Der ungeregelte Brexit kommt

Der britische Brexit-Unterhändler hat dem für die Vertragsverhandlungen zuständigen EU-Kommissar einen netten Brief (im Folgenden stark gekürzt) geschrieben. Er merkt an, daß das Vereinigte Königreich schlechter behandelt werden soll, als beispielsweise Japan oder Norwegen:

Lieber Michel, (angeschrieben ist Kommissar Barnier)

(…) Ich möchte auf drei konkrete Punkte eingehen, die in diesem Prozess hilfreich sein können.

Erstens haben wir konsequent versucht, deutlich zu machen, dass wir nach einer Reihe von Abkommen mit einem Freihandelsabkommen als Kernstück suchen. Wir streben nicht danach, Teil des Binnenmarktes oder der Zollunion zu bleiben, da wir der Meinung sind, dass dies nicht im Interesse des Vereinigten Königreichs liegt. Dementsprechend stützen sich unsere Rechtstexte, wie Sie wissen, auf Präzedenzfälle (…) So nähert sich zum Beispiel unser Entwurf eines Freihandelsabkommens sehr stark denjenigen an, die die EU mit Kanada oder Japan vereinbart hat. Unser Entwurf für ein Fischereiabkommen ist sehr nah am Abkommen zwischen der EU und Norwegen. Unsere Vorschläge für den Luftverkehr ähneln denen, die die EU mit anderen Drittstaaten vereinbart haben. (…)

Zweitens finden wir es überraschend, dass die EU nicht nur auf zusätzlichen Bestimmungen besteht, sondern nicht einmal bereit ist, Bestimmungen in früheren Freihandelsabkommen zu wiederholen. (…) Im Dienstleistungsbereich wehrt sich die EU gegen die Aufnahme von Bestimmungen über die Zusammenarbeit bei der Regulierung von Finanzdienstleistungen, obwohl sie diesen im WPA zwischen der EU und Japan zugestimmt hat. Das Angebot der EU bezüglich der Aufenthaltsdauer für kurzfristige Geschäftsreisende (Modus 4) ist weniger großzügig als CETA und enthält nicht die in EU-Mexiko gefundene Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung. (…)

Insgesamt fällt es uns schwer zu erkennen, was das Vereinigte Königreich, das einzigartig unter Ihren Handelspartnern ist, so unwürdig macht, dass man ihm nicht die Art von Regelungen anbietet, wie sie in modernen Freihandelsabkommen üblich sind.

Drittens, zu den „gleichen Wettbewerbsbedingungen“: (…) Unsere Vorschläge lehnen sich eng an ähnliche Vereinbarungen an, die die EU bereits mit ähnlichen Ländern vereinbart hat, insbesondere im Rahmen des Freihandelsabkommens mit Kanada. Kommissar Hogan beschrieb die kanadischen Bestimmungen im März als „solide und in einem ausgedehnten Netz zugrunde liegender internationaler Konventionen und Abkommen verankert“ (…)

Die EU fordert Großbritannien jetzt auf, sich zu viel mehr als nur dem zu verpflichten. Ihr Text enthält neuartige und unausgewogene Vorschläge, die dieses Land an EU-Recht oder -Standards binden und die Institutionen vorschreiben würden, die wir schaffen müssten, um diese Bestimmungen zu erfüllen. Um ein besonders ungeheuerliches Beispiel zu nennen: Ihr Text würde vom Vereinigten Königreich verlangen, dass es einfach die EU-Beihilfevorschriften akzeptiert; er würde es der EU, und nur der EU, ermöglichen, den Handel mit dem Vereinigten Königreich mit Zöllen zu belegen, wenn wir gegen diese Vorschriften verstoßen; und er würde von uns verlangen, dass wir einen Durchsetzungsmechanismus akzeptieren, der dem Europäischen Gerichtshof eine besondere Rolle zuweist. Sie müssen sehen, dass dies einfach keine Bestimmung ist, die irgendein demokratisches Land unterzeichnen könnte, denn es würde bedeuten, dass das britische Volk nicht unsere eigenen Regeln beschließen könnte, um unsere eigenen Industrien in unserem eigenen Parlament zu unterstützen. Ähnliche Probleme treten in den Bereichen Arbeit, Umwelt, Klimawandel und Besteuerung auf. Wir waren uns darüber im Klaren, dass das Vereinigte Königreich hohe Standards haben wird, und in vielen Fällen höhere Standards als die in der EU. Wir können jedoch keine Angleichung an die EU-Vorschriften, das Erscheinen von Konzepten des EU-Rechts oder Verpflichtungen zur internen Überwachung und Durchsetzung akzeptieren, die für ein Freihandelsabkommen ungeeignet sind.

(…)  Alles in allem ist das, was in diesem Moment in den Verhandlungen angeboten wird, keine faire Freihandelsbeziehung zwischen engen Wirtschaftspartnern, sondern ein Handelsabkommen von relativ geringer Qualität, das mit einer beispiellosen EU-Aufsicht über unsere Gesetze und Institutionen zustande kommt.

So muss es nicht sein. Ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es für uns sehr einfach wäre, ein modernes und qualitativ hochwertiges Freihandelsabkommen und andere gesonderte Abkommen zu vereinbaren, wie Sie sie mit anderen engen Partnern in der ganzen Welt vereinbart haben, und dass wir dies schnell tun könnten. (…)

DAVID FROST

Sherpa und EU-Berater

 

Nun, das Vereingte Königreich könnte ein hochwertiges Abkommen anstreben, vielleicht zu einem Zeitpunkt wenn der „liebe Michel“ und Dr. Merkel in Rente gegangen sind. Ein Nicht-Abkommen wäre weniger für die Insel, als für den Kontinient – insbesondere für Deutschland – nachteilig. Das ergibt sich banal aus dem Umfang der jeweiligen Exporte.

Die deutschen Medien berichten traditionell vom perfiden Albion, welches Rosinen pickt (wo bitte gibt es in Brüssel Rosinen? Allenfalls Rosinen im Kopf) und wünschen „GOTT strafe England“. Ob das nach drei fehlgeschlagenen Versuchen (Napoleon, Wilhelm und Adolf) endlich mal klappt?

Der gesamte Brief ist unter https://www.achgut.com/artikel/ungeregelter_brexit_brief_aus_london_fuer_monsieur_barnier nachzulesen.

 

Grüße an den V-Schutz. Bitte Kontrollmitteilung an die Zollverwaltung.