Deutsche als Gesindel und Sklavenmasse
Es wird fälschlich behauptet, daß der Selbsthaß der deutschen Idealisten, die derzeit das Label „Gutmenschen“ führen, aus den Verbrechen des Nationalsozialismus resultiere. „Nie wieder Deutschland“ sei das Echo auf Auschwitz und die Reichskristallnacht schallt es von der Matt-Scheibe und aus dem Blätterwald. Natürlich ist das ein populärer Irrtum.
Auch werden Deutsche auch nicht erst seit Auftauchen der AfD und von PEGIDA als Gesindel, Pack und Mob bezeichnet.
Die teutonischen Idealisten haben Deutschland bereits nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg aus ganzem Herzen gehaßt. Aus enttäuschter Liebe, ja aus Liebeskummer. Da trug Adolf Hitler zeitgleich noch die rote Armbinde der Münchner Räterepublik.
Johannes R. Becher war ein recht bescheiden talentierter expressionistischer Dichter, der vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieg vor Kriegsbegeisterung fast platzte.
O dass doch ein Brand unsre Häupter bewölb
Es rascheln gewitternd Horizonte fahlgelb (…)
Wir horchen auf wilde Trompetdonner Stöße
Und wünschten herbei einen großen Weltkrieg. (…)
Die Nerven gepeitschet, die Welt wird zu enge.
Laßt schlagen uns durch Gestrüpp und Gedränge!“
„Reim dich, oder ich preß dich!“, sagte man in meiner Jugendzeit zu solchen erbärmlichen uninspirierten Holperversen. Gerd Koenen hat in seinem Buch „Der Rußlandkomplex“ (sollte man sich kaufen) den Weg Bechers vom schwärmerischen Germanophilen zum Kommunisten nachgespürt: 1914 hatte Becher patriotische Kleist-Hymnen verfasst, in denen Preußen verklärt wurde, 1916 drechselte er an Dostojewski-Hymnen, 1917 phantasierte er bereits von Aljoscha, der Gott tötet, und sich über ihn setzt; der der Armut Land und Hermelin reicht. Er schloß sich wie viele Expressionisten der neu gegründeten KPD an, ohne eine auch nur entfernt marxistische Herangehensweise an die Nöte der Arbeiterklasse zu entwickeln. Eher war sein Gestus expressionistisch-gefühlsduselig. Auf Hiddensee schrieb er das Festspiel
„Arbeiter, Bauern, Soldaten – der Aufbruch eines Volkes zu Gott“. „Wandelt euch, zerschlagt eure Götzen, brecht, Sklaven, auf aus der Wüste, aus trüber Verlassenheit eigener Knechtschaft.“
1919 war es endlich so weit, dass er den „Gruß des deutschen Dichters an die russische föderative Sowjet-Republik“ verfasste:
Der Dichter grüßt dich -: Sowjet-Republik.
Zertrümmert westliche Demokratien!
Schon sternt ein Beil ob Albions Stier-Genick.
Dein Sieg, oh Frankreich, muß dich niederziehn!
Der Haß auf den Kapitalismus und die Demokratie war die Konstante im Leben Bechers, die Verkleidung dieses Hasses wurde in einem Umdenkungsprozeß gewechselt. Nachdem Deutschland als Speerspitze des Kampfes gegen den pösen Westen versagt hatte, wurde ohne zu zögern auf Lenins Russland gesetzt.
Ein zweiter Beispielwendehals war der deutsche Weltreisende und Diplomat Alfons Paquet. Seine Ideen kulminierten in der Idealvorstellung einer deutschen Weltmission:
„Unsere Weltflucht muß nach vorwärts in die Einsamkeiten, in die Versuchungen und in die Größe des Weltbürgertums. Es wäre Zeit für einen neuen Orden von wandernden Schülern…, eine Vergeistigung der Erde durch das deutsche Wesen.“
Paquet deutete Anfang 1914 in seinem im „Neuen Merkur“ abgedruckten Aufsatz „Der Kaisergedanke“ die gewünschte Reinigungskatastrophe als Flurbereinigung aus: Das Erlöschen der römischen erbärmlichen Kaiserwürde 1806 habe einen rasenden Wettbewerb der europäischen Imperialismen ausgelöst, einen anarchischen, kostspieligen und entsittlichenden Zustand, der nur durch künftige Kriege oder auf dem Wege einer großen Flurbereinigung zu lösen sein werde. In der Frankfurter Zeitung vom 27.08.1914 betonte er, dass wir bereit seien mit dem blutroten Stift eine neue Weltkarte zu zeichnen und dass Deutschland bereits den Neuen Menschen in seinem Schoß trage.
Mit dem Brester Frieden schienen die Aussichten Deutschlands auf den Endsieg gestiegen zu sein. Am 22.03.1918 notierte Paquet in sein Tagebuch, dass ein neuer Siebenjähriger Krieg drohe, nur weil die Kriegsgener ihre Niederlage nicht eingestanden hätten. Es sei ein Krieg der Freimaurerei, der Verbindung von Kapitalismus und Demokratie, die gegen Deutschland als Kulturstaat gerichtet sei. Immer wieder traf er sich mit dem bolschewistischen Kommissar Karl Radek beim Rotweintrinken.
Exemplarisch für viele andere Intellektuelle sei hier die Reaktion von Alfons Paquet auf die deutsche Niederlage und auf die ausbleibende elitaristische Revolution dargestellt: Er notierte in sein Tagebuch, dass das deutsche Volk es nicht besser verdient habe, als jetzt am Ende eines mit wahnsinnigen Opfern geführten Krieges als Bettler dazustehn. Es sei unaufrichtiges schielendes Gesindel, Sklavenmasse, Dickköpfe. Unsere „Helden“ wollten ohne Genie einen Krieg gegen die ganze Welt gewinnen, nur mit roher Kraft. „Hol sie der Teufel.“ Innerhalb von Stunden waren aus den Helden der Kulturnation schieläugige Untermenschen geworden. Paquet war fertig mit Deutschland und träumte von der Oktoberrevolution, obwohl er außer einer dreitägigen Marx-Lektüre und hochwertigem Rotwein bei Radek nie etwas mit der Arbeiterbewegung zu tun gehabt hatte. Den Haß auf England, den Kapitalismus und die Demokratie konnte man als Sympathisant der Bolschewiki abarbeiten, und vorerst nicht mehr als deutscher Geistiger. „Nirgends ein klarer Blick und fester Wille“ notierte er in Berlin. Die vormalige übergroße Verehrung für alles Deutsche schlug von Stund an in Selbsthaß um, nur um die Fiktionen des „geistigen Aristokratie“ zu retten.
Heinrich Vogeler beispielsweise malte nach 1918 keine „nordischen Marienbilder“ im Worpsweder Moor mehr, sondern den Kreml als transluzente Kegelpyramide. Käthe Kollwitz kämpfte nicht mehr um die angemessene Höhe der Vergütung originär deutscher Kunstwerke, sondern für die KPD. Bertold Brecht waren deutsche Ehre und Würde nicht mehr aller Opfer wert, so eine Eintragung in sein Tagebuch 1914. Er wurde Autor von widerlichen stalinistischen Lehrstücken. Ein Teil der literarischen Koterie übte den in der KPD generalstabmäßig organisierten Hochverrat, wurde erst Leninist und dann Stalinist, um nur noch einem zweifellos aristokratisch aufgestellten ausländischen Geheimdienst untertan zu sein. Im Zweifel ließ man sich von dieser Tscheka oder GPU wollüstig zermalmen. Einige Führer des deutschen Expressionismus, die in das Heimatland der Werktätigen emigriert waren, endeten als Eisbärfutter im Gulak, z. B. Herwarth Walden (ein germanophiler Kunstname für Georg Lewien) und Heinrich Vogeler.
Thomas Mann litt wie so viele unter dem manischen spätkaiserzeilichen Waschzwang:
„Krieg!, Es war eine Reinigung, Befreiung, was wir empfanden, und eine ungeheure Hoffnung.“ „Was die Dichter begeisterte, war der Krieg an sich selbst, als Heimsuchung, als sittliche Not. Es war der nie erhörte, der gewaltige und schwärmerische Zusammenschluß der Nation in der Bereitschaft zur tiefsten Prüfung – einer Bereitschaft, einem Radikalismus der Entschlossenheit, wie sie die Geschichte der Völker vielleicht bisher nicht kannte. Aller innerer Haß, den der Komfort des Friedens hatte giftig werden lassen – wo war er nun?“ (…) „Wie hätte der …Soldat im Künstler nicht Gott loben sollen für den Zusammenbruch einer Friedenswelt, die er so satt, so überaus satt hatte.“
Mann bekannte sich ausdrücklich zum „Gedankendienst mit der Waffe“, um das deutsche Wesen zu verteidigen. Am Tage des Waffenstillstands mit Russland schrieb Mann:
„Friede mit Russland!, Friede zuerst mit ihm! Und der Krieg, wenn er weitergeht, wird weitergehen gegen den Westen allein, gegen die „trois pays libres“, gegen die „Zivilisation“, die „Literatur“, die Politik, den rhetorischen Bourgeois!“
Etwa 1927 nach einem Italien-Besuch kriegte er sich übrigens wieder ein und verteidigte die zuvor verachtete Zivilisation.
Man kann zu Hunderten weitere Biografien heranziehen, um diesen Selbsthaß der vorher stramm teutonischen Kriegspropagandisten zu rekonstruieren. Sie waren krankhafte Weltverbesserer. Als sie merkten, daß Deutschland militärisch gescheitert war, warfen sie ihre schrägen Bilder vom Sieg des Idealismus auf die nächste Projektionsfläche. Auf Rußland, später auf China, Kambodscha, Albanien, Nikaragua, und als alle Paradiese entzaubert waren blieb noch das exterritoriale Reich Che Guevaras.
Der Wehrmachtsoffizier und Bundeskanzler Helmut Schmidt sagte einmal, wer Visionen habe, solle zum Arzt gehen. Recht hatte er. Idealisten gehören eigentlich in die Klapsmühle. Und die Märchen von der deutschen Schuld als Basis des Selbsthasses müssen endlich geschrottet werden.
Selbstverachtung gibt es nicht nur bei uns. Eine russische Anekdote fragte beiläufig, warum man die Weißrussen nicht leiden könne. „Weil sie so sind wie wir!“
Der Autor hat weitergehende Anmerkungen zur Geschichte des Gutmenschentums im ebook „Der Bausatz des Dritten Reiches“ gemacht. Es waren nicht die kaiserlichen Offiziere und Beamten, die den Weg ins Dritte Reich ebneten, sondern die „Grünen“ des Kaiserreichs und der Weimarer Republik.
Wie wäre es mit einem zweiten Band, „Vom Sieg des Sozialismus“ meinetwegen, der die rotgrüne (also braune) Spur bis heute verfolgt? Ein Kapitel könnte sich beispielsweise der erfolgreichen Zerstörung der deutschen Sprache widmen. mfG!