Der Große Sprung von vdL
Ursula vdL will Europa bis 2050 klimaneutral machen, und zwar ohne Rückfahrkarte. Schon letztere Vision der Unumkehrbarkeit irritiert mich. Das Märchen vom Rad der Geschichte besagt, daß es sich immer nach vorne drehen muß. Nach einem anderen Modell herrscht ein endloser Kreislauf, in dem sich alles wiederholt. Lieber Leser, entscheide selbst!
Maos „Großer Sprung“ wurde 1958 begonnen und bereits ab 1959 schrittweise abgeblasen, nachdem offenkundig wurde, daß der Führer einen Sprung in der Schüssel hatte. Der Aufbau des Kommunismus endete in Deutschland schon nach 45 Jahren und das Tausendjährige Reich dauerte sogar nur zwölf Jahre. Napoleons Experiment eines Supereuropa war großzügig gerechnet – mit dem Konsulat – nach sechzehn Jahren am Ende. Alle großen Pläne scheiterten relativ schnell an den Realitäten. Insofern ist vdLs Planungshorizont über 30 Jahre schon recht mutig.
Überhaupt: Der Übergang zur Planwirtschaft deckt eine erschreckende Unbelehrbarkeit der heutigen CDU-Kader auf. Planwirtschaften sind in Europa alle gescheitert: Die Kriegswirtschaft in Deutschland von 1914 bis zur Währungsreform 1949 sollte doch eigentlich abschreckendes Exempel genug sein, genauso wie die Pläne der Russenzeit. Als ich in die Schule kam, hing an der linken Wand des Klassenraums eine lange Wandzeitung zum Siebenjahrplan. Das Leuchtturmprojekt war die Erdöltrasse Druschba. Sie wurde mit nur vier Monaten Verspätung fertig und leitete den Übergang von der Kohle- zur Erdölwirtschaft ein. Denkste! Ab 1978 kam das Kommando zurück und es wurde wieder alles auf Kohle umgestellt. Diese unproduktive Kampagnenwirtschaft ist der eigentliche Grund Planwirtschaft zu betreiben. Innovation kann man nicht planen, Planung läuft immer auf quantitative Ziele hinaus, nie auf qualitative.
Maos „Großer Sprung“ hatte einige Ähnlichkeiten mit vdLs Initiative. Die Industrie sollte von zentraler Großindustrie auf örtliche Kleinunternehmen umgebaut werden. Die ländlichen Volkskommunen begannen dilettantisch vom Rohstahl über Elektroenergie bis zur Maomütze alles dezentral herzustellen. Damit sollten erklärtermaßen Transporte eingeschränkt werden. Der große Vorsitzende warb dafür, kein Fleich mehr zu essen. Unter dem Strich litt die Effizienz, die Bauern wurden in Projekte eingespannt, von denen sie nichts verstanden und die Getreideproduktion ging wegen der Kollektivierung erheblich zurück. Bereits 1959 kam es zu ersten Hungerrevolten. Das Ziel des „Großen Sprungs“ war es Großbritannien zu überholen. Dabei wurden die schiere Menge des erzeugten Rohstahls und des Getreides zum Maßstab erhoben, alles andere war wurscht. So wie es heute nur noch um die Menge des CO2 geht. Tunnelblick nennt man das.
Wie heute in den MSM breitete sich in den chinesischen Medien ein grenzenloser Optimismus aus, der sich teilweise bis zum Wahnsinn steigerte. Angetrieben wurde der Höhenflug durch die angestrebte und angekündigte überragende Getreideernte von prognostiziert 525 Mio. Tonnen. Tatsächlich geerntet wurden übrigens sehr unterdurchschnittliche 143 Mio. Tonnen.
Die Wissenschaft stand Gewehr bei Fuß und fand heraus, daß alles was die Parteizeitungen wollten, zum gigantischen Erfolg führen würde. Der führende sowjetische „Wissenschaftler“ Trofim Lyssenko vertrat die Ansicht, daß von Pflanzen und Tieren einmal erworbene Eigenschaften problemlos vererbt würden. Gene gäbe es nicht. Eine Jagd der Presse auf erfundene Züchtungserfolge setzte ein. Die Propagierung der Theorien von Lyssenko und Mitschurin führten zu Berichten der Lügenpresse über angeblich erfolgreiche Kreuzungen nicht näher miteinander verwandter Pflanzen wie beispielsweise Baumwolle mit Tomaten oder Kürbissen mit Papayas. Xinhua, die Lügenschneiderei der Partei. die in Kleber-Manier politisch Korrektes wie vom Fließband produzierte, berichtete über Pflanzen mit ungewöhnlich großen Früchte oder Ährenständen. So würden Kürbisse nicht mehr 13, sondern 132 Pfund wiegen, Reisähren würden nicht mehr 100, sondern 150 Reiskörner tragen. Völlig enthemmt wurde jeder gewünschte Unsinn zusammengelogen. Genossen erklärten unhinterfragt, sie würden Schweine züchten, die drei Meter lang seien. Das erinnert alles stark an die Berichterstattung zur Energiewende, insbesondere zur Speicherung von Elektroenergie.
Beeinflusst von dem sog. „Wissenschaftler“ Trofim Lyssenko hatte Mao versichert, daß Pflanzen derselben Art nicht miteinander um Licht und Nährstoffe konkurrieren würden. Die Pflanzabstände wurden drastisch verringert. Erfahrenen Bauern war klar, dass diese Maßnahmen zu schlechteren Erträgen führen würden, aus Furcht, bestraft oder gar als Rechtsabweichler verurteilt zu werden, wagten sie nicht zu widersprechen. Es war dasselbe Klima der Denunziation und kopfloser Hetze wie heute in Deutschland.
Die an die Zentralregierung 1958 gemeldeten, meist stark übertriebenen Zahlen ließen für Baumwolle, Reis, Weizen und Erdnüsse hohe Ernten erwarten. So ging die Zentralregierung von einer Ernte von 525 Millionen Tonnen Getreide aus, nachdem 1957 die Ernte noch 195 Millionen Tonnen betragen hatte. Als Nikita Chruschtschow im August 1958 zur Visite in Peking eintrudelte, dozierte Mao über den gigantischen Erfolg des Großen Sprungs nach vorn. Man habe so viel Reis, daß man nicht wisse, was man damit anfangen solle. Gleichzeitig gab es draußen im Land die ersten Plünderungen von Getreidelagern, weil die Mägen knurrten. Peking war damals so ein trudelndes Raumschiff, wie heutzutage Berlin oder Brüssel.
Eine große Medienkampagne wurde mit der Führerin einer Frauenvereinigung gestartet, die aus ihrem Haus auszog, um dessen Mauern als Dünger zu Verfügung zu stellen. Zwei Tage später waren bereits 300 Häuser, fünfzig Rinder- und hunderte von Hühnerställen abgerissen, um als Dünger zu dienen. Bis Ende des Jahres wurden mehr als 50.000 Gebäude pulverisiert. Erinnert uns das nicht an die Stillegung der Kern- und Kohlekraftwerke? Oder an die Tinihäuser?
Als gegen Ende der Druck weiter wuchs, wurden, statt Stahl zur Weiterverarbeitung für nützliche Geräte zu produzieren, nützliche Geräte zu unbrauchbarem Schrott eingeschmolzen, während die Journalisten genüßlich in den Planerfüllungsprozenten der Stahlproduktion schwelgten.
Da die nationalen Ziele auf Parteitreffen in verhältnismäßig kurzen Abständen immer wieder höher gesetzt wurden, führte dies in der Summe zu einer inflationären Zielsetzung bis auf Dorfebene hinab. Widerspruch gegenüber dieser Zielsetzung war auf allen Ebenen mit dem Risiko verbunden, als Rechtsabweichler verurteilt zu werden. Man sieht: Der Kampf gegen Rächts ging zur Not auch ohne Björn Höcke als „völkisches“ Schreckgespenst. Ohne Trump und ohne Salvini.
Bruder und Sister, vergeßt euren relativen Wohlstand, den Generationen von fleißigen Malochern erarbeitet haben. Die Berliner sind das dritte Mal seit 1914 dabei alles aufs Spiel zu setzen. China war wirtschaftlich erst Mitte der 60er Jahre wieder dort angelangt, wo es 1957 den Faden verloren hatte. Etwa 40 Mio. Chinesen waren zwischenzeitlich verhungert. Westdeutschland hatte erst 1955 wieder das Lebensniveau der Dreißiger erreicht. Im Osten dauerte das bis 1990. Trotzdem gibt es schon wieder eine paranoide Lust am Risiko.
Ich kann nur immer wieder staunen, wie leicht die Hell- und Besserdeutschen westlich von Elbe und Werra ideologisiert werden konnten. Wie solche IQ-Tiefflieger wie die momentane Polit“elite“ glaubt, sie könne durch den Blödsinn, den jeder vernünftige Mensch als Blödsinn auch problemlos erkennt, den Lauf von Welt und Geschichte so ändern, wie sie es visioniert. Und noch mehr staune und wundere ich mich, dass kein Mensch aus dieser „Elite“ den Mut hat, der Merkelclique das Handwerk zu legen.
Ja, Hajo – so ist es.
Die „Reeducation“ nach WK II war im Westen sehr effektiv.
Jetzt übernehmen das die treudoofen Wessis gerne selbst.
Gut – die dummen Linke-Wähler im Osten haben auch ein Rad ab.
Was zu dem Schluß führt – dass trotz politischer Gleichschaltung der Ossi sich weniger manipulieren ließ.
Hat offensichtlich auch was mit Wohlstand zu tun – Brot und Spiele.
Im Osten gab’s keine Spiele – da war die Lage ernst und man hatte für Mätzchen keine Muse und keine Zeit.
@ Cindy
Wir haben doch in diesem Lande sehr ähnliches.
Denken wir nur an die Kampagnen über Reichtum der Menschen in diesem Lande oder von Demokratie und Rechtsstaat. Oder von der unübertroffenen Intelligenz von Zuwanderern. Oder, warum Bildung und Schulabschlüsse wenn man auch ohne diese zu Posten und Spitzeneinkommen gelangt.
Warum über vergangene Marotten marxistischer Wunderheiler reden, denkt das Gute liegt so nah!
Denkt immer daran eure Vorfahren kamen auch einmal aus dem Ural und damit dürften die Verwandtschaftsverhältnisse und das Verhalten geklärt sein.
Nach dem Artikel „Geheimrede auf dem XXXIII. Parteitag der CDU“ wieder Analyse mit vorzüglicher Unterhaltung verbunden – vom Feinsten + Danke Dr. Prabel.
Herr Dr. Prabel – eine Fachfrage zum Artikel:
War es auch Lyssenko, der das berühmte sowjetische Getreide „erzogen“ hat – Getreide wie Telegrafenmasten?
Also – für Fischer_*In und Besserwessis:
Es gab seinerzeit in der Sowjetunion Getreide wie Telegrafenmasten.
Natürlich waren die Halme nicht so stark wie Masten,
auch waren die Halme nicht so hoch wie Masten.
Aber die Abstände waren ziemlich ähnlich.
Ich kenn den so: Anfrage an Radio Jerewan: Stimmte es daß das Getreide in der Sowjetunion so hoch wird wie Telegrafenmasten? Im Prinzip ja. Die Abstände sind sogar noch größer.
Ja – so war das Original.
Wollte es unseren westlichen Mitlesern nicht ganz so schwer machen.
Sie wissen schon, Herr Prabel – Pisa. 🙂
Apropos Pisa.
Mit Ihrer ‚Feststellung’…
„Mit Russland wäre Deutschland noch weiter hinten in der Rangliste“
… haben Sie Ihre Kenntnisse zur Lernstandserhebung unter Beweis gestellt.
Wenngleich Russland kein Mitglied der OECD ist, ist es dennoch Teil der Pisa-Studien.
Bitte aufschlauen.
Fischer, hier mal die veröffentlichte Dummheit der Einheimischen:
http://www.spiegel.de/fotostrecke/witzige-schuelerantworten-debakel-in-geschichte-fotostrecke-130709.html
http://www.welt.de/berlin/article2105010/Heinrich_Boell_hat_die_Berliner_Mauer_errichtet.html
Was ist los, Piether?
Dürstet es Ihnen nach Aufmerksamkeit oder warum ersuchen Sie um Verschwendung meiner Lebenszeit?
Der Verwandtschaftskoeffizient „Ossi Süßgras“ ist mir geläufig.
Also, was genau ist Ihr Begehr?
Sie überschätzen sich und ihren hießigen Marktwert absolut – Sie sind hier nicht im Dienst.
Es ging mir ausschließlich um Ihre „Teilhabe“ an einer Art Humor, die Ihnen so fremd ist wie Empathie für nichtbeamtete Mitmenschen aus dem östlichen Universum.
Danke für die zeitgeschichtliche Erinnerung; das gleichartige Spiel der Staatsmedien ist trotz des riesigen räumlich / zeitlichen Abstandes geradezu gespenstig!
Mit dieser Einschätzung kann ich leider nichts anfangen: „Diese unproduktive Kampagnenwirtschaft ist der eigentliche Grund Planwirtschaft zu betreiben. Innovation kann man nicht planen, Planung läuft immer auf quantitative Ziele hinaus, nie auf qualitative.“ Sozialismus / Gemeinwirtschaft / Abschaffung freier Märkte ist zwangsläufig Planwirtschaft / wirtschaftlicher Ruin / Diktatur. Dazu müssen wir garnicht die DDR bemühen, die heutige Bundesrepublik funktioniert im Prinzip ebenso und wird sich deswegen ähnlich glanzlos aus der Geschichte verabschieden.
Werter Herr Dr. Prabel, eine sehr amüsante Erinnerung! Mitschurin, den hatte ich glatt vergessen.
Waren da nicht auch Apfelbäume die im Schnee des Nordpoles wuchsen?
Die Idee stammt von Frau Bärbock. Wenn es immer wärmer wird besteht die Gefahr, dass am Nordpol Apfelbäume wuchern, die Eisbären die verschlucken und sterben. Wie Schneewittchen.