Taktischer Besuch Orbáns in Rom

Der ungarische Premier Victor Orbán will sich demnächst mit Dr. Merkel in Berlin treffen, um die Bedingungen auszuhandeln, unter denen die Regierungspartei Fidesz eventuell in der Europäischen Volkspartei verbleiben könnte. Falls es nicht klappt, sollte man einen Plan B haben. Ein Besuch heute abend in Rom lotet die Möglichkeit aus, sich der konserativen Fraktion im EU-Parlament anzuschließen.

Anlaß war die Eröffnung der Nationalen Konservativismus-Konferenz. Das ist eine von der Edmund Burke Stiftung organisierte Konferenz, die im Jahr 2000 von konservativen Jugendlichen in den Niederlanden gegründet wurde, eine Konferenz über Gott, Ehre und Nation.

Der Mitteilung der Fratelli d Italia (FdI) zufolge trafen sich Giorgia Meloni und Viktor Orbán vor dem Eröffnungsabend der Konferenz. „Das Treffen diente dazu, die politischen Beziehungen und die gemeinsamen europäischen Ansichten zu stärken. Wir wollen ein Europa, das stark ist und sich der Identität verschiedener Nationen bewußt ist und das letztendlich auf der Seite der Völker und nicht der Lobby steht „, sagte FdI-Sprecherin Maria Cristina Caretta.

Im Gespräch mit der Presse sagte Meloni, sie habe nicht mit Viktor Orbán über die Beziehung zwischen Fidesz und der Europäischen Volkspartei (EVP) gesprochen. Wenn sich jedoch die Wege von Fidesz und EVP trennen würden, würde sie sich freuen, wenn Fidesz der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) beitreten würde.

Vor der Konferenz nannte Giorgia Meloni den ungarischen Premierminister im italienischen Nachrichtenfernsehen von Tg24 einen „Verbündeten“. Sie betonte auch, daß sie die Geld- und Steuerpolitik der ungarischen Regierung, den ungarischen Grenzschutz, das „fantastische“ Familienhilfesystem und die Vorbilder der „Anti-Islamisierung“ als vorbildlich betrachte. Giorgia Meloni fügte hinzu, die Europäische Union habe sich „verletzt“ gefühlt, weil Viktor Orban einer der Regierungschefs gewesen sei, der der Ansicht war, „die Zugehörigkeit zu Europa bedeutet nicht, die nationale Souveränität aufzugeben“. „Ungarn verteidigt seine Unabhängigkeit gegenüber der EU, die in die Freiheit der Nationalstaaten einzugreifen scheint“, sagte Meloni.

Giorgia Meloni wird am Dienstag nach Washington reisen, um bei einem sogenannten Nationalen Gebetsfrühstück mit US-Präsident Donald Trump zu sprechen.

Analysten haben darauf hingewiesen, daß Giorgia Meloni in den Augen der amerikanischen konservativen Kräfte die ihnen am nächsten stehende europäische rechte Flügelfrau darstellt. Meloni, die 2020 vom Time Magazine als eine der wichtigsten politischen Akteure benannt wurde, hat die FdI mit derzeit 12 Prozent zur zweitgrößten rechten Macht Italiens vor der Forza Italia (FI) von Silvio Berlusconi gemacht. Giorgia Meloni betonte, daß die FdI das Recht in Italien vertreten. Sie fügte hinzu, daß die Fratelli nicht mit der von Matteo Salvini angeführten Lega konkurrieren würden.

Nun, sie sollte lieber ehrlich sein: Konkurrenz belebt auch das politische Geschäft.

Orbán baut gegenüber Dr. Merkel eine Drohkulisse auf: den Plan B, falls sie nicht einlenkt. Der Auszug der FIDESZ aus der EVP würde einschließlich der beiden befreundeten ungarischen Parteien KDNP und UDMR immerhin 15 Parlamentarier umfassen.

 

Beitragsbild: Giuseppe Conte italienischer MP (rechts) begrüßt MP Orbán Viktor (links) in Róm. Fotó: MTI/Miniszterelnöki Sajtóiroda