Höcke und Mussolini

Höcke darf nun mit juristischem Segen „Faschist“ genannt werden. Zeit für einen Vergleich mit dem italienischen Duce.

Mussolini erfreute sich im Unterschied zu Höcke des Wohlwollens des deutschen Linksadels. Immer wieder wurde er beispielsweise in Tucholskys „Weltbühne“ als Intellektueller gefeiert. Und nicht nur er persönlich, auch der Faschismus als solcher kam gut weg. Der linkselitäre Autor Kurt Hiller schrieb exemplarisch im Januar 1926 in der „Weltbühne“ unter dem Titel „Mussolini und unsereins“ ein bewunderndes Essay über den Kraftkerl aus der Poebene:

„Demokratie heißt: Herrschaft jeder empirischen Mehrheit; wer wollte bestreiten, daß die Mehrheit des italienischen Volkes seit langem treu hinter Mussolini steht? […] Mussolini, man sehe sich ihn an, ist kein Kaffer, kein Mucker, kein Sauertopf, wie die Prominenten der linksbürgerlichen und bürgerlich-sozialistischen Parteien Frankreichs und Deutschlands und anderer Länder des Kontinents es in der Mehrzahl der Fälle sind; er hat Kultur. […] Wenn ich mich genau prüfe, ist mir Mussolini, dessen Politik ich weder als Deutscher noch als Pazifist noch als Sozialist ihrem Inhalt nach billigen kann, als formaler Typus des Staatsmannes deshalb so sympathisch, weil er das Gegenteil eines Verdrängers ist. Ein weltfroh-eleganter Energiekerl, Sportskerl, Mordskerl, Renaissancekerl, intellektuell, doch mit gemäßigt-reaktionären Inhalten, ist mir lieber, ich leugne es nicht, als ein gemäßigt-linker Leichenbitter, der im Endeffekt auch nichts hervorbringt, was den Mächten der Beharrung irgend Abbruch tut.“

Was diejenigen, die Höcke gelegentlich als Rassisten bezeichnen, vermutlich nicht bedacht haben: Mussolini war zeitlebens ein Gegener des Rassismus.  Bei der Gründung seiner Bewegung waren ein Drittel Juden anwesend. Er war sehr verärgert, als ihm Hitler einen Vortrag darüber hielt, daß die Italiener durch Negerblut belastet seien. Wenn man Höcke als Faschisten brandmarkt, so gesteht man ihm also zu kein Rassist zu sein. Das wird man in Bornhagen auf der Habenseite sicher erfreut zur Kenntnis nehmen.

Der Sport verbindet Höcke und den Duce. Höcke ist ja Sportlehrer und fährt gerne Rennrad. Mussolini interessierte sich für das Fechten, das Fliegen, Reiten und Schiefahren.

 

 

Wo Mussolini und Höcke sich dagegen unterscheiden, ist das Verhältnis zur Kunst. Die faschistische Bewegung kam vom Futurismus und zog sich nach 45 wieder in ihn zurück. Obwohl ich mich zwei Jahre im Umfeld von Höcke rumgetrieben habe, sind mir künstlerische Ambitionen des thüringer AfD-Sprechers nicht geläufig.

 

 

Ein Blick auf Mussolinis Geschmack: In Sabaudia, der Hauptstadt des in den 30ern trockengelegten pontinischen Sumpfgebiets, begegnen wir einem nationalen Historismus, der viele Anklänge an das Bauhaus hat, der im Schnitt leichter ist, als Adolfs steifer Spätklassizismus. Kein Wunder: Das Bauhaus kam ja unter anderem auch vom italienischen Futurismus.

Während in Deutschland die abstrakte Kunst unter das Verdikt der Nationalsozialisten fiel, waren die italienischen Futuristen und Dadaisten nicht nur Anhänger, sondern Antreiber der faschistischen Bewegung. Die 1932 eröffnete Ausstellung Mostra della Rivolutione Fascista zeigte vornehmlich modernistische Kunst. Mit der sowjetischen Staatskunst stand die italienische Kunst seit der Biennale 1924 in ständigem Kontakt. Stalin gab Mussolini 1932 Hinweise zur Anreicherung der faschistischen Liturgie.

Diese enge Verbindung zum Bolschewismus kann man Höcke nun wiederum nicht nachsagen. Er bekommt von Bodo Ramelow vermutlich keine Hinweise, wie er seine Demos noch effizienter gestalten kann.

Mussolini wollte das Mittelmeer und den Balkan beherrschen. Landschaften für die sich Höcke definitiv nicht interessiert.

Man könnte noch seitenlang solche amüsanten Vergleiche führen. Ich will es bei diesem kurzen Ausflug belassen.

Wenn Höcke Faschist ist, kann man den Spieß auch rumdrehen und Mussolini als „Alternativen“ hinstellen. Dann wäre er ein ganz netter Kerl gewesen. Aber da tut man dem Duce unrecht: Bürgerlich wollte der Mordskerl, Renaissancekerl, überhaupt nicht sein. Siehe das obige Essay von Kurt Hiller.

Noch ein Blick in die thüringische Parteipolitik. Höcke wird seitens des medial-politischen Komplexes nachgesagt eine Führerpartei anzustreben. „Il Duce a  sempre ragione“ (der Führer hat immer recht), hieß es 1925 bis 1943 in Italia. Und auch aus Deutschland kennen wir diese Aussage 1933 bis 1990. Ich bin relativ eigenständig, wie man als Leser dieses Blogs seit 2013 nachverfolgen kann.  Trotzdem bin ich noch nie in die Schußlinie von Höcke geraten, auch als ehemaliges Mitglied des Landesvorstands nicht.

Vorher war ich bis 2009 in der CDU, deren Kreisverband seit 2003 von Mike Mohrig geleitet wurde. Da fanden immer wieder Säuberungen statt und nur extreme Kriecher konnten etwas werden. Wegen geringsten Vergehen wurden Leute kaltgestellt. Mohrings Konkurrentin um den Bundestagswahlkreis – Vera Lengsfeld – hatte die Mittelstandsvereinigung MIT gegründet. Alle, die daran teilgenommen hatten, kamen auf die schwarze Liste. Nun ist die CDU sicher kein Maßstab für demokratische Tugenden. Wenn sie das wäre, so würde man erkennen, daß die thüringer AfD im Innern wesentlich liberaler geführt wird, als die christdemokratische Konkurrenz. Auch wenn in einem Sportlehrer immer ein Antreiber steckt.

Auch bei den thüringischen Grünen ist innerparteilich die Diskussion um den besten Weg unter die Räder gekommen. Eine kleine Clique um KGE, Lauinger und Co. hat dank der Ressourcen der Landtagsfraktion inzwischen das Übergewicht in den Gremien erlangt und kann – was Personalien betrifft – schalten und walten. Eine Führerpartei ensteht immer wieder sehr schnell. Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen.