Schottland schmeißt das Pfund raus
Die deutsche Fake-News-Presse berichtet häufig genüßlich vom Austrittswunsch der Schotten aus dem Vereinigten Königreich. Weil sie den Briten den Brexit verübelt und die Schotten als Brüder im Geiste erkennt. Die alte Parole „Gott strafe England“ ist in den Berliner Redaktionen wieder präsent. Die Regierungspartei in Edinburgh, die Schottische Nationalpartei, will diesen Austritt wirklich. So weit so gut.
Begründet wird das von der schottischen Regierung mit dem Austrittswunsch der Briten aus der EU. England hatte mit 53,4 % für den Brexit gestimmt, Wales mit 52,5 %, aber Schottland war mit 62 % dagegen. Da geht wirklich nichts zusammen, da muß man sich trennen. Das ist Demokratie.
Die Journalisten des Mainstrams stellen die Abspaltung Schottlands als Nachteil für Britannien dar. Ob das tatsächlich so ist, gilt es zu untersuchen.
Das Vereinigte Königreich hat 65,1 Millionen Einwohner, davon Schottland 5,3 Millionen. Das sind 8,1 % der Einwohner. Der schottischen Regierungschefin Nicola Sturgeon sind das zu wenig Leute: Sie hat kürzlich auf einem Parteitag britische Brexit-Gegner zu einem Umzug nach Schottland aufgerufen. „Kommt hierher, um zu leben, zu arbeiten, zu investieren oder zu studieren“. Sie vergaß zu erwähnen, daß in Schottland grausliges Wetter herrscht. „Kommt hierher, um zu frieren“, hat sie unterschlagen.
Das Bruttoinlandsprodukt des Gesamtreichs betrug 2015 2.858 Mrd. US-$, das von Schottland 230 Mrd. US-$, also 8 %. Der Gas- und Ölreichtum vor der schottischen Küste bringt seit 2015 nichts mehr. Die Förderkosten liegen über den Einnahmen.
Schottland lieferte 2015 für 12,3 Mrd. Pfund (GBP) Waren in die EU, für 16,3 Mrd. GBP ins Nicht-EU-Gebiet, davon 4,6 Mrd. in die USA, und für 49,8 Mrd. GBP nach Rest-Großbritannen. (Ohne Öl und Gas). Das heißt die EU-Exporte machten knapp 16 % aus, wenn England, Wales und Nordirland die EU verlassen. Man erkennt deutlich: Wirtschaftlich macht der Austritt Schottlands aus Großbritannien und der Verbleib in der EU keinen Sinn. Der Austritt Schottlands aus dem Königreich ist ein ideologisches Projekt, welches von den Systemmedien aus Rachedurst betrieben wird.
Deshalb hatte der britische Ex-Premierminister Gordon Brown, der ja Schotte ist, einen grandiosen Vorschlag: Schottland sollte weiter dem Königreich angehören und trotz Brexit eigene Verträge mit anderen Ländern der Europäischen Union abschließen dürfen. Das hört sich nach dem favorisierten Bilateralismus von Donald Trump an. Damit kam er bei den schottischen Nationalisten ganz schlecht an. Die wollen ganz oder garnicht.
Die umgekehrte Perspektive: England kann die Abspaltung der Schotten wirtschaftlich relativ egal sein, denn für England ist der schottische Absatzmarkt sehr nebensächlich. Militärisch entsteht ein kleines Problem. Der in Schottland befindliche Stützpunkt Faslane ist für die Marine ihrer Majestät von besonderer Bedeutung. Am Ende des Gare Loch befindet sich die Heimatbasis für die U-Boote der „Vanguard“-Klasse. Hier wäre eine vertragliche Lösung gefragt.
Ansonsten entstehen für die Briten riesige politische Chancen den Sozialismus zu beerdigen. Denn die Sitze im Unterhaus sind folgendermaßen verteilt:
England 533
Schottland 59
Wales 40
Nordirland 18
Von den schottischen Abgeordneten im Unterhaus gehören 56 der linken Schottischen Nationalpartei an, einer den in London regierenden Konservativen, einer den Liberaldemokraten und einer Labour. 2010 stellten die Konservativen auch nur einen Abgeordneten, die Liberalen 11, die Schotten 6 und Labour 41.
Bei den Wählerstimmen sah es 2015 ähnlich aus (im Vergleich zu 2010):
Schottische Nationalpartei 50,0 % (+ 30,1 %)
Labour 24,3 % (- 17,7 %)
Konservative 14,9 % ( – 1,8 %)
Liberaldemokraten 7,5 % (- 11,4 %)
Das heißt, Schottland ist eine einzige sozialistische Hochburg. Zwei Drittel bis drei Viertel der Einwohner drehen linksrum. Ohne Schottland sähe das Londoner Unterhaus so aus:
Konservative 330 Abgeordnete
Labour 231 Abgeordnete
Liberaldemokraten 7 Abgeordnete
Sonstige 23 Abgeordnete
Die Konservativen hätten eine komfortable Mehrheit, um die sie kaum fürchten müßten. Ihre Mehrheit im Unterhaus würde von 50,8 auf 55,8 % anwachsen. Ein Sieg von Labour bei Unterhauswahlen würde ohne die rund fünfzig linken schottischen Wahlkreise schwierig werden. Vermutlich würde Theresa May mit dem Austritt Schottlands ihre ungefährdete Wiederwahl sichern.
Das NEUE DEUTSCHLAND hatte am Wochenende eine Kulturbeilage: DIE GEBILDETE NATION. Auf der letzten Seite dieser Beilage stand 1963 eines schönen Wochenendes eine ganze Latte Schottenwitze. Warum lernen die meisten Schotten Blindenschrift? – Weil man dann auch ohne Licht lesen kann. Und ähnlich. Mit dieser sprichwörtlichen Sparsamkeit ist es vorbei. Die fetten Jahre mit hohen Ölpreisen haben die Sitten in den Highlands nachhaltig verdorben. Man trägt zwar noch karierte Röcke und wirft mit Baumstämmen um sich. Die Finanzverwaltung guckt jedoch ebenfalls kariert: Schottland hat mittlerweile ein Haushaltsdefizit von fast 10 % des BIP. Vergiß es, daß der Autor des Buchs „Der Wohlstand der Nationen“, Adam Smith, ein Schotte war.
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