In Deutschland fehlt die gemeinsame Kultur
Ab 1950 haben sich die Deutschen kulturell stark auseinandergelebt. Das war natürlich vor allem durch die unterschiedlichen Besatzungsmächte, aber auch durch die Einzäunung bedingt. Der Osten blieb irgendwo zwischen Kaiserreich und Drittem Reich stecken, die Impulse, die nach 1950 kamen waren wenige, es war nicht alles schlecht, aber eine stabile Kulturszene gab es im Osten nicht:
Wolf Biermann mit trotzkistischen und ketzerischen Gesängen, verschwand im Westen
Seine Tochter Nina Hagen, nach ihrem ersten Hit (Farbfilm) war sie weg
Renft R&B, verschwand nach zahlreichen Auftrittsproblemen auch drüben
Stefan Heym, Autor kritischer Romane, litt unter heftigem Papiermangel und Devisenvergehen
Manfred Krug, Sänger und Schauspieler, siedelte über
Veronika Fischer, Sängerin, abgehauen
Sarah Kirsch, Günter Kunert, Reiner Kunze, Jürgen Fuchs, Wolfgang Loest, Monika Maron, alle bekanntgeworden durch Papiermangel und Übersiedlung
Urich Plenzdorf, geplagt durch Papiermangel und Verfassser des Drehbuchs „Die Legende von Paul und Paula“
Lutz Rathenow, Schriftsteller, wurde nur im Westen gedruckt, wenigstens ohne Papiermangel
Bettina Wegener, Sängerin, ihre Veranstaltungen wurden zumeist „aus technischen Gründen“ verboten, siedelte auch über
Liselotte Welskopf-Henrich, die einzige Schriftstellerin, die trotz eigenem Kopf mit dem System hinkam. Bemerkenswert.
Die Hoftrompeter und Reisekader laß ich mal weg. Kommentare zu denen wären nicht sehr schön. Der kulturelle Austausch zwischen den Besatzungszonen beschränkte sich – abgesehen von besagten Reisekadern – auf Westsehen und Abhauen/ausgebürgert werden. Ich hab in Echtzeit nie ein westdeutsches Buch der 50er bis 80er Jahre gelesen, nach 1990 hatte ich erst mal keine Zeit das nachzuholen. Nach 1990 habe ich bevorzugt Klassiker, wie die „Farm der Tiere“, „1984“, das „Schwarzbuch des Kommunismus“, „Der Meister und Margerita“, „Im Namen Europas“ und ähnliches reingezogen, aber das waren alles keine deutschen Geistesblitze. Ich habe mit der dritten Strophe des Deutschlandliedes sehr gefremdelt, nicht weil ich sie für falsch halte, sondern weil ich sie nicht gewohnt war. Es ist nicht leicht, eine Tradition mit dem ganzen Herz zu leben, in die man nicht hereingewachsen ist.
Mit etwas Neid blicke ich auf unsere ungarischen Leidensgenossen, welche die bunteste Baracke in Osteuropa bevölkerten. 1956 gab es auch einen großen Aderlaß, aber ab den 70ern war das Ungarland einen Hauch freiheitlicher und toleranter, als Deutschland, und die Künstler verließen nicht scharenweise das Land. Es gab eine Kultur, die etwas weniger stark fragmentiert war. Heute hatte ich ein Video gefunden, welches das verdeutlicht, was uns fehlt.
Da will LGT (die älteren werden sich an eine AMIGA-Platte und den „Fiktiven Report über ein amerikanisches Musikfestival“ erinnern) 2007 beim Sziget-Festival das 31 Jahre alte Lied „Neked irom a dalt“ (Ich schreibe das Lied für dich) spielen und kommt eigentlich nicht dazu. Die ganze Insel kann den Text und singt die Band in Grund und Boden.
Wir haben in Deutschland nicht so eine gemeinsame Kultur, wie sollen wir ein Land werden?
Beitragsbild: Manfred Krug als Husarenfeldmarschallleutnant András Hadik in einem DEFA-Film
Grüße an das Staatssekretariat für Kulturfragen
So, so, westdeutsche Kultur. Meint der Verfasser etwa auch, was sich auf den Bildschirmen so alles abspielt oder die sogenannte Kulturszene der bundesdeutschen ungebildeten Unterschichten? Dann lieber doch einen MOSFILM oder einen Kapitän vom Tenkeschberg. Sie wollen Westdeutschland doch nicht als Kulturlandschaft bezeichnen, Und wenn , dann ist es Jahrzehnte her als so was versucht wurde, aber dann doch durch die 68-er abgewürgt wurde. Saufen, kiffen und huren sind nun mal keine Kulturleistungen, sondern Zeichen der geistig moralischen Verwahrlosung eines Volkes. Und Multikulti endet überall nur in einer Slumgesellschaft, wie man überall auf der Welt sehen kann. Sie ließen es in Ihren Ausführungen schon anklingen, wo findet man ein anständiges Buch von einem deutschen Autor in den Buchhandlungen? Die Ausnahmen bestätigen die Regel. Bin froh das meine Bücherschränke von alten deutschen Ausgaben brechend voll sind.
Mit der bundesdeutschen Kulturszene kann ich nichts (mehr) anfangen, trotz einiger Anläufe (Böll z.B.). Für mich waren andere Dinge interessanter, zum Beispiel Material aus sowjetischen Militärarchiven (Suworow u.a.) oder das Feld des klassischen Liberalismus (von Mises meinetwegen). Dadurch fehlt leider die Zeit für Fernsehen und Presse.
Dazu kommt, dass im Westen die Träger der „Kultur“, also jedenfalls der Hochkultur als auch der weitgehend links verankerten Popkultur das eigene Land konsequent ablehnt. Und das nicht erst seit 1990, sondern seit 1968; die Hochkultur wahrscheinlich schon seit 1945. Dass der Ostteil unseres Landes sich damit nicht anfreunden kann, sondern davon vermutlich z.T. regelrecht abgestoßen ist, wundert nicht.
Was ist denn Kultur? Golo Mann vertrat bekanntlich die Ansicht, diese sei in der Kaiserzeit (ausserhalb der fragmentierten Reichswirklichkeit in Kleinstaaten) schon zuende gewesen (was interessanterweise Vater und Onkel knapp einschliesst…). Die von Wilhelm Busch karikierten Figuren und ihre Nachkommen bis heute wären demnach das infragekommende bürgerliche Substrat gesamtdeutscher Kultur gewesen? Kann man sich kaum vorstellen und darum gibts auch keine.
Nachtrag: ich hatte was übersehen – die Operette war die gesamtdeutsche Kultur bis 1945 und passt auch zu den Busch-Alben. Und zu allem, was danach kam.
Die ehemalige DDR, so dachte ich, war von den Ideen des Sozialismus / Kommunismus oder der proletarischen Kultur (Proletkult) des Bolschewismus geprägt. Bei der Kanzlerin ist dies jedenfalls noch erkennbar und offenbar will sie diese „Kultur“ via zentralistischer EU in Europa einführen. „68er“ und Gewerkschaften leisteten hierfür bereits Vorarbeit. Gelingt ihr das, dann haben wir in europaweit eine „gemeinsame“ Kultur für Alle. Daneben gibt es noch „Multikulti“ als Vorgeschmack für die proklamierte grenzenlose „One World“. Nicht zu vergessen Horst Seehofer, der betonte, dass „die CDU für eine deutsche Leitkultur eintrete“ (de.news.yahoo.com, 16.12.2010). Was immer darunter zu verstehen ist, es hört sich nationalistisch an. (Er wird doch nicht?). In der Tat ein Sammelsurium, das kaum der „Klarheit und Wahrheit“ dient. De facto fand jedoch nicht nur in Medien, Schulen, „Elfenbeintürmen“, Kirchen und Politik ein allgemeiner kultureller und geistiger Niedergang ohnegleichen statt.
Eine einheitliche Kultur gibt es nicht, schon gar nicht als „Endlösung“. Es existieren immer mindestens zwei gegensätzliche Weltanschauungen oder Ismen, nämlich eine „linke“ und „rechte“. Diese bilden jeweils den Zeitgeist einer Epoche. Dafür muss jede Seite Mehrheiten gewinnen, indem sie ihre Weltanschauung und Kritik überzeugend darstellt. Das diktatorische Durchsetzen ist der falsche Weg, weil nicht von Dauer. Derzeit befindet sich der Westen in den Anfängen einer solchen Zeiten- und Paradigmenwende von „Links“ nach „Rechts“. „Christentum“ und „Aufklärung“ als Basis der modernen abendländischen Kultur wurden zu unglaubwürdigen „Erzählungen“ (J.-F. Lyotard u.A.). Sie schufen „selbstzerstörerische“ mentale und reale Zustände. P. Sloterdijk rügt bei der „Aufklärung“, dass sie mit ihrem „tolpatschigen Atheismus“ zur „zynischen Vernunft“ verkam und spricht von einem „post–kommunistischen“ Zeitalter. Die „christliche Sache“ zeigt sich für ihn in einem „subkulturellen Daseinsmodus“.
Wie auch immer, der stetige Abstieg in allen gesellschaftlichen Bereichen hat als nächste Stufe den vom Tal in die geistigen und geistlichen Katakomben. Er muss zu einem Aufstieg in höhere Gefilde umgekehrt werden. Ein künftiges Weltbild und Bewusstsein kann nicht mehr bloß aus einer reduzierten EIN-dimensionalen Ratio für gleiche EIN-fachheit bestehen. Um das mechanische, materialistische Denken der *Moderne* zu „erweitern“, wird ein holistisches, zumindest triplexes Bewusstsein und Wahrnehmen erforderlich. Das geht nicht mit einem ein-fachen Klick. Es lässt sich auch nicht in wenigen Zeilen erschöpfend beschreiben. Vielleicht beschleunigen die künftigen Weltwirtschaftskrisen den „Mindshift“?
Ein toller. Blog. Danke dem Autor. Das Musik-äh Mitklatschvideo hat mir ein paar Tränchen in die Augen getrieben. Aber auch wir hatten in der DDR unsere gemeinsamen Momente und Gedanken, waren nicht so arg in rechts und links gespalten, wie wir das gerade jetzt erleben. Sonst wäre das mit dem gemeinsamen Marschieren in die ersehnte Freiheit niemals möglich gewesen. Nun wird, mit wohlweislicher Billigung des Großteils der Bevölkerung das Prinzip “Teile und herrsche“ erfolgreich zelebriert. Denn Merkel weiß, was letztendlich die Machtstrukturen der unerschütterlich scheinenden Bastion DDR zerstört hat: Basisdemokratie. Die gilt es zu zersetzen, wo es nur geht. In Stuttgart anlässlich. Stuttgart21 wurde es bilderbuchmäßg durchexerziert.