Heiße Sommer ohne Volkspädagogik

Früher freuten sich die Leute über heiße Sommer. Ich kann mich noch an 1982 und 1983 erinnern, da konnte man echt was mit dem Wetter anfangen, selbst ohne Urlaubsplatz vom FDGB.

Die Partei ließ damals noch Filme drehen, wenn mal anständiges Wetter war. 1968 „Heißer Sommer“ mit Frank Schöbel und Chris Dirk. Das waren zwei Sänger, die man im Osten nicht kannte, weil man die Heule mit Radio Luxemburg quälte. Meine Mama wollte, daß ich mir den Film angucke, aber der war eher was für die Generation Methusalem und Ötzi. Urst peinlich, nach fünf Minuten war Sense.

Es war die Zeit, wo sich die Stones- und die Beatles-Fans im Freibad prügelten. Dabei konnte kein Mensch auch nur irgendeinen Text übersetzen. Aber das war unwesentlich. Der schlechte Ruf der Stones war bis in die Zone vorgedrungen, es ging um ein Lebensgefühl.


Ich hätte Chris Dirk nicht mal mit der Kneifzange angefaßt. Meine Freundin hätte den angepaßten Schleimer Schöbel in den Hintern getreten. Aber immerhin endete der Streifen nicht mit einem volkspädagogischen Hinweis auf die globale Bedrohung durch die Erderwärmung.

Auch Otto Reutters Bericht über den Sommer 1911 enthält keinen Fingerzeig auf die Klimakatastrophe.

O Leute weint, heut reiß ich keine Witze,
denn ich beginne mit  ’nem Trauermarsch.
Ich will berichten von der großen Hitze;
im Sommer Neunzehnhundertelf war’sch.
An diese Hitze denken auch noch heute
bis in die fernsten Zeiten alle Leute.

Das war ein Sommer hell und klar,
so heiß, wie wohl noch keiner war.
„Wer weiß noch“ frug man müd und matt
„wann’s letzte Mal geregnet hat?“

Die Leute sannen hin und her,
nicht mal die ältsten wußten’s mehr.
O schöne Zeit, o sel’ge Zeit,
wie liegst du fern, wie liegst du weit.

In diesen Sommer hat man viel geseh’n,
ein Ding nur blieb im tiefsten Winkel stehen,
das war ein Ding, für das ich riesig schwärm,
es war ein aufgespannter Regenschärm.

Nichts ist schwerer zu ertragen,
Als ’ne Reih‘ von schönen Tagen.
Vom April bis zum Oktober
Glüht die Sonne wie Zinnober.
Alle gingen an der See ‚rum,
Ging’n im tiefsten Negligee ‚rum.
Selbst den Frau’n ward alles schwerer,
Sie wurden immer negligérer.

Durch die Hitze, sollt man’s glauben –
Gab es gleich gebrat’ne Tauben.
Jeder Apfel an dem Baume
Ward gebacken, wie ’ne Plaume –
Jedes Hühnlein in der Scheuer
Legte hartgekochte Eier.
Jede Kuh gab gern und willig
Warme, selbstgekochte Millich.

In den Restaurants, o Wonne –
Gab’s nur Warmes durch die Sonne.
Warmes Bier nur bracht‘ man her. –
Klaten Aufschnitt gab’s nicht mehr.
Butter wurde Suppenfutter,
Käse wurde Mayonaise,
Würste flossen, hingegossen.
Selbst die Sülze sprach: „Ich schmilze!“

„Wasser!“ schrie’n die reichsten Prasser.
Selbst die Bayern schrie’n nach Wasser.
Unsre Kriegesdiplomaten
Mußten beim Beraten braten.
Selbst der drallsten Bauerndirne
Rann der Schweiß schon von der Stirne.
Von der Dirne heiß
Rinnen muß der Schweiß.

Den Nordpol, den wird niemand mehr ergründen.
Der ist geschmolzen, – keiner kann ihn finden
Und alle Mädchen, – auch die prüden, stolzen,
Die war’n verliebt, denn alle Herzen schmolzen
Die Männer, die sind ohne Rock gegangen,
Das durften sich die FRau’n nicht unterfangen.
Der Vater, Mutter, Bruder, Onkel, Vetter,
Selbst die Friseure sprachen nur vom Wetter.

(…)