Das Lied von „Amerika First“ ist alt
Vor 34 Jahren veröffentlichte Bob Dylan seinen Song „Union Sundown“, übersetzt: „Sonnenuntergang der Union“. Er ist deutlich globalisierungskritisch. Und das zu einer Zeit, als China noch nicht aus dem Dornröschenschlaf erwacht war, als man lediglich Waren aus Malaysia, Brasilien und Taiwan kaufte. Als die Industrie der Vereinigten Staaten noch etwas lebendiger war, als heute. Einer meiner Freunde war 1983 in die amerikanische Botschaft Unter den Linden gegangen, wo sich ein öffentlicher Leseraum befand. Er konnte sich das leisten, weil er wirklich nichts zu verlieren hatte und schmuggelte ein Faltblatt mit Daten zur amerikanischen Beschäftigungsstruktur heraus. Schon damals überwogen die „White-Collar-Worker“ gegenüber den blauen Kragen deutlich und die Landwirte waren schon 1983 auf 3 % zusammengeschnurrt. Dylan wetterte gegen das Elend der blue Collar, der Arbeiter:
Das Seidenkleid ist aus Hong Kong
Und die Perlen sind aus Japan.
Nun, das Hundehalsband ist aus Indien
Und von Pakistanis der Blumentopf.
Auf allen Möbeln steht: „Made in Brazil“
Wo eine Frau dafür gearbeitet hat
Um 30 Cent pro Tag heimzubringen für 12
Das ist eine Menge Geld für sie.
Nun, es ist Sonnenuntergang für die Staaten
Und was in den USA hergestellt wurde
War sicher eine gute Idee,
Bis uns Gier alles verdarb.
Nun, viele Leute klagen, daß es keine Arbeit gibt.
Ich sage: „Wundert euch das
Wenn nichts mehr in den Staaten gemacht wird?“
Es wird nichts mehr hier hergestellt,
Der Kapitalismus steht über dem Gesetz.
Wenn es zu Hause zu viel kostet
Bauen sie es billiger woanders.
Nun, die Arbeit, die du mal hattest,
Hat man an jemanden nach unten in El Salvador gegeben.
Die Gewerkschaften machen das große Geschäft, Freund,
Und sie werden untergehen wie die Dinosaurier.
Früher erntete man Lebensmittel in Kansas
Jetzt soll es auf dem Mond wachsen und roh gegessen werden.
Ich sehe den Tag kommen, wenn der heimische Garten
Gegen das Gesetz sein wird.
Hier die Musi und der ganze Text:
Dylan hatte kein Mitleid mit denen, die in El Salvador, Argentinien oder Brasilien ein exportabhängiges Auskommen gefunden hatten. Er dachte an den amerikanischen Arbeiter und den Landwirt aus Kansas. Amerika first. Weg mit dem Freihandel. Der nutzt nur Mexico und Co.
Das hinderte ihn allerdings nicht daran 1985 beim Life Aid Konzert zugunsten Afrikas zu musizieren. Nun, man muß ihm zugutehalten: Er ist kein Weltökonom wie der inzwischen verstorbene Helmut Schmidt. Immerhin erreichte er durch knochenhartes Verhandeln, daß er als Letzter und damit erinnerungstechnisch optimal auftreten durfte: Dylan nicht first, sondern last.
Die Kunst läuft der Politik voraus. „Ich sage ihnen, dass die Kunststücke von heute die Wahrheiten von Morgen sind“, behauptete der surrealistische Maler und Objektkünstler Marcel Duchamp (1887 – 1968). Bob Dylans protektionistische Wahrheit von 1983 aus dem Lied „Union Sundown“ hat 2016 politisch gesiegt. Donald Trump hat seinen Wahlkampf nicht zuletzt mit wahren Tiraden gegen den Freihandel und mit der Parole „America first“ gewonnen.
Der zukünftige Präsident hat beispielsweise angedroht das NAFTA-Freihandelsabkommen zwischen Kanada, den Vereinigten Staaten und Mexico von 1994 zu kündigen. Ein Abkommen, dessen Auswirkungen schon 20 Jahre studiert werden konnten.
Der Handel zwischen den USA und Kanada ist der zwischen zwei Ländern mit etwa gleich hohen Löhnen und ähnlichem Wohlstand. Der Handel zwischen Kanada und den Vereinigten Staaten einerseits und Mexico ist der Handel zwischen sehr ungleichen Partnern.
Vor dem Abkommen von 1994 war die Handelsbilanz der Vereinigten Staaten mit Kanada als auch mit Mexico einigermaßen ausgeglichen. Mit Kanada ist der Handel in 20 Jahren auf das 2,9 fache gestiegen, und zwar sowohl bei den Importen wie bei den Exporten. Die Exporte der USA nach Mexiko stiegen auf das 5,2fache, die Importe auf das 7,1fache. Zu Kanada hat sich ein leichtes Außenhandelsdefizit entwickelt, zu Mexiko waren es 2012 immerhin 67 Mrd. US-$.
Roundabout war Mexico Gewinner im Handel mit Gütern. Die geringeren Löhne förderten die Auslagerung von Zulieferungen zum südlichen Nachbarn der USA. Bei der Industrialisierung Mexikos gab es einen großen Schub. Im Detail gab es aber auch in Mexiko einige Verlierer des Freihandels. Es traf insbesondere die Landwirte im Süden Mexikos, die den Nahrungsmittelimporten aus den USA nicht viel entgegenzusetzen hatten.
Und diese Auslagerung von Industrieproduktionen gab es nicht nur nach Mexico. Ab 1986 begann China mit Reformen in der Industrie und Ende der 80er Jahre wurde dort die Preisbindung aufgegeben. In den 90er Jahren begann China wirklich für den Weltmarkt zu produzieren. Und vor allem für die Vereinigten Staaten. Mehr als 3 Billionen $ Handelsüberschuß sind zugunsten Chinas seither aufgelaufen.
Rücksichtnahme auf die dritte Welt war gestern. Wir stehen vor einer Periode des Protektionismus und des nationalen Egoismus. Das ist kein rein amerikanisches Phänomen. Auch in Deutschland und Österreich ist die Abneigung gegen den Freihandel stärker, als im übrigen Europa. Die verzweifelte FAZ schrieb am 30.1.2015: „Was ist los mit den Deutschen? Spielen sie verrückt? Machen sie wieder mal auf Angst? Eine neue Umfrage, erhoben von dem renommierten Pew Research Center, fördert ein interessantes Bild zutage: Das Freihandelsabkommen mit Amerika wird in fast allen europäischen Ländern unterstützt. 73 Prozent der Polen sind dafür, 71 Prozent der Dänen, 65 Prozent der Briten, 63 Prozent der Spanier und sogar fünfzig Prozent der angeblich so protektionistisch gesinnten Franzosen halten das Abkommen für eine gute Sache; nur in Deutschland, Österreich und in Luxemburg sind die Befürworter eine Minderheit, gibt die Ablehnungsfront den Ton an.“
Es sind vor allem deutsche Nichtregierungsorganisationen, die sonst immer das Lied der dritten Welt singen, die den Freihandel dämonisieren. Sicher, der Freihandel ruiniert die Kleinbauern, er industrialisiert jedoch. Bei einer stark wachsenden Bevölkerung gerät die bäuerliche Subsistenzwirtschaft Afrikas, Asiens und Lateinamerikas an ihre Grenzen. In Rwanda und Burundi kann man das am besten studieren. Die Stämme hauen sich wegen Landmangel die Birne ein. Ohne eine Änderung der Wirtschaftsstruktur bringt man die Leute bei einer Bevölkerungsdichte wie in NRW nicht durch.
Nicht nur in Deutschland, auch in Amerika gibt es starke Widerstände gegen den Abbau von Handelshindernissen. Auf der anderen Seite des großen Teichs gibt es die America Energy Advantage (AEA) als eine Gruppe von Unternehmen und Organisationen, die das geförderte Gas im Land behalten will, um eine Renaissance der amerikanischen Industrie durch reichliche und billige Versorgung mit Erdgas zu bewirken. Die AEA behauptet, daß LNG-Exporte (LNG ist verflüssigtes Erdgas, welches für den Transport in Produktentankern geeignet ist) zu einer geringeren amerikanischen Beschäftigung führen würde und die Wiederauferstehung der amerikanischen Industrie behindern würde.
Die Exportgegner ziehen argumentativ alle Register: “Die US-Regierung muß sicherstellen, dass wir die schnell wachsende zukünftige Nachfrage nach Erdgas in unserem Land decken, bevor wir blindlings in den massiven Export von LNG gehen”, sagte zum Beispiel Peter Huntsman, Präsident und CEO der Huntsman Corporation, eines international tätigen Chemieunternehmens mit der Firmenzentrale in Salt Lake City, Utah.
Die AEA hat ein Gefälligkeitsgutachten mit folgendem Inhalt anfertigen lassen: Die US-Wirtschaft würde mehr profitieren, wenn Erdgas in der heimischen Fertigung verbraucht wird, statt es als LNG zu exportieren. Es wären mehr als 90 Mrd.$ Investitionen in energieintensiven US-Produktionen angekündigt (auch deutsche Betriebe gehören dazu. BASF produziert gerne und mit Erfolg in den Staaten). Diese Investitionen könnten eine Verdoppelung des BIP, eine Verachtfachung der Dauerarbeitsplätze in den betreffenden Industrien und eine Vervierfachung der Stellenangebote im Baugewerbe auslösen, so die AEA. Die durch billiges Gas erzielbare US-Produktion würde das Handelsdefizit um 52.000.000.000 $ jährlich verringern, verglichen mit $ 18 Milliarden Euro für den Export von Erdgas als LNG.
Dieser neue Industrialismus ist eine Reaktion auf den einseitigen Finanz- und Handelskapitalismus der Clinton-Präsidentschaft. Damals hatte man auf Investmentbanking zum schnellen Reichwerden gesetzt und industrielle Interessen weitgehend hinten angestellt. Der Change kam nicht mit Obama, er kommt, wenn er überhaupt kommt, erst ab 2017 mit Trump.
Die Freihandelsgegner in Deutschland und Amerika haben nach der Wahl von Donald Trump gute Karten. TTIP ist so gut wie vom Tisch. NAFTA vielleicht auch. Die deutschen Grünen brauchen keine Chlorhähnchen mehr zu befürchten. VW und die Deutsche Bank müssen sich mit der sprunghaften amerikanischen Justiz und nicht mit einem neutralen Schiedsgericht herumschlagen. Bob Dylans Träume gehen in Erfüllung. Das Seidenkleid, die Perlen, das Hundehalsband und der Blumentopf werden dank billiger amerikanischer Energie und hohen Zöllen vielleicht bald wieder in den Staaten produziert werden. „Union Sunrise“.
Freihandel war, mit Ausnahmen von L. Erhard, kein deutsches Steckenpferd. Freihandel bedarf auch nicht der Staates. Und dort liegt der Hund begraben. Je größer der Einfluss des Staates desto größer die Vorteile für diejenigen, die dem Futtertrog der staatlichen Zentralbanken am nächsten stehen.
Und den Hardcore-Keynesianer Schmidt als Weltökonom zu bezeichnen habe ich eher zynisch verstanden.
Trump ist Geschäftsmann. Er wird den „Freihandel“ nicht aufgeben (weil es eh nur staatlich gesteuerter Handel ist), sondern neu justieren. Zum Teil, insbesondere mit China, sehr verständlich. Er hat sich dahin gehend auch entsprechend geäußert.
ansonsten empfehlen ich dem Herr der ökonomischen Analphabeten, Literatur von L. Erhard, v. Mises, Roland Baader und Hayek zu lesen.
Union Sundown heißt aber doch wohl eher: Untergang der Gewerkschaft.
Wolfgang Prabel schrieb am 7. Dezember 2016 um 22:28 Uhr:
….Es wiederholt sich das. was bei der deutschen Einheit schon versäumt wurde. Normalerweise hätten die Ossis Anspruch auf eine gewisse Erwachsenenbildung am Vormittag gehabt. Zum Beispiele in Englisch…….
Da gebe ich ihm Recht, tatsächlich mal.
Achtung Troll!
Nicht füttern!
Mit Freuden Paule
Dylan hat immer von Zweideutigkeiten gut gelebt. Ich denke es kann beides sein: Die Gewerkschaft und die Union der Staaten.
Hallo Herr Prabel,
Interessantes Thema, aber das ist man ja bei Ihnen gewöhnt. 🙂
„…aber Freihandel Industrialisiert…“
Richtig, gegen Freihandel zum gegenseitigen Vorteil wäre auch nichts zu sagen, dank der niedrigen Löhne bietet er dem ausländischen Kapital die Möglichkeit zu exorbitanten Gewinn. So weit so gut wenn dann die „produzierenden Länder“ davon etwas hätten.
Haben sie aber nicht. Die Gewinne gehen dahin wo die Eigner des ausländischen Kapitals zu Hause sind. In Form von Gewinntransfer oder Dividenden, den es geht nicht um gegenseitigen Vorteil sondern um Profit!
Steuern fallen auch nicht, schließlich ist Kapital ein „scheues Reh“ und Folgeinvestitionen werden meistens auch nicht getätigt. Was bleibt sind ausgenutzte Arbeiter, Umweltschäden und Kapitalflucht.
Das ist bei uns in Deutschland auch nicht besser, im Gegenteil der Gewinn der „deutschen“ Unternehmen die in Wirklichkeit keinen deutschen, sondern den ausländischen Besetzern/Eigner gehören, gehen denselben Weg.
Deshalb marode Infrastruktur, marode Schulen, arme Rentner und keine funktionierende Armee, Gerichte, Medizin, Polizei usw.
Aktuell stöhnt China darüber sehr. Siehe hier: http://www.wallstreet-online.de/nachricht/9156392-kampf-kapitalflucht-china-begrenzt-dividendenueberweisungen-auslaendischer-firmen-millionen-dollar
Das Beispiel zeigt aber China kann sich auch dagegen wehren. Kann das Deutschland auch?
Es geht längst nicht mehr um Freihandel. Es geht bei der Globalisierung – um die Freiheit für marodierendes Kapital.
Trump hat das erkannt und zwingt/bietet diesem Kapital eine Heimat an/auf. Der Deal geringe Steuern gegen Arbeitsplätze für Amerikaner.
Z.B:
„Apple Inc. dürfte unter der Trump- Administration bei der Repatriierung von Cash mit am stärksten von einer Steuervergünstigung profitieren. Apple habe 216 Mrd. Cash im Ausland (37% der Marktkapitalisierung) und dürfte 54 Mrd. USD weniger Steuern zahlen, falls das komplette Kapital repatriiert werde.“
Aus: http://www.aktiencheck.de/exklusiv/Artikel-Apple_Aktie_grosser_Profiteur_Trump_Administration_Aktienanalyse-7543078
Es gibt mehr Beispiele.
Trump hat aber auch klar gemacht dass er einfach wieder abhauen nicht zu lassen wird.
Siehe diese Klimabude die nach Mexiko wollte. Trump: könnt ihr mach aber 35 % Einfuhrzölle, das Reichte.
Gleichzeitig sagen seine Personalvorschläge für die Ministerien: in der Schule wird wieder gelernt, Arbeiter sollen wieder arbeiten und die Armee ist kein Selbstbedienungsladen in den Billionen Dollar verschwinden können.
Wenn ich Facharbeiter in Amerika wäre würde ich sagen: Amerika first it great!
Als Deutscher werde ich kämpfen und beten das wir eine Regierung bekommen die NICHT schreit „EU hier habt ihr unser Geld!“ sondern erkennt das „Deutschland ist dran!“ das notwendige Motto ist.
Wenn uns das nicht gelingt kommen schwere Zeiten.
Das es gelingen kann beweist Trump auch und er ist noch nicht einmal im Amt: Politiker haben die Macht die Wirtschaft zu zwingen im Land vernünftig zu wirtschaften, also Leistungen (und nur diese) auch ordentlich zu bezahlen. Dazu gehören Infrastruktur, Schulen, Rentner und eine funktionierende Armee, Gerichte, Medizin, Polizei usw.
Mit freundlichen Grüßen
Paule
Bitte nochmal. Was würden Sie als Facharbeiter in Amerika sagen? Man wird Sie nicht verstehen.
Dass Amerika sich in der Praxis, so wie von Herrn Trump gewünscht, sich von China frei machen kann, halte ich noch sehr unwahrscheinlich. Wahrscheinlich werden einzelne kleine Wassertropfen wie Sturzbäche angepriesen und medial aufgearbeitet.
Hallo Kalli,
eine vollständige wirtschaftliche Entflechtung wird es nicht geben, dakor.
Das Gewinnstreben der Multis in den „entwickelten Wirtschaften“ der westlich Welt hat allerdings ein Maß erreicht, das die heimische Machtbasis in Gefahr bringt.
Ei Beispiel: ist die Waffenindustrie der USA als Basis des Weltpolizisten.
Ohne moderne Infrastruktur und gut ausgebildete Arbeiter, Wissenschaftler und Verwaltungsfachleute, kann man diese Waffen nicht produzieren. Oder sollte das auch die Chinesen übernehmen?
(Sie haben es bereits Versucht. Siehe: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/usa-werfen-chinesischen-professoren-spionage-vor-a-1034608.html )
Darum geht es Trump, Sicherung der eigenen Machtbasis und Reorganisation der eigen Wirtschaft, (Industrie, Forschung, Arbeitskräfte) als Basis des Militärs.
Trump ist keine Friedenstaube und kein Gutmensch er ist Realpolitiker.
Amerika stark machen heißt für ihn Amerika für die nächsten Kämpfe/Kriege zu trainieren.
Deutschland ist in der gleichen Lage unser (Macht)Mittel sind nur (noch) andere.
Ich befürchte ohne uns zu stählen, werden wir den Ansprüchen die die Welt und auch Trump an uns stellen wird nicht gewachsen sein.
Im Gegenteil unser Rauten tun alles um uns weiter zu schwächen: Infrastruktur-Misere, Bildungsschwäche, Finanzkrise, EU-Krise, Völkerwanderung…
Gruß Paule