Rette sich, wer kann!

Meine Seite ist ja oft ein Ratgeber. Heute geht es um das Thema: Wie vermeide ich es, anläßlich der Insolvenz eines Geschäftspartners viel Geld zu verlieren. Ich selbst habe bestimmt zehnmal Mark und Euronen verloren, wenn Geschäftspartner fertig hatten und Flasche leer war (Ansage von Bayerntrainer Trappatoni). Besonders von 1996 bis 2010, als die wirtschaftliche Lage tutto nero war.

Aktueller Anlaß ist die Kunde, daß nach Meinung von Experten jede sechste Firma derzeit illiquide oder überschuldet ist, davon war die Hälfte übrigens schon am Jahresanfang ein Zombie. Die Bundesjustizministerin (SPD) will die Pflicht zur Anmeldung von Insolvenzen, die ausgesetzt ist, und schon mal auf Ende September terminiert worden war, nun auf März 2021 verlängern.

Dahinter verbirgt sich die Hoffnung, daß die eine oder andere Firma sich bis dahin wieder berappeln kann. Aber zu jeder Chance gehört auch ein Risiko: Daß die Überschuldung noch wachsen könnte, und daß Geschäftspartner – insbesondere Lieferanten, Kunden und Subunternehmer – immer stärker mit reingerissen werden. Es ist eine Situation mäßiger Transparenz. Was tun?

Im Bundesanzeiger gibt es ein Unternehmensregister, wo die Bilanzen der Vorjahre von mittleren und größeren Unternehmen einsehbar sind. Nun sind Bilanzen nicht das Ei des Kolumbus, wie die Wirecard-Affäre zeigt. Aber sie sind eine ergänzende Infoquelle. Zumindest sieht man schon mal, wo es wegen Ertragsschwäche zum Himmel stinkt.

Man sollte sich immer auf der Aktivseite unter B.III das Geldvermögen ansehen und auf der Passivseite unter A das Eigenkapital. Unter B.I findet man die unvollendete Produktion (UP) und die Vorräte. Da gibt es branchenspezifische Besonderheiten. Firmen, die Werke liefern, deren Herstellung sich über Jahre hinzieht (z.B. Bauwesen) haben hier immer hohe Beträge stehen, ohne daß Mißtrauen in jedem Falle angebracht ist. Wenn jedoch bei einem Warenproduzenten hohe unbezahlte Rechnungen oder UP stehen, sollte man genauer hinsehen. Gestern fand sich bei Tichy beispielsweise ein Eintrag über die Bilanz von Tesla, wo Rechnungen für Zertifikate bilanziert sind, die erst in Folgejahren bezahlt werden, weil die Käufer sie derzeit noch nicht brauchen. Die Firma ist beim Autobau in den roten Zahlen, hat aber das hochprofitable Nebengeschäft mit staatlichen Zuteilungen, deren Ertrag nach 2020 vorgezogen wurde. Alle möglichen Bilanztricks gibts.

Also hilft die Bilanz wenig, auch wenn sie von unflugfähigen Vögeln – sogenannten Wirtschaftsprüfern – testiert ist. Man sollte sich das Betriebsgelände ansehen, die Parkplätze. Gähnende Leere und große Unordnung sind auch ein Warnsignal. Und man sollte für jede Leistung oder Lieferung sofort eine Rechnung stellen. So lange die nicht bezahlt ist, wird nichts weiter geliefert oder geleistet.

Es gab wahre Künstler in der Verschleierung von Zahlungsunfähigkeit. Einer unserer Besten war der Bauträger Schneider, dem wir die aufwändige Sanierung von Auerbachs Keller in Leipzig verdanken. Er schickte die Wirtschaftsprüfer zum Beispiel auf eine benachbarte Baustelle, die schon einen fortgeschritteneren Bautenstand hatte. Wirtschaftsprüfer sind leider meistens Akademiker, jeder Postillon oder erfahrene Kaufmann wäre Schneider eher auf die Schliche gekommen.

Man darf auch nicht überzahlen. Das ist einem Nachbarn mit seinem Bauträger passiert. Der machte Pleite, das Haus war nicht ganz fertig und ein Teil der Leistungen mußte zweimal vergütet werden. Auch wenn Firmen mit kriminellen Methoden Aufträge erlangen wollen, zum Beispiel durch Korruption oder durch gute Beziehungen zur Politik ist manchmal dicke Luft. Da sind wir wieder bei Wirecard. Der Firma war es gelungen sogar das Kanzleramt einzuspannen.

Allerdings gab es bei Korruption in jedem Fall vorher Gerüchte. Vorteilsnahme von Beamten spricht sich in Auftragnehmerkreisen immer rum. Manchmal auch das Gegenteil, wenn Staatsdiener Angebote – z.B. von Leasingautos und ähnlichem – abgelehnt haben. Ein hoher Beamter der Deutschen Bahn hieß unter Kollegen „Mister 2 Prozent“. Er war eines Tages in Handschellen im Fernsehen zu sehen. Auch das Ende von Wirecard kam nicht ganz überraschend, im Kanzleramt ist man scheinbar nicht so gut vernetzt. Ich habe ein paarmal überlegt, ob ich angesichts von euphorischen Wirtschaftspresseberichten Wirecard-Aktien kaufe. Aber die Erfahrung sagt eben, daß Gerüchte zuverlässiger sind, als getürkte Bilanzen.

Also Augen auf, solange die Bundeskanzlerin die Konkurse legal verschleppen läßt.

 

Grüße an den V-Schutz. Unter „Zentrale Plankommission“ abheften.