Auch S. Fischer hatte Kontaktschuld

Gerade hat H. Broder den Scheidungsbrief des S. Fischer-Verlags an seine Autorin Monika Maron veröffentlicht. Dr. Siv Bublitz, Verlegerische Geschäftsführerin der S. Fischer Verlage: “Man kann nicht bei S. Fischer und gleichzeitig im Buchhaus Loschwitz publizieren, das mit dem Antaios Verlag kooperiert.”

Die Akteure des Buchhauses Loschwitz habe ich im Spätsommer bei einer literarischen Veranstaltung kennengelernt. Michael Bormann hat sich mit mir nicht über Politik, sondern über den Buchversand und über Hundeerziehung unterhalten, Frau Dagen war die ganze Zeit beschäftigt, ein Geschäft mit einem neuen Autor abzuwägen. Es sind Geschäftsleute, die ganz gut davon leben, daß es in Deutschland Zensur gibt. Sie geben umstrittenen Autoren Asyl, und diese Autoren werden gerade deshalb gelesen, weil sie am Rande von Samisdat agieren. Die Allerweltsecke von Jörg Bernig ist zum Beispiel eine Reisebeschreibung vom Balkan und aus Böhmen mit historischen Reminiszenzen, die in einem staatsfrommen merkeltreuen Verlag nicht veröffentlicht werden darf, weil an einer Stelle eine asylkritische Bemerkung steht. Bernig, nur zur Erinnerung, war der Mann, der auf Anweisung von ganz oben als Kulturbeamter der Stadt Radebeul rückgängig gemacht werden mußte.

Die Auslistung von Monika Maron hat sowohl für sie selbst, als auch für das Buchhaus Loschwitz durchaus positive Aspekte. In der Zone sprach man immer nur über Bücher, die nicht gedruckt wurden oder  eine viel zu geringe Auflage hatten. Für die, die im Mainstream-Buchladen herumstanden – zum Beipiel der opulente Bildband „Die Frau im Sozialismus“ –  interessierte sich kein Mensch. Wenn man literarisch etwas werden wollte, mußte man zensiert werden. Es kam zu skurrilen Situationen. Man unterhielt sich über Bücher, die niemand gelesen hatte, weil sie nicht verfügbar waren.  Charli hat gesagt, Charlis Vater hat gesagt…

Eine interessante Frage ist die nach den Kontaktverfehlungen des Fischer-Verlags. Er kam in den 30ern natürlich in Schwierigkeiten, weil er jüdischen Ursprungs war. Das wurde damals noch schlimmer bestraft, als heute mit Antaios zusammenzuarbeiten. Schon aus diesem Teil der Firmengeschichte hätte man etwas anderes ableiten können, als Techniken der nationalsozialistischen bzw. stalinistischen Säuberung.

Auch die Zeit der Lebensreform hatte durchaus ihre Tücken, weil viele Fischer-Autoren den Bolschewismus bzw. Nationalsozialismus nicht so bäh fanden. Aber konnte der Verleger 1910 schon ganz genau wissen, wie sich ein Schriftsteller 1920 oder 1930 verhalten würde? Auch gab es Wechsel von Autoren zwischen S. Fischer und dem in allen Farben schillernden Eugen Diederichs-Verlag aus Jena. Konnte man damals bei Fischer Leute drucken, die auch bei Diederichs erschienen waren? Man konnte, weil das Kaiserreich deutlich liberaler war, und rechtsstaatlicher tickte, als die Berliner Republik. Dr. Bublitz und Dr. Merkel sind gegen Samuel Fischer kleinkarierte Provinzstalins.

 

Grüße an den V-Schutz: „Nicht jeder kann alles ertragen: Der weicht diesem, der jenem aus; Warum soll ich nicht sagen: Die indischen Götzen, die sind mir ein Graus?“ (Geh. Rath v. Goethe über Kulturrelativismus)