Das Elend der Ortsteilbürgermeister
Sie haben nichts zu sagen, werden von den Bürgern aber verantwortlich gemacht, wenn die Laterne nicht brennt, der Rasen nicht gemäht ist und die Kindergartenplätze nicht reichen: Die Ortsteilbürgermeister, in Hessen offensichtlich Ortsvorsteher genannt. Ich würde mir so einen Job nicht antun. Ein richtiger Bürgermeister einer selbständigen Gemeinde kann die Mängel selber abstellen, ein Ortsteilbürgermeister kann nur bitteln und betteln. In der Regel ist er nicht einmal Mitglied des Gemeinderats. Die meisten Wünsche – in der Regel per Mail an die Gemeindeverwaltung versendet – werden ihm abgeschlagen.
Nun hat sich in in einer Waldsiedlung in Hessen ein Jemand von der NPD für diesen wirklich undankbaren Job gefunden. SPIEGEL Online berichtete über die Vorgeschichte: „Am Ende (einer Sitzung des Ortsbeirats) erklärte Vorstand Klaus Dietrich (FDP), dass er ab sofort nicht mehr für das Amt des Ortsvorstehers zur Verfügung stehe. „Der Grund der Funktionsniederlegung ist die politische Wirkungslosigkeit des Gremiums Ortsbeirat“, heißt es zur Erklärung in der Niederschrift.“
Statt sich mal über die Unsitte der Eingemeindungen aufzuregen und für die Kommunalisierung der Ortsteile zu kämpfen wird der ganze Kübel der Empörung über die Ortsbeiräte von CDU, SPD und FDP ausgegossen, die einen Dummen von der NPD als Ortsvorsteher gefunden hatten. Der SPIEGEL noch einmal: Die Entscheidung für den Rechtsextremen sei aus der Not geboren. „Da wir keinen anderen haben – vor allem keinen Jüngeren, der sich mit Computern auskennt, der Mails verschicken kann.“
Wenn der Ortsbeirat ohnehin politisch wirkungslos ist, könnte man sogar jemanden von der Mauermörderpartei wählen, ohne daß ein Schaden entsteht. In Thüringen, Bremen und Brandenburg regiert die Linke sogar auf Landesebene mit. Und das ist nicht „politisch wirkungslos“.
Wir müssen mal anfangen beim Thema zu bleiben und uns über die Kommunalverfassung Gedanken zu machen. Ortsteile sind der Demokratie Tod.
Nun, eine bedachte Ausdehnung von Zuständigkeiten und Befugnissen der Kommunalpolitik hätte mitunter einen begrüßenswerten Nebeneffekt.
Es wäre des Populismus‘ Ende.
Wollen Sie das etwa, Doc?
Es war einmal irgendwo in der Provinzeine „Waldsiedlung“. In dieser suchten die Gemeindevertreter verzweifelt einen Ortsvorsteher. Keiner wollte es sein oder werden. In den Parteizentralen kannte man die Probleme, die es überall gab, landauf und landab.
„Was juckt uns denn das Pille-Palle von Kleinkleckersdorf und anderen Kuhblöken der abgehängten Landstriche hier im Konrad-Adenauer-Haus und im Willy-Brand-Haus? Damit geben wir Höherstehenden uns nicht ab! Dafür sind wir zu vornehm, das ist Kleinkram für das Fußvolk und den Straßenpöbel.“
So kam es (wie es kommen musste) zu diesem einzigartigen Betriebsunfall der Demokratie.
O, wie schlimm! Die Damen und Herren Gralshüter der Demokratie im fernen Berlin waren völlig überrascht und überfordert. „Was?“ rief Herr Klingbeil, „ein Nazi als Ortsvorsteher? Wie konnte denn das passieren?“
Ich fand eine Anekdote, die erklärt, wie etwas, was man regelmäßig für ausgeschlossen hält, Wirklichkeit wird.
Barbara B., die Tochter von Herrn B., erwartete mit 20 Jahren das erste Kind. Es gab Komplikationen, und Herr B. wurde von der Mutter unterrichtet. Herr B. war völlig überrascht. „Was?“ rief er, „das Kind kriegt ein Kind? Wie konnte denn das passieren?“
(Quelle: Müller/Semmer „Geschichten vom Herrn B.“ – Kindler Verlag GmbH, 1968, S. 80)
Wie demokratisch unsere politischen Spitzenkräfte so denken konnte man aus den Reaktionen erkennen. So nach dem Motto: Die Wahl muss sofort wiederholt werden usw. usf. Selbst DDR 1 und DDR 2 haben darüber berichtet, obwohl sie ja sonst die überregionale Bedeutsamkeit bei vielen Ereignissen nicht erkennen können.
„……Für die AfD ist der Supergau von Altenstadt eine Steilvorlage, die sie cool versenkt. Landessprecher Robert Lambrou teilte am Sonntag mit: „CDU, SPD und FDP haben in der Wetterau ein Extremismusproblem. Im Gegensatz zur CDU, SPD und FDP hat die AfD in Hessen noch nie NPD-Politiker zu Ortsvorstehern gewählt und wird so etwas auch in Zukunft nicht tun“, sagte Lambrou. (rb)…..“
@ Cindy
Zu diesem Lambrou sage ich lieber mal nichts. Das würde garantiert gelöscht. Es ist aber oftmals besser, die Schnauze zu halten, auch wenn der Hafer noch so juckt.
Es ist einfach nur beschämend, wie dumm eigentlich unsere Politiker sind. Völlig demokratiefeindlich reagieren die vermeintlichen „Größen“ der Altparteien und spielen ihr falsches Lied von den Partituren ihrer Selbstherrlichkeit. Bis auf die Knochen haben sie sich vor den Augen der Welt lächerlich gemacht, wenn ihnen die ausländische Presse erst erklären muss, wie eine der kleinsten politischen Zelle in unserem Land funktioniert.
Der Ortsbeirat hat überhaupt keine politischen Kompetenzen. Die Aufgabe eines Ortsteilbürgermeisters erstreckt sich auf das Betteln, um die Wünsche der Bürger erfüllen zu können. Ein großer Teil seiner Arbeit verwendet er für administrative Angelegenheiten und verwaltungstechnische Aufgaben. Er ist, präzise gesagt, der Hausmeister eines Ortsteil, der nach dem Rechten sieht und die Lampen am Brennen hält.
Auch wenn ich kein Freund rechtslastiger Parteien bin, geht es mir gehörig gegen den Strich wenn gegen einen Mann in aller Öffentlichkeit so schmutzig vorgegangen wird, dem nichts angelastet werden kann. Mit Fug und Recht kann Herr Stefan Jagsch eine öffentliche Entschuldigung verlangen und sich nicht mit einem vorgefertigten Schreiben abkanzeln zu lassen. Wieder so ein Schriftstück, hinlänglich bekannt, mit vielen „aber“ und dass alle wieder mal alles falsch verstanden haben, als es gemeint war.