Der Verfassungsschutz stärkt die AfD

Derzeit haben tatsächlich einige AfD-Funktionäre Angst vor Merkels Schwarzem Mann in Gestalt des Verfassungsschutzes. Es sind meistens Leute aus den Alten Ländern, die die Bedingungen der Arbeit in der Illegalität noch nie selbst erlebt haben. Einige Vorstandsmitglieder mißbrauchen die Verfassungsschutzdebatte aber auch nur, um innerparteiliche Gegner wie Höcke zur Strecke zu bringen. Man erkennt wieder die zwei Strategien, die miteinander streiten: Die einen, die die Illusion haben, man könne sich bei den Mainstreammedien doch noch Lieb Kind machen um die bürgerliche Mitte zu erreichen. Und die anderen, die diese vage Hoffnung angesichts des immer enger werdenden legalen Meinungskorridors lange aufgegeben haben.

Es ist deshalb an der Zeit anhand historischer Beispiele nachzusehen, was staatliche Repression für Ergebnisse bringt. Sechs Beispiele:

Exempel 1: Der Kulturkampf mit der katholischen Kirche (1871 bis 1878)

Der so genannte „Kanzelmissbrauch“ wurde im § 130a untersagt, der am 10. Dezember 1871 in das Strafgesetzbuch eingefügt wurde:
„Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge; oder welcher in einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstande einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft.“

Bei Beendigung des Konflikts (1878) waren 1.800 katholische Pfarrer inhaftiert und Kircheneigentum im Wert von 16 Millionen Goldmark beschlagnahmt worden. Zu den auf Grund dieser Gesetze Verurteilten zählten unter anderem der Erzbischof von Posen Mieczysław Halka von Ledóchowski und der Trierer Bischof Matthias Eberhard. Ledóchowski wurde zur Höchststrafe von zwei Jahren verurteilt. Eberhard wurde als zweiter preußischer Bischof am 6. März 1874 verhaftet und zu einer Geldstrafe von 130.000 Mark und neun Monaten Haft verurteilt.

Soweit Wikipedia. Natürlich waren die vielen Inhaftierten in den Augen ihrer Anhänger Märtyrer. Das katholische Zentrum hatte bei Ausbruch des Konflikts 63 Abgeordnete im Reichstag, bei Beendigung der offenen Feindseligkeiten im Jahr 1878 waren es bereits 94. Auch die Polnische Fraktion im Reichstag wuchs von 13 (1871) auf 14 (1878) an.
Das Projekt der Spaltung der Katholischen Kirche war nach sieben Jahren Unterdrückung gescheitert. Der Grund für die Beendigung des Kulturkampfs war der beabsichtigte Feldzug gegen die Sozialdemokratie. Einen Zweifrontenkrieg gaben die Verhältnisse im Reichstag nicht her.

Exempel 2: Die Sozialistengesetze (1878 bis 1890)

Aufgrund des zunächst auf zweieinhalb Jahre befristeten und danach regelmäßig verlängerten Sozialistengesetzes wurden Unterverbände, Druckschriften und Versammlungen der Sozialdemokraten, namentlich der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) und ihr nahestehender Organisationen, vor allem Gewerkschaften, verboten. Verstöße gegen das Gesetz wurden oft mit Geldstrafen oder auch mit Gefängnishaft geahndet. Viele Sozialisten setzten sich unter dem politischen Druck des Gesetzes ins ausländische Exil ab, vor allem nach Frankreich, der Schweiz oder England.
Nach § 28 des Sozialistengesetzes wurden 797 Sozialdemokraten als „Agitatoren“ aus Orten ausgewiesen, in denen der „kleine Belagerungszustand“ verhängt wurde, darunter als Hochburgen der Sozialisten Berlin, Leipzig, Hamburg und Frankfurt am Main.

Ein wesentliches Ziel des Sozialistengesetzes, die Reduzierung der Stimmen für die Sozialdemokraten bei den Reichstagswahlen, wurde nicht erreicht – im Gegenteil: Hatten die Sozialdemokraten 1881 nur 311.961 Stimmen erhalten, waren es 1884 bereits 549.990, 1887 763.128 Stimmen, 1890 sogar 1.427.000 Stimmen.

Soweit wieder Wikipedia. 1878 hatten die Sozialdemokraten 9 Sitze im Reichstag, bei Beendigung der Verfolgung 1890 waren es 35. Erneut waren Märtyrer und Helden produziert worden, die wie der „rote Postmeister“ Julius Motteler legendären Ruf erlangt hatten.

Exempel 3: Der Nationalsozialismus (1933 bis 1945)

Der Nationalsozialismus machte keine halben Sachen. Die Wünsche der Jugendbewegten nach Parteifreiheit wurden 1933 zu 100 % erfüllt und alle politischen Organisationen außer der Staatspartei verboten. Wer sich widersetzte kam ins KZ oder bekam Berufsverbot. Als 1949 erstmals wieder gewählt wurde, hatten alle demokratischen Parteien ein deutlich besseres Ergebnis als im Januar 1933.

Die SPD verbesserte sich von 18,3 auf 29,2 %, die christlichen Parteien erreichten statt 15 % stattliche 38,3 % und die Liberalen wuchsen von knapp 2 auf 11,9 %.

Die Vergleichbarkeit ist dadurch beeinträchtigt, daß in den neuen Ländern 1949 nicht mitgewählt wurde und daß viele Wähler noch im Ausland weilten, insbesondere versprengte Vertriebene und Kriegsgefangene.

Der ganze staatliche Druck hatte am Ende nichts gebracht. Man hatte sich in Berlin buchstäblich totgesiegt. Kurt Schumacher und Konrad Adenauer hatten wegen den gegen sie ergriffenen Maßnahmen in ihren Parteien und darüber hinaus Heldenstatus.

Exempel 4: Der Stalinismus (1945 bis 1990)

Beim Brandt-Besuch im Frühjahr 1970 in Erfurt zeigte sich exemplarisch die Wirkungslosigkeit der politischen Hetze. Seit der Bundestagswahl im September 1969 lief in der Zone die ideologische Kampagne gegen den Sozialdemokratismus auf Hochtouren. Ohne Wirkung. Die Polizeikette auf dem Erfurter Bahnhofsvorplatz wurde durchbrochen und die Willy-Brandt-Fans standen so dicht, daß niemand umfallen konnte. Natürlich gab es hinterher Repressalien, aber die Betroffenen waren wieder mal die Helden. 16 Jahre später war der Stalinismus am Ende, Glasnost und Perestroika kamen in Moskau in Mode.

Die Zahl der politischen Gefangenen in der DDR wird auf knapp eine Viertelmillion geschätzt, der Kulturkampf und das Sozialistengesetz waren Kindergeburtstage dagegen. Trotzdem alles umsonst. Der Sozialismus in seinem Lauf wurde vom sächsischen Ochs und vom thüringischen Esel aufgehalten, nachdem der russische Bär sein Interesse an der Käfighaltung der Deutschen verloren hatte.

Exempel 5: Die „Normalisierung“ (1968 bis 1989)

Nach dem Einmarsch der Sowjetarmee in die Tschechoslowakei bekam der frisch ernannte Statthalter Gustav Husak 1969 den Auftrag die Gesellschaft zu „normalisieren“, das heißt die Verhältnisse der 50er und frühen 60er Jahre zu rekonstruieren. 500.000 unzuverlässige Mitglieder wurden aus der Partei rausgeworfen, 500.000 Leute verloren ihren Job und wurden Heizer wie Jiri Dienstbier, Gärtner oder Straßenkehrer.

Das Prager Terrorregime war nicht nachhaltig. Am 17. November 1989 begannen die Unruhen in Prag. Eine Demo von 50.000 Leuten wurde noch zusammengeprügelt. An den Folgetagen versammelten sich jeweils 800.000 Tschechen in Prag bis sie die verhaßte Regierung weggeputscht hatten. Der größte Triumpf für Tschechen und Slowaken war der Tag, als der Reformer Dubcek auf dem Balkon stand, aus der Versenkung wieder auftauchte.

Ein bewegendes Bild.

Exempel 6: Das Kriegsrecht (1981 bis 1983/89)

1980 kam es auf der Danziger Leninwerft zu „Störungen im Arbeitsrhythmus“, wie das „Neue Deutschland“ die Streiks nannte. Die Demokratiebewegung weitete sich schnell auf ganz Polen aus. Die Ostberliner Statthalter schlossen sofort die polnische Grenze um Ansteckung zu vermeiden.

Das Kriegsrecht in Polen 1981–1983 (stan wojenny) war eine Maßnahme des Warschauer Satrapenregimes unter Wojciech Jaruzelski, um die Gewerkschaft Solidarność zu zerschlagen. Es war mit der Militarisierung von Verwaltung, Wirtschaft und Medien, der Aufhebung von Bürgerrechten sowie einer das ganze Land erfassenden Verhaftungs- und Repressionswelle verbunden.

Mehr als 3000 Personen wurden sofort in Haft genommen, darunter fast die gesamte Führung der Solidarność, viele oppositionell eingestellte Intellektuelle, aber auch einige frühere Spitzenfunktionäre der PVAP, darunter Edward Gierek. Die Solidarność selbst wurde verboten. Die Fernsehnachrichten verlasen Offiziere in Uniform. Die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit wurde eingeschränkt, Schulen und Universitäten geschlossen. Für das ganze Land galt eine Ausgangssperre. Die Telefonverbindungen zwischen den Großstädten wurden nach Verhängung des Kriegsrechts für 29 Tage vollständig abgeschaltet. Im Laufe der Zeit wurden etwa 10.000 Helden interniert.

Alles für die Katz. Als 1989 die halbfreien Wahlen ausgezählt waren, stellte die Gewerkschaftsliste 99 von 100 Senatoren. Ganz Polen stand wie ein Mann hinter der Gewerkschaft.

Zusammenfassung:

Es gibt zumindest in Europa kein besseres Konjunkturprogramm für die Freiheit, als staatliche Repression. Alle staatlichen Versuche oppositionelle Bewegungen zu schwächen, haben zu deren Stärkung geführt. Egal aus welcher politischen Richtung die Gewaltakte und Zersetzungsmaßnahmen kamen. Die AfD sollte die Beobachtung durch den Verfassungsschutz nicht provozieren. Sie sollte aber auch keine Angst vor dem Papiertiger im Hosenanzug haben.

Jedwede gerne herangeführte Vergleiche mit der NPD und den Republikanern sind nicht zielführend, weil diese Parteien durch zahlreiche Spitzel des Staats verdeckt gelenkt wurden. Ein NPD-Verbot scheiterte vor Gericht just an diesem Umstand.

So wie im Nationalsozialismus und Stalinismus kann die Merkelkamarilla nicht wüten, weil Deutschland in die Institutionen der EU eingebunden ist. Irgendwo wird eine Grenze des guten Geschmacks erreicht werden, wo unsere europäischen Freunde der egomanischen Haßkanzlerin und ihren spezialdemokratischen Helfern in den Arm fallen werden. Bereits jetzt sind einige wenige Oppositionelle ins Ausland emigriert. Der Osten Deutschlands befindet sich nicht mehr unter einer hermetisch dichten Käseglocke wie in den 80ern, die von Leonid Breshnjew und Egon Bahr zugehalten wurde.

Eher sind die derzeitigen Verhältnisse mit dem Kaiserreich vergleichbar. Damals wurde in Rom, in der Schweiz, in Dänemark und in London katholischer und sozialdemokratischer Gegenwind erzeugt. Der Papst ernannte den im preußischen Zuchthaus sitzenden Posener Erzbischof zum Kardinal. Die Londoner Druckerpressen rotierten fleißig, um sozialdemokratische Pamphlete zu drucken. Europa war immer wieder nützlich, wenn in Berlin letztlich erfolglos am großen Rad der Geschichte gedreht wurde.

Beim großen Rad und dem verbeamteten Verfassungsschutz, fällt mir natürlich der Vers des Ostberliner Bänkelsängers Biermann ein:

Und sagt mir mal: Wozu ist gut
Die ganze Bürokratenbrut?
Sie wälzt mit Eifer und Geschick
Dem Volke über das Genick
Der Weltgeschichte großes Rad
– die hab ich satt!