Die radikale Mitte der Gesellschaft
Die Attentäter von Katalanien waren keine sogenannten „Abgehängten“, so wie auch die Bildungsbürger auf dem Dresdner Theaterplatz das nicht sind. Und die Qualitätspresse wundert sich wieder einmal.
„Die Verantwortlichen der Terroranschläge in Spanien geben Rätsel auf: Sie waren jung und recht gut integriert. Es war wohl nicht die Erfahrung von Chancenlosigkeit und Zurückweisung, die sie zu Terroristen werden ließ“, schreibt die seit vielen Jahren im Geschäft des Journalismus tätige Annette Prosinger in der WELT. Als unerfahrene Jungredakteuerin kann man sie nach einem Vierteljahrhundert ihrer beruflichen Odyssee durch taz, Badische Zeitung, Basler Zeitung und WELT nicht abqualifizieren. Trotzdem scheint sie nach Jahren des moslemischen Terrorismus immer noch überrascht zu sein und gibt ihrer Verwunderung Ausdruck: „Frühe Erfahrung von krasser Ausgrenzung, zerrüttete Elternhäuser, Scheitern in der Schule, keine Chance, aus einer seelenlosen Trabantensiedlung am Stadtrand herauszukommen – diese gängigen Erklärungsmuster scheinen hier nicht zu greifen.“
Vielleicht sind die gängigen Muster des Vulgärmaterialismus in ihrer Eindimensionalität ja auch völlig falsch? Ist die Welt in Wirklichkeit doch eine Kugel und keine Scheibe? Die Verwurzlung des ideologischen Eifers und der Weltverbesserung in der Mitte der Gesellschaft ist, wenn man Nationalsozialismus, Kommunismus und die 68er Bewegung analysiert, der Normalfall. Warum soll das denn im Islam nun anders sein?
Mohammed Atta, der Anführer der Anschläge vom 11.September 2001 und sein Hamburger Team, waren doch so wie Gudrun Ensslin, Julius Streicher, Bertold Brecht, Johannes R. Becher, Alfred Rosenberg, Rudi Dutschke, Heiko Maas, Baldur von Schirach, Ulrike Meinhof, Albert Speer oder Andreas Baader typische Kinder der Mittelschicht, die eine Phase akademischer Ausbildung genossen hatten, oder mindestens das Abi abgebrochen. Alles kleinbürgerliche Verhältnisse. Nur Bin Laden, Jakob Augstein und Philipp Reemtsma kamen aus sehr reichem Hause. Aus kärglichen und geistig armen Verhältnissen kamen allein Hitler und Honecker. Hitler kompensierte das mit Überdosen von Wagners Walhall mit Tempeldienst und dem festen Glauben an die Kraft der Kultur, Honecker blieb zeitlebens völlig bildungsfern. Zum Glück vielleicht…
Dem Nationalsozialismus kann man eine harte Rigorosität nicht absprechen. Der deutsche Publizist Joachim Fest ging in seiner Hitler-Biografie der Frage nach, ob die nationalsozialistische Radikalität durch die Freisetzung verbrecherischer Instinkte oder durch ein Moralverlangen gespeist wurde. Diese Radikalität sei, so Fest, kein Problem der kriminellen, sondern der pervertierten moralischen Energie:
„Es waren vor allem Menschen mit einem starken, wenn auch zugleich richtungslosen Moralverlangen, an die der Nationalsozialismus appelliert hat.(…) Der moralische Anspruch war ergänzt und überbaut von der Vorstellung einer besonderen Mission: dem Gefühl in einer apokalyptischen Auseinandersetzung zu stehen, einem Höheren Gesetz zu gehorchen, Agent einer Idee zu sein, oder was sonst auch immer die Bilder und Parolen einer eigentlich metaphysischen Gewißheit waren.“
Diese besondere Mission verfolgen die Klimakatastrophisten, Radikalveganer und Genderisten genauso wie die Nationalsozialisten und diese wiederum wie die Stalinisten und die frommen Moslems. Gerade aktuell plakatieren die Grünen die Scheinalternative: „Entweder Schluß mit Kohle oder Schluß mit Klima“. Wird da nicht auch eine apokalyptische Auseinandersetzung gefühlt und propagiert? Wähnen sich nicht auch Roth, Peter und Merkel als Agenten einer globalen Idee? Produzieren einige Groko-Großköpfe nicht auch Parolen einer mataphysischen Gewißheit statt demokratische Diskussionen anzustoßen?
Die Mittelschicht ist der unversiegbare Quell der Radikalen. Oft sind es die Kinder von Lehrern, Pastoren, Beamten, Schriftststellern und Schauspielern, die völlig ausrasten, weil sie sich eine heile Welt der selbstgestrickten Moral zusammenbasteln. Die Biografien der Nationalsozialisten, der Komunisten und der 68er sind eine wahre Fundgrube für diese Erkenntnis. Lange vor der Machtübernahme durch Hitler waren alle Studentenausschüsse der deutschen Unis in nationalsozialistischer Hand. Auch die frühen Burschenschaften waren von Tagträumern wie Karl Ludwig Sand durchsetzt, der August von Kotzebue in seiner Wohnung messerte. Der Voksmund hatte diese strukturelle Schwäche der intellektuellen Mittelschicht schnell erfaßt: Pfarrers Kinder, Müllers Vieh, gedeihen selten oder nie. In einer neueren Version heißt es: Lehrers Kinder, Pfarrers Vieh…
Im Sommer 2000 hatte ich auf einem Zeltplatz in San Elpidio den Koran gelesen. Drei Tage klare Ansagen des Propheten, Moral und Rechthaberei in hohen Verabreichungen. Und fürchterliche Strafen für Ungläubige sowohl vor als auch nach der Ankunft in der Hölle. Der Islam wartet nicht in jedem Fall das Jüngste Gericht ab, sondern straft im Auftrag Allahs selber, wenn es paßt. Wer Gegner hat, und von deren Vernichtung träumt, sollte den Koran lesen. Er kommt volle Kanne auf seine Kosten. Darin liegt der Reiz und die Anziehungskraft des Buches. Aber auch seine Gefahr. Ich erwischte mich beim Studium der Schrift einige Male, als ich mir genüßlich ausmalte, wie das grüne Führungspersonal geröstet, geköpft, gesteinigt und von hohen Türmen gestürzt wird. Statt „Schluß mit Kohle“, Schluß mit den Grünen? Solange ich das Buch las, war ich begeistert. Apokalypse now. Weil alle Probleme so einfach gelöst werden. Alle Bösen und Abweichler einfach tot machen, und dann ist Frieden.
Der Kommunismus hatte ja dasselbe einfältige Konzept: Alle Kapitalisten und Kulaken ermorden oder nach dem Westen vertreiben und die soziale Gerechtigkeit herrscht. Der Nationalsozialismus wollte alle Probleme durch die Ausrottung der Juden lösen. Und dann käme endlich das zinsfreie Tausendjährige Reich.
Gegen diese naiven Säuberungsphantasien gibt es immer ein Rezept: Man muß sich die Landstriche ansehen, wo diese Konzepte verfolgt werden oder wurden. Den Nahen Osten und das Frankreich der Gegenwart, Deutschland 1945 oder das Sowjetimperium 1990. Dann werden Sie geholfen.
Drei Tage lang hatte ich mich radikalisiert, drei Tage dauerte die Normalisierung. Ich kann mich in die schöne neue Welt der religiösen Schwärmerei seit San Elpidio hereinversetzen. Frau Prosinger und dem ganzen Medientroß empfehle ich das Studium des Koran: Lies!
Herr Prabel, mit diesem Text begeben Sie sich in gefährliche Nähe eines Michael Stürzenbecher, dem ja in der letzten Woche erst gründlich heimgeleuchtet wurde von einem Prachtexemplar des linksgrünroten Siffs. Ob der hier randalierende Systemtroll wohl schon eine Anzeige erstattet hat?
Asche auf mein Haupt! Der Mann heißt StürzenBERGER… Mea culpa!
Ich denke, bei meiner Reichweite werde ich lieber totgeschwiegen. Außerdem wird mein Eintrag von Joachim Fests Gänsefüßchen eskortiert.