Das Grenzenlose und das Soziale

Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man entwickelt ein Sozialsystem, wo diejenigen, die einzahlen – und deren Angehörige – auch die Nutznießer der Leistungen sind. Oder man entkoppelt Ein- und Auszahlung, was zu Folge hat, daß die Zahler viel mehr einzahlen müssen, als sie erhalten, weil Nichteinzahler Leistungen in Anspruch nehmen können. Die altbekannte Einwanderung in das Sozialsystem.

Das staatlich verordnete bundesrepublikanische Sozialsystem ist so konstruiert, daß es Grenzen braucht. Als staatliches Zwangssystem um dessen Geltungsbereich logisch staatliche Grenzen mit Stacheldraht und Toren. Und die Schließung der Flughäfen, ersatzweise die Kontrolle der Einreise.

Ich lese immer Berichte aus dem Phantasialand von „eigentümlich frei“. Nach der libertären Lehre bräuchte es keine Grenzen, weil es auch keine öffentlichen Sozialsysteme gibt, die man plündern kann. Die Wanderungsanreize wären gering, wenn man dort selbst für sich verantwortlich wäre, wo man hin will. Sozialversicherungen wären im libertären Zukunftsstaat – oh Gott jetzt habe ich mich verplappert, einen Staat gibt es dann wie in Karl Marxens Kommunismus nicht mehr – dann private Institutionen, die die Aufnahme von Leuten auch verweigern könnten. Es würde im letzteren Fall verschiedene Versichertenkollektive geben, die jeweils einen gleichen oder ähnlichen Lebensstil teilen. Zum Beispiel Leute, die arbeiten. Und in einem anderen Kollektiv die Lebenskünstler. Und so weiter. Letzteres Modell der Privatversicherung ist in Deutschland im Ersten Weltkrieg im Strudel der Kriegsanleihen untergegangen, es ist weder tradiert, noch durchsetzbar.

Kurz, wer in staatlichen Zwangssystemen Grenzenlosigkeit fordert, ist ein Träumer oder er will das System zerstören.

Gerade habe ich eine Handreichung der Linken „Stoppt die AfD“ in die Hand bekommen. Die Linke war in Apolda so freundlich sich an einer Gegendemo zu beteiligen, so daß ich auf dem Marktplatz die Gelegenheit hatte, das Heftchen zu ergattern. „Unsere Alternative heißt soziale Gerechtigkeit“ steht auf dem Titelblatt. Über die Nazivorwürfe habe ich mal flink hinweggelesen, weil ich die schon von der Vorgängerpartei kannte. Ist halt Berliner Folklore. Die Genossen sehen wohl Claus Klebers Aktuelle Kamera. Also zum Sozialen:

Die Linke findet am AfD-Programm zum Beispiel schlecht, daß die Rente nicht bei einem bestimmten Lebensalter, sondern nach 45 Arbeitsjahren abschlagsfrei gezahlt würde. Ich finde das nicht so abwegig. Wer mit 16 anfängt in einem Handwerksberuf zu arbieten ist mit 61 lange rentenreif, der verbummelte Politikstudent, der nicht vorankommt, weil er Rauschgift nimmt und deshalb erst mit Anfang 30 seine erste Anstellung findet, ist dann mit 75 dran. Ist das so schlecht?

Zu den Kosten der Asylkrise äußert sich die Linke im Prinzip so, daß man das Geld dafür durch Bekämpfung der Steuerflucht und durch Erbschaftssteuern erwirtschaften könnte. Man muß sich dazu mal die Größenordnungen des Steueraufkommens ansehen. Für 2017 ein paar Zahlen. Zuerst die Steuern, die überwiegend von Arbeitnehmern bezahlt werden:

2017 Mrd. €
Lohnsteuer 196
Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer 226
Tabaksteuer 14
Mineralölsteuer 41
Stromsteuer 7
EEG 30
GEZ 8
Soli 18
Summe 540

Dann die Steuern, die überwiegend von Selbständigen und Kapitalgesellschaften gezahlt werden bzw. Zinseinkünfte betreffen:

2017 Mrd. €
veranlagte Einkommenssteuer 59
nicht veranlage Steuern vom Ertrag 21
Zinsabschlagssteuer 7
Körperschaftssteuer 16
Gewerbesteuer 53
Summe 156

Bei einem Gesamtaufkommen von etwa 156 Mrd. € zusätzlich 100 Mrd. durch Bekämpfung der Steuerflucht zu ergattern scheint mir sehr ehrgeizig zu sein. Bundesfinanzminister Olaf Scholz beißt sich daran gerade wie vorher schon Schäuble, Steinbrück und Eichel die Zähne aus.

Auf den ersten Blick sieht man, daß das Ziel sozialer Gerechtiglkeit viel eher durch den Wegfall von Armensteuern erreicht werden kann, als durch weitere nebulöse Steuererhöhungen. Sicher wäre es sinnvoll, die Kapitalerträge wieder mit dem persönlichen Steuersatz zu belasten, was von der rotgrünen Bundesregierung abgeschafft worden war. Auch sollten die Steuerschlupflöcher im Stiftungsbereich geschlossen werden, was zusätzlich zweistellige  Milliardenbeträge von Unternehmen in die Staatskasse bringen würde. Es gibt auf der Einnahmenseite einiges zu tun, aber zum Beispiel die Abschaffung von GEZ, EEG und Stromsteuer hätte für die kleinen Leute viel mehr Volumen, als die Erhöhung der Erbschaftssteuer von derzeit etwa 6 Mrd. € auf meinetwegen das doppelte bringen würde.

Auf der Ausgabenseite müßte gespart werden. Kein Mensch begreift, daß das Bundeskanzleramt mittlerweile drei Milliarden € verplempert, oder daß der Bundestag über 700 Abgeordnete haben muß. Alle Landesparlamente sind stark überbevölkert. Auch die politischen Stiftungen sind so notwendig wie ein Kropf. Förderprogramme in Milliardenhöhe für Hokuspokus wie zum Beispiel Genderforschungen sind nicht im öffentlichen Interesse.

Von der Abschaffung der Armensteuern wie Tabaksteuer, Hundesteuer, EEG, Biersteuer und GEZ ist weder im Programm der Linken, der SPD und der Grünen die Rede, im CDU-Programm natürlich auch nicht. Die AfD würde ohne jeden Zweifel das EEG und die GEZ schrotten, was pro sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten etwa 1.100 € im Jahr bringen würde. Der Soli steht übrigens auch auf der blauen Abschußliste.

EEG und GEZ sind deshalb so ekelhaft, weil sie einkommensunabhängig wie Kopfsteuern wirken. Dagegen haben erstaunlicherweise alle vier Linksparteien nichts einzuwenden.

Ich habe die junge Dame, die dabei war, als ich mir das Heftchen genommen habe, nach dem Studium desselben aufgesucht und auf das Fehlen der Armensteuern aufmerksam gemacht. Sie drehte sich zur Seite und lächelte. Ein guter Anfang. Man soll die Hoffnung nie aufgeben. Ich würde bei der erforderlichen Überarbeitung mit Zahlenmaterial gerne behilflich sein.