Der Dauer-Ärger der SPD mit Millionenabfindungen
Am 4. Mai 1976 hat sich die deutsche Sozialdemokratie unter Kanzler Helmut Schmidt ein Ei ins Nest gelegt. Ein Kuckucksei. Das Gesetz über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer wurde damals beschlossen. In Betrieben ab 2.000 Arbeitnehmern gilt seitdem die paritätische Mitbestimmung. Das heißt, es erfolgt die Wahl von Arbeitnehmervertretern in die Aufsichtsgremien, so daß 50 % der Aufsichtsräte dem Arbeitnehmerlager angehören.
Das Problem ist: Aufsichtsräte haben auch über echt heikle Sachen zu bestimmen. Zum Beispiel über Verträge mit Vorständen und über Millionenabfindungen. Nun gehören in den Großbetrieben die Arbeitnehmervertreter oft den großen Gewerkschaften an, und deren Aufsichtsräte sind wiederum vielfach SPD-Mitglieder.
Bei Volkswagen gelten noch Sonderregelungen. Auch hier hat die ehemalige Arbeiterpartei das Sagen, weil in diesem Betrieb auch noch die SPD-geführte Landesregierung im Aufsichtsrat vertreten ist. Und zwar durch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD).
Sie segneten den Vertrag mit Frau Hohmann-Dennhardt (auch SPD) ab, die von Januar 2016 bis Januar 2017 als Vorstand der Volkswagen AG für Integrität und Recht war. Zu einem Zeitpunkt, wo sie die Reihen nach dem Streit über die Abgaswerte neu ordnen sollte. OMO packte in den 60ern den Schmutz und wirbelte ihn einfach raus, die neue sozialdemokratische Frau Saubermann bekam ihn nicht in den Griff.
Dabei hat Christine Hohmann-Dennhardt sogar die Frisur von Gundel Gaukeley, die in den „Lustigen Taschenbüchern“ für Hexerei zuständig war. Leider entfaltete sie nicht den kraftvollen Zauber wie ihre Kollegin aus Entenhausen. „Im gegenseitigen Einvernehmen“ trennte man sich deshalb nach einem Jahr wieder. Eine peinliche Geschichte, weil diese Scheidung mit 12 Millionen € Abfindung vergoldet wurde. Wieder mit Zustimmung des Aufsichtsrats.
Von den 20 Aufsichtsräten gehören 11 dem Arbeitnehmerlager bzw. der SPD-Landesregierung an.
Birgit Dietze, Gewerkschaftssekretärin beim Vorstand der IG Metall seit 01.06.2016
Uwe Fritsch, Vorsitzender des Betriebsrats Werk Braunschweig der Volkswagen AG seit 19.04.2012
Jörg Hofmann, Industriegewerkschaft Metall seit 20.11.2015
Uwe Hück, Vors. des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der Dr. Ing. h. c. F. Porsche AG seit 01.07.2015
Johan Järvklo, Vorsitzender der IF Metall der Scania AB seit 22.11.2015
Olaf Lies, Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr seit 19.02.2013
Peter Mosch, Vorsitzender des Gesamtbetriebsrats der AUDI AG seit 18.01.2006
Bernd Osterloh, Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der VW AG seit 01.01.2005
Stephan Weil, Niedersächsischer Ministerpräsident seit 19.02.2013
Stephan Wolf, Stv. Vorsitzender des Gesamt- und Konzernbetriebsrats der VW AG seit 01.01.2013
Thomas Zwiebler, Vorsitzender des Betriebsrats Volkswagen Nutzfahrzeuge seit 15.05.2010
Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus: 12 Millionen Abfindung für 13 Monate Arbeit. Und neben der Abfindung wurde ja noch ein Vorstandsgehalt gezahlt, welches Experten auf etwa die Hälfte der Abfindung schätzen. Ein Schelm, der denkt, daß die Kapitalseite so viel Geld auf Kosten der Arbeiter genehmigt. Ohne die Arbeitnehmervertreter und die SPD ging nichts.
Nun ist Volkswagen schon vorgeschädigt. Durch die Lustreisen-Affäre der IG Metall-Betriebsräte, die dem ehemaligen VW-Aufsichtsrat Gerhard Schröder 2005 den Bundestagswahlkampf verhagelte und den VW-Arbeitsfunktionär Peter Harz zum vorzeitigen Rücktritt zwang. Die Wolfsburger Nutten waren den Arbeiterverrätern nicht gut genug, für gute Stimmung sorgten kostenlose Flüge nach Rio auf den Deckel des Hauses.
Und es gab auch außerhalb von VW oft Verdruß mit der Mitbestimmung. Denn die Vorstandsgehälter und insbesondere die Abfindungen sind ja oft skandalös hoch. Und dann noch Boni, die genehmigungspflichtig sind. Der spektakulärste Fall: Im Frühjahr 2000 wurde Mannesmann vom britischen Mobiltelefon-Konzern Vodafone geschluckt. Es flossen für die Mannesmänner Abfindungen bis der Arzt kam. Allein der damalige Mannesmann-Chef Klaus Esser bekam 60 Millionen DM für sein vorzeitiges Ausscheiden.
Ludwig Niethammer vom Internationalen Komitee der Vierten Internationale – die in so einem Fall schon zu etwas nütze ist – hatte am 25. August 2001 auf wsws.org das Desaster dokumentiert:
„Die allgemeine Empörung war groß, zumal die IG Metall sich gerade in einer Tarifrunde befand und ihren Mitgliedern einen Lohnabschluss unter der Inflationsrate verordnete. IG-Metall-Chef Zwickel (SPD) musste wieder einmal ein wenig poltern. In einer Presseerklärung sagte er, eine solche Abfindung sei „unanständig hoch und für keinen Arbeitnehmer mehr nachvollziehbar“. Dies sei „der Öffentlichkeit nicht zu vermitteln“.
Seit Anfang der Woche ist nun bekannt, dass Zwickel dabei war, als der Geldsegen an die Manager verteilt wurde. Der Gewerkschaftsvorsitzende saß nämlich nicht nur im Aufsichtsrat von Mannesmann, er war auch Mitglied im vierköpfigen Ausschuss für Vorstandsangelegenheiten, der über die Abfindungen von insgesamt 160 Millionen Mark entschied. Neben Zwickel gehörten dem Ausschuss ein weiterer IG-Metaller, der langjährige Gesamtbetriebsratsvorsitzende Jürgen Ladberg, sowie der Aufsichtsratsvorsitzende Professor Joachim Funk und das Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, Josef Ackermann, an. (…)
In diese Bild passt auch, dass Zwickel bisher nicht bestreitet, der Zahlung von weiteren 60 Millionen Mark an 18 ehemalige Vorstandsmitglieder zugestimmt zu haben. Bei der betreffenden Sitzung vom 27. März (…) war Aufsichtsratschef Funk nicht anwesend. Zwickel und Ladberg hatten also die Mehrheit. Unter den Empfängern befanden sich auch drei ehemalige Arbeitsdirektoren, die aus der IG-Metall kommen – so funktioniert das „Geben und Nehmen“.“
Ach, was waren das für romantische und heroische Zeiten, als der sozialistische Patriarch Karl Marx im Mai 1871 im Rückblick auf die Pariser Kommune vom Arbeitergehalt für „die da oben“ träumte: „als einfache Arbeiter zum erstenmal es wagten, das Regierungsprivilegium ihrer „natürlichen Obern“, der Besitzenden, anzutasten, und, unter Umständen von beispielloser Schwierigkeit, ihre Arbeit bescheiden, gewissenhaft und wirksam verrichteten – sie verrichteten für Gehalte, deren höchstes kaum ein Fünftel von dem war, was nach einem hohen wissenschaftlichen Gewährsmann (…) das geringste ist für einen Sekretär des Londoner Schulrats -, da wand sich die alte Welt in Wutkrämpfen beim Anblick der roten Fahne, die, das Symbol der Republik der Arbeit über dem Stadthause wehte.“
Die Pariser Kommune wurde nur 70 Tage alt, so daß dem zukunftsgläubigen Karl Marx manche Enttäuschung erspart blieb. Heute bekommen die Arbeiter zwar keine Wutkrämpfe, aber Resignation macht sich breit, wenn sie von den Privilegien der SPD- und Gewerkschaftsbonzen hören und lesen.
Bei der Bundes-SPD geht die Sorge um, dass die Millionenabfindung an Christine Hohmann-Dennhardt die Strategie des Kanzlerkandidaten Schulz ruinieren könnte, die SPD dem Wähler als Garant für soziale Gerechtigkeit zu verkaufen. Dann bliebe als Argument, ihn zu wählen, nur noch die Unbeliebtheit der Kanzlerin.
Nun ist der Diesel-Skandal bei VW ein Betrugsfall von riesigen Ausmaßen und es arbeiten viele intelligenten Köpfe – für viel Geld – daran, den Schaden für VW, aber auch den für Politik und Wirtschaft insgesamt, möglichst klein zu halten.
Billiger wäre es natürlich, das ganze Umfeld dieses großangelegten Betruges zu entschlacken. Aber das würde dem gewaltigen Erdrutsch nach einem Erdbeben gleich kommen. Das Erdbeben hat es zwar gegeben, aber jetzt gilt es den Erdrutsch zu verhindern. Denn schon der Diesel-Skandal war nur im Zusammenwirken von bedeutenden Vertretern aus Politik und Wirtschaft möglich. Jetzt gilt es „Bauernopfer“ zu finden, die man der Öffentlichkeit (den Medien) zum Fraß hinwirft.
Wer dieses Spiel nach nur 13 Monaten begriffen hatte, war eine ehemalige Verfassungsrichterin, die von Daimler/Mercedes abgeworben, nun bei Volkswagen eine Alibi-Funktion einnehmen sollte: Christine Hohmann-Dennhardt, die im „Aufklärungsspiel“ eine Rolle zugedacht war, die deutlich machen sollte, wie ernst die neue Führung des Konzerns „Recht und Integrität“ nimmt.
Frau Hohmann-Dennhardt, ehemalige Richterin beim Bundesverfassungsgericht, hat diese Rolle ernst genommen, offenbar nicht „mitgespielt“, wie sich aus der VW-Information zu ihrem Ausscheiden schließen lässt:
„…„aufgrund unterschiedlicher Auffassung über Verantwortlichkeiten und die künftigen operativen Arbeitsstrukturen in ihrem Ressort“ …
habe man sich getrennt. Natürlich…
„…im gegenseitigen Einvernehmen…“
Was der Dame, einer klar denkenden Ex-Verfassungsrichterin, bei einer „Abfindung“ von 12 Millionen Euro (nach 13 Monaten Arbeit im VW-Konzern!) nicht schwer gefallen sein dürfte, vor allem vor dem Hintergrund nicht, dass sie inzwischen 66 Jahre alt ist und nach ihrem Auftritt bei VW in der deutschen Wirtschaft „als verbrannt“ gelten kann.
Nein, so wird man sich bei VW ihre Mitarbeit nicht vorgestellt haben. Die Dame hat offensichtlich ihren Titel, „Vorstand für Recht und Integrität“ ernst genommen. – Kannte sie denn nicht die „Spielregeln“ in der Großindustrie?
Vielleicht war man auch schon „beim Daimler“ froh, dass man diese Dame sozusagen „unauffällig“ los geworden war.