Zensieren – aber richtig!
Immer wieder habe ich es erlebt, daß Zensoren geschlampt haben. Nach 1968 wurde der tschechische und slowakische KP-Chef Alexander Dubček zur Strafe weil er gegen die Nutzungsregeln der Breschnjeff-Community verstoßen hatte, gesperrt und aus einem Gruppenfoto der KP-Sekretäre rausretuschiert. Nur sein einer Fuß wurde vergessen. Der war nach wie vor zu sehen. In jedem zweiten tschechischen Wohnzimmer hing das Foto und die Leute erfreuten sich an Dubčeks Schuh. Eine schöne Erinnerung an den Prager Frühling. Der tschechische Parteisekretär behielt sozusagen einen Fuß in der Politik, nach 1989 wurde er wieder aktiv.
Tschechische Freunde haben mir damals eine Anekdote erzählt. Was sind die Geräusche einer Lokomotive? Wenn sie aufwärts fährt, schnauft sie Dub-ček, Dub-ček. Wenn sie abwärts rollt, zischt sie Hu-sák, Hu-sák. Also für die Jüngeren: Husák war sein sozialistischer Amtsnachfolger, der das Land entsprechend den damaligen Nutzungsregeln „normalisierte“.
Ähnlich wie den tschechischen Zensoren ist es jetzt der WELT ergangen. Sie hatte mich als Kommentator gesperrt.
Die Redakteure haben aber vergessen, die Funktion zu deaktivieren, wo ich Artikel als gut oder schlecht bewerten kann. Das ist wie Dubčeks Schuh. Ich kann die WELT weiter destabilisieren.
Gut so! Wie heißt es so schön in „Sonnenallee“? „Rin inne Orjanisation und von innen uffmischen“!
Was, die Ketzerei wird auch noch von „Welt“ zitiert? Etwa in Gänze? War das Ihr ganzes Statement, Herr Dr.-ing, oder nur der inkriminierte Teil davon? Wie ist das denn überhaupt bei Springers BLÖD-Zeitung für Intellektuelle? Wird man da wenigstens wie bei FressenBuch vorgewarnt, oder trifft einen der Ausschluß aus dem Zirkel der Bessermenschen wie der Schlag? Sprechen Sie schon, Herr Prabel! Was haben Sie noch auf dem Kerbholz?
Nee, war alles. Nix antisemitisches, nix sexistisches, nix rassistisches, nur ne Parole der CDU n bißchen parodiert…
Also ein echter Einzelfall, der hier an einem einzelnen Fall exekutiert wurde. Wow! Springers Praktikanten sind eben helle und wußten, welche Fliege sie hier gleich beim Erstanflug final erlegen mußten…
Weiß nicht, ob das von den Praktikanten so schlau war. Ich kann dank guten Freunden den Gegner immer mal durch den Kakao ziehen.
Es wird wieder rausgeschnitten. Vor dem 68er Einmarsch gab’s eine Konferenz des Warschauer Pakts, auf der Dubcek letztverwarnt wurde.
Das Ergebnis, alles wäre jetzt prima, die Genossen in Prag wieder voll sozialistisch, wurde voller Freude auch im DEFA „Augenzeugen“ gezeigt (Wochenschau der DDR, lief im Kino vor dem Hauptfilm).
Ich arbeitete damals als Filmvorführer im Angerkino in Erfurt. Als ich am Arbeitstag nach dem Einmarsch (So?) grade loslegen wollte, kam einer von der Stasi und hat den Beitrag höchstpersönlich von Hand rausgeschnitten.
Der Besitz und die Weitergabe von Orwells 1984 wurden übrigens strafrechtlich verfolgt. Die Korrektur der Vergangenheit ist Herzensanliegen von Diktaturen. Aber nicht nur von denen.
Och, mich ham se schon vor nem Jahr gesperrt. Aber meine Kohle für’s Online-Abo nehm se gerne.