Baukörper als Herrschaftszeichen
Eine große Welle der Empörung schwappt das zehnte mal durch die Medien. Die AfD wollte doch wieder mal in Buchenwals einen Kranz niederlegen und der Opfer des Konzentrations- und Speziallagers gedenken. Und darf wieder nicht dabeisein. Durch alle Medien wird es breitgetreten. Nun hole auch ich einen Uralteintrag von 2015 vor, der offensichtlich ein Evergreen ist.
Es ist sicher der verkehrte Weg, gleiches mit gleichem vergelten und die architektonische Kulisse der Kranzniederlegungen zu skandalisieren. Aber immer wenn man die Gedenkstätte sieht, überkommt einen Mißbehagen. Wegen der nationalsozialistischen Pylonensemantik des ganzen Bauensembles.
Der Glockenturm besteht beispielsweise aus den Baurückständen des nicht mehr fertiggestellten Weimarer Gauforums und die Massengräber mit den dazwischenstehenden Stelen auf der Straße der Nationen sind im Stil des Nationalen Historismus errichtet worden. Statt dieses Ensemble der ästhetischen Verwirrung langsam verfallen zu lassen und etwas neutraleres, dezenteres und intimeres herzustellen, wurde diese Gasse im Geschmack der beiden großen Diktatoren des 20. Jahrhunderts gerade aufwändig restauriert.
Schon „Straße der Nationen“ ist so ein Unbegriff. Juden waren keine Nation. Und Katholiken beispielsweise auch nicht. Es wurden ja nicht Nationalisten getötet, sondern zwangsweise oder freiwillig zum Wehrdienst eingezogene Personen mit unterschiedlichen Lebenswegen und Gedanken. So eine langweilige Pylonenreihe, wie sie Hitler und Stalin auf ihren Prachtstraßen ständig bauen ließen, ziert diesen Weg. Mit den streng eingefaßten Massengräbern wird jede Individualität der Opfer optisch in Frage gestellt. Da liegen nun im Mauerrring alle einträchtig zusammen, die sich im Leben auf den Tod nicht leiden konnten: Sozialdemokraten, Katholiken, Stalinisten und Juden. Die Krönung: der Turm. Es waren die bereits fertig behauenen Steine für den Campanile des Gauforums, die auf dem Buchenwald zweckentfremdet wurden. Hatten die Erbauer gar kein Gefühl, daß Architektur auch etwas aussagt? Daß die Architekturhinterlassenschaften Hitlers und Stalins Herrschaftszeichen waren?
Es ist durchaus kein Zufall, daß Stalin und Hitler einen ähnlichen Geschmack hatten. Auch Mussolini ließ in Rom-Süd Ähnliches errichten. Eine Mischung aus Grobschlächtigkeit, Stumpfsinn und Klassizismus. Was für Zwangscharaktere.
Als Adolfs und Josefs letzte Rache nimmt man die Gedenkstätte unter architektonischen oder stilistischen Gesichtspunkten wahr. Es wäre sehr teuer das alles zu ändern. Aber man könnte ja wenigstens mal drüber nachdenken und in kleinen Schritten was verfallen lassen. Die Gedenkstättenleitung weicht diesen Themen aus und beschäftigt sich lieber mit Kranzschleifchen, die nach 14 Tagen irgendwo im Müll rumkullern.
Es gibt aber starken Trost: Die wirklichen Opfer sind vermutlich in den Himmel gekommen und die Bolschewiken und Nationalsozialisten in die Hölle. Das kann man mit ägyptisierenden und brutalen Bauformen nicht verhindern und mit betreuten Kranzniederlegungen nicht beeinflussen. Der Liebe Gott arbeitet unabhängig von der Landesregierung, der Gedenkstättenleitung, Frau Knobloch, dem zwangsfinanzierten Staatsfernsehen und den dunkelgrünen Gazetten.
Man muss dazu sagen, dass der *Nationalsozialismus* keinen eigenen Baustil entwickelte, sondern – wie Stalin – den *Klassizismus* (1760 und 1840) für öffentliche Bauten und den *Heimatstil* für Wohngebiete übernahm. Symmetrie und Palladio`s Formprinzipien blieben weitgehend erhalten. Es wurden lediglich funktionelle Verbesserungen vorgenommen, die Neufert–Normen zugrunde gelegt und die handwerklichen Sparten bei der Erstellung präzise organisiert. Insgesamt blieb die Architektur des *3. Reiches* der Vergangenheit verhaftet. Man kann diskutieren, ob sie eine Art neo–klassizistischer Stil war oder dem *Biedermeier* entstammte.
Hier zeigte sich auch ein kulturelles Versagen der Nazis. Zwar erkannten sie besser als spätere Experten, dass moderne Bauhaus–Architektur eine „kulturbolschewistische“ Basis hat und auf proletarischen Grundsätzen beruht, sie konnten aber – ebenso wie die folgenden Demokratien – keine moderne, zukunftweisende Alternative entwickeln. Die *Postmoderne* zeigt erste zaghafte Ansätze.
Einspruch:
Diese Architektur und das entindividualisierte Konzept verdeutlichen den damaligen Zeitgeist. Ein Ersatz würde vor allem die gegenwärtige Gedenkkultur repräsentieren. Schlimmstenfalls entstünde sowas wie das zentrale Holocaust-Mahnmal.
Die Befürchtung habe ich auch. Darum würde ich alles erst mal verfallen lassen. Und wenn die 68er und die Merkel alle tot sind, vielleicht ein kleines Biedermeiergedenksteinchen.
Den „Einspruch“ habe ich nicht ganz verstanden. Wie gesagt, der „damalige Zeitgeist“ drückte sich formal im längst vergangenen Klassizismus (1760–1840) aus. Es war keine „nationalsozialistische Pylonensemantik“, sondern die des Palladio, die dieser jedoch nicht so plump praktizierte. Ich meine, die Bauten gehören zu einem historischen Ensemble, das sicher böse Erinnerungen weckt, aber man sollte sie nicht durch modernistische oder andere „Herrschaftszeichen“ ersetzen. Falls Sie das meinten, stimme ich überein.