Die umstrittene Währungsreform
Ein neuer trüber Stern in der Milchstraße der Fakenews ist aufgegangen: Anett Selle. Am 10.08.2017 hatte sie in der WELT durch einen sehr eigenwilligen Eintrag auf sich aufmerksam gemacht:
„Ich will hier niemanden diskriminieren. Wirklich nicht. Es gibt genug Sexismus auf dieser Welt, ohne dass ich dazu beitrage. Aber es gibt auch biologische Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Und die führen eben dazu, dass Männer schlechte Journalisten sind.“
Normalerweise hätten Chefredakteur Ulf Poschardt, Herausgeber Stefan Aust und der Chef über alles Dr. Döpfner reagieren können, sie zeigten sich jedoch schmerzfrei wie Indianer am Marterpfahl.
Nun habe ich allerdings einen Post von ihr gefunden, der zwar nicht beweist, daß Frauen schlechtere Journalisten sind als Männer, der allerdings den Verdacht erhärtet, daß die Lügenpresse eine Art Flusensieb ist, wo sich der intellektuelle Abrieb fängt. Ich denke, die WELT braucht einen neuen Kaderleiter. Kaderleiter, weil es sich mittlerweile wohl eher um ein Organ der Linkspartei handelt, als um eine konservativ-liberale Zeitung.
Am 25.4.2018 schrieb Selle den Eintrag: „Die D-Mark löste eine Depression aus“ und beleuchtete unter dieser Headline wieder mal das unbekannte Wesen, den rätselhaften Ossi.
„Viele Menschen im Osten haben Angst vor sozialem Abstieg – trotz Aufschwung und Rekordbeschäftigung. Woran liegt das? Die Anthropologin Ursula Dalinghaus sagt, die Währungsunion 1990 habe den Osten traumatisiert.
Ist Ostdeutschland ein Entwicklungsgebiet? Wer hier wohnt, findet durchschnittlich weniger Jobs, hat weniger Aufstiegschancen, verdient weniger Geld als in Westdeutschland.“
Es ist das sattsam bekannte Geschreibsel über die Herstellung der deutschen Einheit, der eine hochleistungsfähige Industrie in Sachsen, Thüringen, Mecklenburg und Brandenburg zum Opfer fiel. Und mit ihr die Menschen. Aber war diese Industrie wirklich so effizient?
Die Kombínate hatten spätestens am 13. August 1961 den Kontakt mit dem sogenannten „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“, also mit der Realität der Marktwirtschaft weitgehend verloren. Sicher, es gab einige Kader, die die Verbindung mit dem Westen vermittelten und einen Export mit billigen Konsumgütern und Antiquitäten abwickelten. Aber das waren oft keine Fachleute und Ingenieure, sondern zuverlässige Apparatschiks, von denen man erwarten konnte, daß sie nicht desertierten. 28 Jahre Blindflug von 1961 bis 1989 gingen nicht spurlos an der Volkswirtschaft vorbei. Zwei Beispiele aus der damaligen Praxis.
1983 arbeitete ich als Ingenieur bei Ratioprojekt Weimar. Das erste mal, daß ich indirekt mit einer Planung in Berührung kam, die für den Westen erbracht wurde: Es handelte sich um den Schlachthof Bagdad. Es gab keine Reißwölfe, und so wurden die Mängelschreiben der Araber nicht vernichtet. Sie kursierten stapelweise im Betrieb und die Rückseiten wurden als Schmierpapier benutzt. Am laufenden Band wurden seitens der Auftraggeber Behauptungen aufgestellt, daß die Planungen nicht dem tender (auf Deutsch dem Angebot) entsprachen. Schreiben gingen hin und her, aber niemand hatte Bagdad je gesehen und wußte was da los war. Eine Stadt aus Tausendundeinernacht, in der Alibaba und die 40 Räuber unbekannterweise Mängelanzeigen am laufenden Band produzierten. Zum Schluß stellte sich heraus, daß die Tore zu klein waren und die Kamele nicht durchpaßten. Die Araber stellten die Zahlungen ein. Fernplanung ohne Ortskenntnis funktioniert nicht.
Die andere Verbindung mit dem Westen war die Ankunft zweier Schneider-Computer im Betrieb. Sie waren auf abenteuerlichen Wegen über asiatische Hochgebirgspfade nach Rußland geschmuggelt worden und von dort fanden sie über den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe den Weg nach Deutschland. Es wurde eine Kommission gegründet, die die Anwendung dieser Embargoware organisierte. Zunächst mußten die Rechner und die Gebrauchsanweisungen „neutralisiert“ werden. Das heißt die Firmenschilder mußten ab und in den Gebrauchsanweisungen mußte alles unkenntlich gemacht werden, was auf den Hersteller hinwies. Dann wurde beschlossen, die beiden Rechner in der Haustechnikplanung anzuwenden, was gar nicht so dumm war. Zwei Haustechniker arbeiteten sich ein. Nach einem halben Jahr gingen beide Rechner kaputt. Es gelang jedoch mit vereinten Kräften aus zwei Rechnern einen gangbaren zu machen. Das Leben ging mit halber Kraft auch ohne Garantie weiter. Das waren die beiden Westkontakte, die ich in 28 Jahren mitbekam.
Noch eine Impression: In den Achtzigern arbeitete ich in einem Baubetrieb, der auch für die Kreisplankommission von Weimar-Land zu tun hatte. Einmal kam ich in Tannroda zu einer Bestandsaufnahme in einem metallverarbeitenden Betrieb. Es war Winter und kalt. Die Fenster waren kaputt und die Arbeiterinnen standen in einem ungeheizten Raum in gefütterten Stiefeln und Wattejacken an den Maschinen. Letztere waren durchweg vor 1944 angeschafft worden. Sicher es brauchte viel Können, um an diesem Maschinenpark was zustande zu bekommen. Ich habe mal mitbekommen, wie in der Werkstatt der ZBO Weimar-Land aus einer großen Metallplatte in wochenlanger Arbeit mit prähistorischen Dreh- und Fräsmaschinen ein Ersatzzahnkranz für einen Picco II (für die Wessis: ein Dumper) hergestellt wurde. Ob die Arbeiter wirklich so gefrustet waren, als sie nicht mehr in ungeheizten Hallen rumstehen mußten? Sicher, bei der Abwicklung der Industrie wurde vieles falsch gemacht. Einige Betriebe hätten überleben können, wenn sie nicht die Kosten der Abfindungen hätten tragen müssen. Andererseits: In die ZBO Weimarer Land unterstand als Genossenschaftseigentum nicht der Treuhand, und die Beschäftigten entschieden sich in einer Abstimmung für die Abfindung und gegen die Weiterführung des Betriebs. Einige bedauerten das – allerdings Jahre später.
Und Frau Selle phantasiert sich leistungsfähige DDR-Kombinate zusammen, die mit mehr Zeit und einer Billigwährung vielleicht überlebt hätten. Ein simples Gedankenexperiment läßt ihre ganze Lügenwelt zusammenbrechen. Sowohl vor dem Weltkrieg II wie auch in der Russenzeit waren die ostdeutsche und die tschechische Industrie auf Augenhöhe. Die ostdeutsche Industrie kam 1990 mit der D-Mark in Berührung, die tschechische nicht. Nach der Theorie von Anett Selle hätte sich die tschechische Wirtschaft ohne die „D-Mark-Depression“ günstiger entwickeln müssen, als die ostdeutsche und die Tschechen wären nicht so traumatisiert.
Das tschechische BSP betrug 2017 18.100 € pro Kopf, das ostdeutsche wurde bereits 2014 mit 26.650 € ermittelt. So schädlich kann der D-Mark-Schock also nicht gewesen sein. Die Tschechen haben noch heute ihre Krone, die dem schwächelnden Euro gegenüber immer wertvoller wird. Wenn Frau Selle mal einen Vergleich der ehemaligen Mitglieder des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe geführt hätte, so wäre wohl herausgekommen, daß der gräßliche D-Mark-Schock noch am heilsamsten war. Man könnte noch Polen, Rumänien, Ungarn, die baltischen Republiken und Bulgarien in einen Vergleich einbeziehen. Alle konnten mit ihrer eigenen Währung weiterwursteln, aber es hat nichts gebracht.
Die sächsische und die tschechische Autoindustrie haben übrigens eins gemeinsam: Die Betriebe gehören sowohl in Zwickau wie in Pilsen dem niedersächsischen Konzern VW. Eine nationale Industrie muß in allen Ostländern erst noch entwickelt werden.
Bei all den Realitäten und Phantasien über du mitteldeutsche Industrie: die DDR hatte mit Boykott und Sanktionen zu kämpfen, bei denen im Vergleich dazu die Sanktionen gegen den Iran wie Samtpfötchen erscheinen. Und zwar 40 Jahre lang.
Die DDR hat die Jahre seit Mitte der 70er nur durch künstliche Beatmung mit West-Krediten bis 1989 überlebt. Soviel zu Sanktionen.
@ Eloman Völliger Quatsch. Ich weiß zwar nicht, woher Sie Ihre Informationen haben, aber von der DDR haben Sie keinen blassen Schimmer. Besorgen Sie sich mal die Studie der Uni Bremen zur Finanzsituation der DDR. Die DDR hatte eine so geringe Staatsverschuldung, wie sie die BRD nie hatte. U.a. weil sie nirgendwo Kredite auf dem Weltmarkt bekam. Wer Ihrer Meinung hätte die DDR subventioniert? Die 2 Milliarden von Strauß? Lachhaft.
Die DDR war ein einziger Trummerhaufen. Da funktionierte ausser der Stasi mal gar nix. Ohne Westkredite, Transitgebühren und verscherbeln der Industrieproduktion an Westkonzerne wie IKEA wäre die ganze Bude schon viel früher zusammengebrochen. Und übrigens, ich gehöre zu den wenigen Wessis, die sich diesen Trummerhaufen in den 70ern mal richtig von innen anschauen konnten. Soviel zu „keine Ahnung“.
Sie müssen schon verstehen; der User hat die alleinige Deutungshoheit.
Mit dieser Bremer Studie tritt er hier nicht zum ersten Mal auf.
Er begreift dabei nicht, daß die DDR – so wie jeder andere sowjetkommunistische Staat auch -, betriebswirtschaftlich gesehen im Wesentlichen eine einzige riesige Firma war; zumindest bis zur Öffnung der Grenzen. Marktwirtschaftliche Beziehungen gab es im offiziellen Binnenhandel dabei nicht; nur im informellen Sektor.
Alles lief in der Planwirtschaft per Befehl von oben.
Um überhaupt irgendetwas zu retten, konnten nur marktwirtschaftliche Strukturen geschaffen werden, was ja auch unter dem Label „Entflechtung“ und Verkauf von „Unternehmen“ lief – mit „Unternehmen“ waren dabei die kurz zuvor in Kapitalgesellschaften umbenannten Filialen des DDR-Staatskapitalismus gemeint, die sich sämtlich in „Volkseigentum“ befanden. Ob das nun besser oder schlechter lief, bleibt dahingestellt.
Daß die DDR-Wirtschaft seit Honeckers Sozialprogramm mit Beginn der 70-iger Jahre in zunehmendem Tempo auf Verschleiß gefahren wurde, kann ich als Ossi nur bestätigen.
Ich lernte den äußeren und inneren Zustand von manchem DDR-Betrieb kennen. Das Prabelsche Beispiel der Arbeiter in Wattejacken und Filzstiefeln in Betriebsstätten mit zerschlagenen Fenstern ist nur ein besonders drastisches.
Und daß die DDR durch die Besonderheiten des deutsch-deutschen Verhältnisses bzw. des innerdeutschen Handels (also dem zwischen der DDR und der Alt-BRD) ein heimliches Mitglied der EWG/EG war und daraus besonderen Nutzen gegenüber anderen Sowjet-Satelliten zog, sollte nicht unerwähnt bleiben.
Der User hebt mit der angeführten Bremer Studie darauf ab, daß die Verschuldung der DDR (wohlgemerkt die betriebswirtschaftlich gesehen riesige Firma DDR!) vergleichsweise gering gewesen wäre.
Jetzt weiß ich nicht genau, welchen Erkenntnisgewinn er nun genau von Ihnen erwartet.
Sollte die DDR weiter als eine einzige riesige Firma bestehen bleiben?
Oder wurde den entflochtenen Unternehmen, die ja aufgrund ihrer fiktiven besonders geringen Schuldenlast wie eine V1 ins neue marktwirtschaftliche Zeitalter hätten durchstarten können, dieses nur durch finstere Machenschaften verwehrt?
Und eine Frage ist absolut nicht beantwortet worden. Welche Firmen (ob nun der Superkonzern DDR oder aber die entflochtenen Unternehmen) können denn durchstarten, wenn ihnen das wichtigste Kapital überhaupt, das Humankapital bzw. deren besten Vertreter, massenhaft davonlaufen?
Das Wort „Kreditwürdigkeit“ fiel dabei überhaupt nicht!
Kreditwürdigkeit wird nicht durch finstere Kräfte, sondern in der Marktwirtschaft durch komplexe Entscheidungen der im Wirtschaftsleben Handelnden erreicht.
Die sowohl materiell als auch moralisch verrottete DDR hatte dabei die denkbar schlechtesten Karten.
Die DDR hatte damit zu kämpfen, dass entgegen den Lügen der DDR-Regierenden die DDR-Produkte kein Weltmarktniveau hatten.
Wenn man nichts zu bieten hat, kriegt man auch keinen Kredit – klar, mit den richtigen Scheuklappen vor dem Kopf nennt man das dann „Boykott“. Als DDR-Jugendlicher bin ich mal im Trabi von Leipzig nach Dresden und zurück gefahren, auf der Rückbank. So was vergisst man sein ganzes Leben lang nicht. Und nicht zu vergessen die Raserei, mit der sich die „Ossis“ auf Westprodukte gestürzt haben – das beweist wirklich alles über den Wert der DDR-Erzeugnisse. Man muss es eben selbst erlebt haben, Herr Blaschke, bevor darüber redet.
Ein kurzer Überblick:
https://www.welt.de/wirtschaft/article134088763/Die-DDR-war-in-Wahrheit-gar-nicht-pleite.html
Nicht zahlungsunfähig, aber heruntergewirtschaftet. Man könnte spotten und sagen, selbst Helmut Kohls Milliardeninvestitionen haben die Fluchtursachen nicht beseitigt. A. Merkel sollte sich das mal überlegen.
Der Sozialismus scheitert eben immer und überall. Zitelmanns neues Buch „Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung“ belegt das wiederum aufs neue.
Wenn die BRD vierzig Jahre lang auf dem Weltmarkt sanktioniert wäre und keine Möglichkeiten hätte sich mit ungedeckten Schecks immer mehr zu verschulden, wäre sie nicht nur heruntergewirtschaftet sondern auch noch pleite. Dazu braucht mir kein Superwessi, der sich super mit Billigprodukten aus der DDR eingedeckt hat und bei gelegentlichen Besuchen das ganze Elend gesehen hat, seine Weisheiten zu erzählen.
Und jemand, der das jetzige System als Kapitalismus bezeichnet, braucht mit seinen Erkenntnissen auch nicht zu kommen. Der User
Ich glaub ich brauch gleich ein Taschentuch. Die arme unverstandene DDR, wo viele sich lieber an der Grenze erschießen ließen als nur einen Tag länger dableiben zu müssen.
@ Eloman: Eine Flucht in das Land des Schaufensterkapitalismus und der Weihnachts-Westpakete – was wusste der DDR-Bürger denn wirklich über die BRD?
„Nachbars Kirschen sind immer besser als die eigenen“ sagte meine Mutter letztens.
Die Naivität der DDR-Bürger wurde nach der Wende dann schamlos ausgenutzt, allein wenn ich an die Westautos denke, die zu uns rüber kamen: vom Verwerter zurück geholt, zusammengeflickt und für teuer Geld in den Osten verscherbelt. Rostige Möhren mit eingenieteten Reparaturblechen.
Oder die Horden von Glücksrittern aus dem Westen – hör bloß auf, könnte ich kotzen! Da reicht Ihr Taschentuch längst nicht!
Ist es so schwer, auf Argumente einzugehen?
Ich hätte wissen müssen, dass es sinnlos ist, mit Jemandem, der von Kindesbeinen an die Bild-Zeitung liest, zu diskutieren.
Und was Argumente betrifft: Sie wissen offensichtlich überhaupt nicht, was ein Argument ist. Ein Argument ist nicht die Beschreibung eines Zustandes, sondern die Erkundung des Ursprungs dieses Zustandes.
Aber was soll’s, welche Gesistesgrößen diese sog. Wiedervereinigung nach Mitteldeutschland gespült hat, kann man teilweise auch heute noch am lebenden Subjekt erleben.
Immer noch kein Argument, nur argumentum ad personam.
Was anderes hat er eh nicht auf der Pfanne.
@ jselig Wer lesen kann, sollte auch verstehen können, was er liest.