Trump löst ein Versprechen ein
Am 26. April hatte Gary Cohn, der ökonomische Chefberater von Präsident Donald J. Trump und Direktor des National Economic Council auf der Webseite des Weißen Hauses folgende für den amerikanischen Mittelstand erfreuliche Mitteilung eingestellt:
Präsident Trump schlägt eine massive Steuersenkung vor. Hier ist was du wissen musst.
Wir haben eine einmalige Gelegenheit, etwas Großes zu tun. Präsident Trump hat die Steuerreform zu seiner Priorität gemacht, und wir haben einen republikanischen Kongress, der es schaffen will. Das ist etwas, das die Demokraten auch unterstützen sollten, weil es für das amerikanische Volk gut ist.
Der Präsident wird diese Gelegenheit nutzen, indem er die bedeutendste Steuerreformgesetzgebung seit 1986 vorantreibt – mit einer der größten Steuersenkungen in der amerikanischen Geschichte.
Der Präsident hat sich seit seiner Kampagne auf drei Dinge konzentriert: Schaffung von Arbeitsplätzen, Wirtschaftswachstum und Unterstützung von Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen, die von dieser Wirtschaft zurückgelassen wurden. Er versteht, dass es in diesem Land viele Leute gibt, die das Gefühl haben, dass sie hart arbeiten und immer noch nicht vorankommen können. Sie sind es leid ihre Gehaltsschecks nach Washington zu transferieren und haben keine Ahnung, wie ihre Steuer-Dollar ausgegeben werden. Sie sind von einem Steuersystem frustriert, das so kompliziert ist, dass sie nicht einmal ihre eigenen Steuererklärungen erledigen können.
Deshalb hat die Steuerreform für diesen Präsidenten eine große Priorität. Er kümmert sich darum, die Wirtschaft für das amerikanische Volk besser zu machen.
Wir werden die Steuern für die Unternehmen senken, um sie wettbewerbsfähig zu machen, und wir werden die Steuern für das amerikanische Volk senken – vor allem Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
Im Jahr 1935 hatten wir ein einseitiges Steuerformular, bestehend aus 34 Zeilen und zwei Seiten Anweisungen. Heute hat das Formular 79 Zeilen und 211 Seiten Anweisungen. Anstelle eines einzigen Steuerformulars hat die Steuerbehörde IRS jetzt 199 Steuerformulare. Die Steuerzahler verbringen fast 7 Milliarden Stunden für das Ausfüllen und fast 90% der Steuerzahler brauchen Hilfe bei der Einreichung ihrer Steuern.
Wir werden die Steuern senken und das Steuersystem vereinfachen, indem wir die derzeitigen sieben steuerlichen Sätze beseitigen, die wir heute haben und sie nur auf drei Sätze reduzieren: 10 Prozent, 25 Prozent und 35 Prozent.
Wir werden den Standardfreibetrag verdoppeln, damit ein Ehepaar keine Steuern auf die ersten $ 24.000 Einkommen zahlen wird. Also im Wesentlichen schaffen wir einen 0-prozentigen Steuersatz für die ersten $ 24.000, die ein Paar verdient.
Der größere Standardabzug führt auch zu einer Vereinfachung, denn weit weniger Steuerzahler müssen eine Erklärung einreichen.
Familien in diesem Land profitieren auch von Steuererleichterungen, um ihnen bei Kindern und Pflegekosten zu helfen.
Wir werden die Alternative Minimum Tax (AMT) aufheben. Die AMT schafft erhebliche Komplikationen und Belastungen, indem sie Steuerpflichtige zwingt, ihre Steuern zweimal zu ermitteln, um zu sehen, welcher Tarif höher ist. Das macht keinen Sinn; Wir sollten ein einfaches Steuersystem haben.
Die Schaffung von Arbeitsplätzen und das Wirtschaftswachstum haben für diese Verwaltung oberste Priorität, und nichts fördert das Wirtschaftswachstum wie die Kapitalinvestitionen. Deshalb werden wir den Spitzensteuersatz auf Kapitalgewinne und Dividenden auf 20 Prozent zurückgeben, indem wir die schädlichen 3,8 Prozent Obamacare-Steuer aufheben. Diese Steuer hatte direkten Einfluss auf Kapitalerträge und Kleinunternehmer.
Wir werden die Erbschaftssteuer aufheben. Die Drohung, von der Erbschaftssteuer getroffen zu werden, kostet Kleinunternehmer und Landwirte in diesem Land unzählige Stunden, die auf komplizierte Nachlassplanung verschwendet werden, um sicherzustellen, dass ihre Kinder nicht mit einer riesigen Steuer getroffen werden, wenn sie sterben. Niemand will, dass ihre Kinder das Familienunternehmen verkaufen müssen, um eine unlautere Steuer zu bezahlen.
Wir werden die meisten Steuererleichterungen beseitigen, die vor allem Privatpersonen bedienen. Wohneigentum, Wohltätigkeit und Altersvorsorge werden geschützt – aber andere Steuervorteile werden eliminiert.
Das wird nicht einfach sein. Große Dinge zu tun ist nie simpel. Aber eines ist sicher: Ich würde nicht gegen diesen Präsidenten wetten. Er wird das für das amerikanische Volk machen.
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Soweit die frohe Botschaft des Präsidentenberaters. Wer nach dem Lesen dieser Zeilen denkt, daß die Gesamtsteuerlast sinken wird, der irrt allerdings. Sie wird nur anders verteilt. Der Blick in den Haushaltsentwurf 2018 läßt gegenüber 2017 ja nur geringe Einsparungen erkennen.
Die Abschaffung der Erbschaftssteuer mindert die Einnahmen des Bundes nur um 1,2 %. Anders sieht es bei Ausnahmeregelungen bei der Einkommenssteuer aus. Absetzbare Spenden und verschiedenste Gutschriften (sog. Credits) führen derzeit zu Reduzierungen von 300 Milliarden $ (rund 15 % bis 20 %) bei der Steuer. Die Hälfte der US-Haushalte – 45 Prozent – zahlen dank der Vielzahl an Abschreibposten und Ausnahmeregelungen gar keine Einkommenssteuern. Absetzbar sind beispielsweise Grundsteuerzahlungen an Bundesstaaten und Gemeinden, Hypothekenzinsen, Verluste durch Todesfall oder Diebstahl, nichterstattete Auslagen innerhalb eines Arbeitsverhältnisses, Kosten für Steuerberatung, sogar Glücksspielverluste bis zur Gesamtsumme der Glücksspielgewinne. Kredite für Studiengebühren, Gutschriften für erstmalige Hauskäufer, für Denkmalschutzobjekte, für die Nutzung alternativer Energien, für die Beschäftigung bestimmter Personengruppen, Forschungskredite, viele branchenbezogene Erleichterungen bilden ein unübersichtliches Mosaik von Verringerungen der Bemessungsgrundlage der Besteuerung. Teilweise sind das Kosten, auf denen man in Deutschland sitzen bleibt und die man hierzulande versteuern muß. Die Absetzbarkeit von Zinsen für das Eigenheim gab es in Deutschland beispielsweise nur bis Ende 1986.
Die Höchstgrenze der Besteuerung für den amerikanischen Topverdiener liegt theoretisch bei 39,6 Prozent, effektiv aber nur bei der Hälfte. Karitative Organisationen erhalten Spenden der Millionäre und Milliardäre, die zur Gänze absetzbar sind. Viele Reiche haben ihr Vermögen wie in Deutschland ohnehin längst in steuervermeidende Stiftungen überführt.
Man muß die Struktur der Einnahmen des amerikanischen Bundesstaats kennen, um die große Bedeutung der US-Einkommenssteuer zu ermessen. In Deutschland macht die Lohn- und Einkommenssteuer nur etwa ein Drittel der Bundes- und Gemeinschaftssteuern aus, in den Vereinigten Staaten (wenn man die Sozialversicherung wegen der Vergleichbarkeit mit Deutschland mal wegläßt) fast 90 %. Verbrauchs- und Lenkungssteuern, die in Deutschland in der Summe höher sind, als die Lohn- und Einkommensteuer, machen in Amerika als Bundessteuern nur etwa 5 % der Einnahmen aus.
Eine Erklärung noch zur Alternativen Minimum Tax (AMT). Sie wurde 1982 verabschiedet und begrenzt die Steuervorteile aus einer Vielzahl von Abzügen. Sie war sozusagen eine Notbremse im wild gewucherten Ausnahmengestrüpp, damit der Staat trotz blickigen Steuerberatern von den Reichen überhaupt noch etwas abbekam. So eine vom Aufwand her uneffektive Regelung ist natürlich nicht erforderlich, wenn im Paragraphenwald ordentlich gerodet wird. Hoffentlich hat Trump eine scharfe Axt.
Wer die Verluste ausgleichen will, die durch den Wegfall der Steuern für die Geringverdiener und die Reduzierung der Mittelstandsbesteuerung entstehen, muß den Milliardären in die Tasche fassen. Es muß jedoch alles durch die Mühlen der Washingtoner Gesetzgebung. Man darf auf die Endergebnisse und die Details gespannt sein.