Der Ausbruch der bürgerlichen Revolution

Es gibt grundverschiedene Hypothesen zu den zukünftigen Auswirkungen der seit 2008 schwelenden Finanzkrise. Die Pessimisten sehen die westlichen Gesellschaften in einer ewigen ausweglosen sozialistischen Steinzeit versinken, die Optimisten erwarten den wirtschaftlichen Abbruch gerade als Voraussetzung für eine Renovierung des ganzen Hauses.

Diese Diskussion hatten wir in Untergrundversammlungen und am Rande von ML-Seminaren in den späten 70ern schon mal. Auch vor fünfzig Jahren waren die Meinungen geteilt. Die offizielle Lehre war, daß die sich entwickelnden Produktivkräfte in einem revolutionären Akt die passenden fortschrittlicheren Produktionsverhältnisse kapern würden. Das hätte angewandt auf den sowjetischen Machtbereich bedeutet, daß erst nach einem wirtschaftlichen Aufschwung die Marktwirtschaft und ein parlamentarisches System eingeführt worden wären. Es gab wirklich Leute, die so ein Szenario annahmen. Und ich muß zugeben, daß ich es nicht mit einer Wahrscheinlichkeit von 100 % ausschloß. Insbesondere weil Ulbricht vor dem Ende seiner Herrschaft Lockerungen angeschoben hatte. Aber es waren gerade diese zaghaften marktwirtschaftlichen Reförmchen, die ihm den Hals brachen. Sein Sturz hing unmittelbar damit zusammen.

Die Mehrheit war jedoch gegenteiliger Meinung. Das lag daran, daß jeder spürte, daß mittelfristig alles auf ein ökonomisches und militärisches Desaster hinauslief. Der Zuammenbruch des Sozialismus würde sich aus seiner Krise ergeben, so die überwiegende Einschätzung.

Was Mitte der 70er niemand von den Abweichlern – gleich ob sie der einen oder anderen Meinung anhingen – so richtig auf dem Schirm hatte, war die internationale Lage. Der Befreiungskampf der afghanischen Völker hatte noch nicht begonnen, der mit sowjetischen Waffen verlorene Falklandkrieg und die Präsidentschaft Ronald Reagans standen noch bevor. Der Zar Breschnjeff war noch nicht richtig ganz tot. Die entscheidenden außenpolitischen Ereignisse lagen damals alle in der Zukunft. Lediglich der Sturz der sozialistischen Regierung in Chile war ein erstes Hoffnungssignal. Ein Jahrzehnt später wurde allen immer klarer, daß das Ende der DDR nicht durch interne Prozesse erfolgen würde, sondern als Kollateralschaden des Zusammenbruchs des großen Bruders. Ostberlin war eben der Hauptort einer Satrapie, das vergaß man manchmal, obwohl man durch Transparente und die Mitgliedschaft in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft ständig daran erinnert wurde.

Der Zusammenbruch des sozialistischen Weltsystems – so die Eigenmarke – erfolgte insbesondere als Folge des verlorenen Afghanistankriegs. Die sowjetischen Militärs hatten erkannt, daß sie technisch völlig unterlegen waren. Jeder tadschikische Ziegenhirte war besser bewaffnet. Da half nur dem Rat Ronald Reagans zu folgen und die Mauer einzureißen, um die selbstgewählte Isolation und techische Rückständigkeit zu beenden. Der Abbau des Stacheldrahts war sozusagen der Preis, der zu entrichten war. Darum ließ Gorbatschoff die Blödmänner in Ostberlin fallen, wie faulige Kartoffeln und machte auf. Die Revolution im Osten, von Großburschla bis Wladiwostok, folgte also nicht der Theorie von Karl Marx. Neue Produktionsverhältnisse wurden eingeführt, weil die Produktivkräfte verrottet waren.

Das ist in der Weltgeschichte überwiegend so gewesen. Der Chinese machte die Lockerungsübungen nicht, weil er so fortgeschritten war, sondern um den Anschluß an die Zivilisation zu schaffen und die Folgen der Kulturrevolution zu überwinden. Die Reformen in  Japan im vorvergangenen Jahrhundert folgten derselben Logik. Auch in Europa gab es solche Modernisierungsschübe, zum Beispiel in Preußen 1807, in Deutschland 1870 und in Westdeutschland 1948, in der Slowakei 1998 und in Ungarn 2010. Die Modernisierung erfolgte immer aus der Not heraus. Marxens Überlegung war eine – freundlich ausgedrückt – waghalsige Kopfgeburt.

Daraus kann man Prognosen für die Zukunft ableiten. Dr. Merkel ist eine Plage von biblischen Ausmaßen, aber auch eine List der Geschichte. Sie zerstört alles was sie anfaßt, und schafft damit erst den Handlungsdruck für grundlegende Renovierungsarbeiten. Vor allem ruiniert sie die finanziellen Grundlagen der Wohlstandsverwahrlosung. Schon jetzt rebellieren Veganköche und Fördermitteljunkies gegen ihr destruktives Regiment. Die Zielrichtung dieser Reformen oder dieser bürgerlichen Revolution entsteht zum Glück nicht schon wieder in deutschen Köpfen mit Rauschebärten, sondern im internationalen Konzert. Die Reformer rückständiger Nationen orientieren sich in der Regel an den erfolgreicheren Nachbarn.

Viele meiner Kollegen von der Prognoseabteilung fürchten eine Weltregierung. Erstens wird die nicht entstehen, weil Kernwaffenmächte souverän sind, eigene Interessen verfolgen und eigene Traditionen als Leitpfosten nutzen werden. Und wenn sie entstünde, würde sich sich zerstreiten und zerfallen. Das ist eine antropologische Konstante, bereits Konrad Lorenz wies anhand seiner Beobachtungen von Gänsen darauf hin (in seinem Buch „Das sogenannte Böse“). Feudale und asiatische Regime haben immer unter Palastschwierigkeiten, Meuchelmorden, Heuchelorden und Parteiungen gelitten. Linke und rechte Abweichung, Trotzkisten, Werteunion, Viererbande, Gegenpäpste, Kosmopolitismus, SA, Bucharinismus usw.

 

Grüße an den V-Schutz. Ihr werdet dann in Amt für Nationale Sicherheit oder ähnlich umbenannt.