit agierenden Veritas Gruppe aus Gelnhausen haben sich heute der im Bereich „Automotive“ erfahrene Sanierer und der Betriebsrat auf einen Interessenausgleich und Sozialplan geeinigt. Danach sind 54 Mitarbeiter der Verwaltung von einer Kündigung betroffen. Die Maßnahme ist notwendig, um der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens und dem Marktumfeld Rechnung zu tragen. Insgesamt bleiben bei der Veritas AG nach aktuellem Stand 1.222 Arbeitsplätze erhalten.

Das waren drei Meldungen vom heutigen Tage. So geht das in verschiedenen Branchen seit Monaten.

Eine besondere Herausforderung beim Verkauf des Reiseanbieters Öger Tours war laut Insolvenzverwalterin der enorme Umfang des Verfahrens: Von den insgesamt 350.000 Gläubigern hielten zwei Drittel Forderungen gegen Thomas Cook, ein Drittel wollte Forderungen gegen Bucher Reisen & Öger Tours – eine Tochter von Thomas Cook – geltend machen. Viele Betroffene waren Kunden, die bereits Anzahlungen für eine Reise geleistet hatten. Die Insolvenzverwalter setzten daher auf ein Internetportal zur Anmeldung der Forderungen. Es gingen 100.000 Forderungsanmeldungen bei Thomas Cook Touristik ein, 80.000 bei Bucher Reisen & Öger Tours und weitere Zehntausende bei Hotels und Dienstleistern – die Anzahl „sprengt bisherige Dimensionen“, so das Fazit der Insolvenzverwalterin. Trotz des abgeschlossenen Verkaufs bleibt die Zukunft von Bucher Reisen & Öger Tours ungewiss – aufgrund der Corona-Pandemie mußte der Käufer alle Reisen bis Mitte Juni 2020 absagen. Wütende Kunden schreiben sich auf Bewertungsportalen den Frust runter.

Zwei Monate nach dem Antrag von Wirecard hat das Amtsgericht München am 25.08.2020 das Insolvenzverfahren über den Zahlungsabwickler eröffnet. Nach der Pleite wird es umfangreiche Entlassungen geben. 730 von insgesamt 1300 Mitarbeitern in Deutschland werde gekündigt, teilte der Insolvenzverwalter mit. Rund 570 Arbeitnehmer könnten am Standort Aschheim weiter beschäftigt bleiben – davon rund 350 in den insolventen Gesellschaften und rund 220 in der nicht insolventen Wirecard-Bank. Nicht jede Insolvenz hat mit Kórona zu tun, Euler Hermes hatte bereits 2019 düstere Prognosen erstellt. Inzwischen weiß man natürlich nicht mehr, wer an und wer mit Kórona Pleite machen wird.

 

Grüße an den V-Schutz: Wenn ein Kolonialwarenhändler in seinem kleinen Laden so viele Dummheiten und Fehler machte wie die Staatsmänner und Generäle in ihren großen Ländern, wäre er in spätestens vier Wochen bankrott. (Erich Kästner)