Lieber Knast als Krieg
Fast immer waren es Sozialdemokraten, die einen moralischen Paukenschlag über die Kunst zurückhaltenden und wohlüberlegten Handelns stellten. Die einfach kein Benehmen hatten. Steinbrück, Schröder, Schulz, Maas, Gabriel und Stegner griffen schnell mal zu exzessiven Wertungen, auch gegenüber Nachbarländern. Im Innern gibt es für diese moralinsauren Herrenmenschen sowieso nur Mob, Pack und Gesindel. Die angedrohte Kavallerie gegen die kleine Schweiz ist allen Friedensfreunden als Frevel unvergessen. Oder die Beleidigung von Beppe Grillo und Ministerpräsident Berlusconi als Clowns. Die SPD ist eben eine unverbesserliche Lehrerpartei, die ungern lobt, gerne tadelt und auch mal mit dem Rohrstock rumfuchtelt. Die denken in Europa wäre Unterricht und alle anderen wären Schüler.
Der Fraktionsvorsitzende dieser deutschen Beleidigungspartei im Bundestag, Thomas Oppermann, hatte anläßlich des Falls Böhmermann den Vorschlag in die Diskussion eingebracht, die Beleidigung von ausländischen Staatsoberhäuptern nicht mehr zu ahnden und den § 103 des deutschen Strafgesetzbuchs abzuschaffen.
Dieser § 103 „Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten“ ist so formuliert:
(1) Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt oder wer mit Beziehung auf ihre Stellung ein Mitglied einer ausländischen Regierung, das sich in amtlicher Eigenschaft im Inland aufhält, oder einen im Bundesgebiet beglaubigten Leiter einer ausländischen diplomatischen Vertretung beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Der § 103 macht durchaus Sinn, weil internationale Beleidigungen oft Kriege heraufbeschworen haben. Man erinnere sich nur an die Emser Depesche, mit der der Deutsch-französische Krieg von 1870/71 ausgelöst wurde. In vielen Teilen der Welt ist eine Beleidigung noch heute ein Eskalationsgrund, manchmal Kriegsgrund. Im Nahen Osten gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder man überhört die Beleidigung. Dann braucht man auch nicht zu ahnden. Oder die Beleidigung ist unüberhörbar, mit der Folge, daß man sich Genugtuung verschaffen muß, um die Achtung nicht zu verlieren.
Nun könnte man dem Nahen Osten ja einfach aus dem Wege gehen. Dann wäre man mit europäischen Gepflogenheiten unter sich. Die Bundesregierungen haben jedoch seit Jahrzehnten das Rechtsverständnis und die Moral des Orients in unser Haus geholt und deshalb ist eine Beleidigung eben immer noch ein Kriegs- oder Konfliktsgrund, wie in Europa vor hundert Jahren.
Die Genugtuung bei Beleidigungen ist in der moslemischen Rechtsordnung geregelt. Da es dort keine Gleichheit vor dem Gesetz gibt, macht es einen Unterschied, ob ein Moslem einen Moslem beleidigt, ein Moslem einen Kaffer beleidigt (das kann unter Umständen auch verboten sein) oder ein Kaffer einen Moslem. Im letzteren Fall kann die Herabsetzung immer auch als Beleidigung des Islam ausgelegt werden und hat dann drastische Strafen zur Folge. Eine Reise in die Türkei würde ich Böhmermann und den Granden des ZDF nicht empfehlen. Sie würden ungerupft wohl keine hundert Schritte weit kommen.
Die Abschaffung des § 103 ist also aus Gründen der Friedenserhaltung eher kontraproduktiv und wurde von Oppermann wohl aus einer populistischen Berechnung heraus vorgeschlagen: Daß das beim deutschen Publikum sowie bei der Lügenpresse gut ankommt und das ramponierte Ansehen der SPD etwas aufpoliert. Böhmermann würde die Abschaffung des Paragrafen allerdings nichts nützen, weil Rechtsänderungen rückwirkend keine Rechtskraft entfalten.
Oppermann und seine Freunde haben als Kinder zu viele Folgen von „Pippi Langstrumpf“ gesehen, die sich die Welt zusammenphantasierte, wie sie ihr gefiel. In Wirklichkeit ist die Welt eben so fragwürdig wie sie ist und manche unschönen Dinge auf dem Globus kann nicht einmal die machtbesoffene SPD ändern.
Thomas Oppermann könnte seinen Mannesmut vor Fürstentronen durchaus zielgerichtet beweisen und die Abschaffung des § 90 StGB „Verunglimpfung des Bundespräsidenten“ fordern, ohne den Frieden mit Nachbarländern zu gefährden. Dort heißt es:
(1) Wer öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften (§ 11 Abs. 3) den Bundespräsidenten verunglimpft, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. (…)
(3) Die Strafe ist Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Tat eine Verleumdung (§ 187) ist oder wenn der Täter sich durch die Tat absichtlich für Bestrebungen gegen den Bestand der Bundesrepublik Deutschland oder gegen Verfassungsgrundsätze einsetzt.
(4) Die Tat wird nur mit Ermächtigung des Bundespräsidenten verfolgt.
Diese Vorschrift des § 90 hat sich tatsächlich aus dem Straftatbestand der Majestätsbeleidigung entwickelt, die Oppermann ein Dorn im Auge ist. Wenn er dagegen behauptet, der § 103 hätte seinen Ursprung in Majestätsbeleidigung, so irrt er. Es gab schon seit unvordenklichen Zeiten Staatsoberhäupter, die keine Majestäten waren, z.B. in der Schweiz, in Venedig, in Genua, in San Marino, in Amerika und in vielen deutschen Reichsständen wie zum Beispiel allen Reichsstädten, Reichsdörfern und Reichstälern oder der Bauernrepublik Dithmarschen.
Gesetzesänderungen, aus einer aktuellen Not heraus als Schnellschuß beschlossen, sind immer unausgegorener Mist. Wenn ein verunglückter Satiriker auf der linken Backe im deutschen Strafvollzug ein paar Jahre absitzt, ist das ein kleinerer Schaden, als ein internationaler Konflikt aus Beleidigungsgründen, in dem tausende Leute Gut und/oder Blut vergeuden. Was wäre zum Beispiel wenn die Türkei deutschen Besitz in Anatolien beschlagnahmen würde?
Das ganze unwürdige Gezerre um den § 103 StGB hätte Frau Merkel übrigens vermeiden können, wenn sie am 7. Oktober 2015 nicht auf die bescheuerte Idee gekommen wäre, die EU-Außengrenze in der Türkei zu errichten. Dann hätte Böhmermann vermutlich ein anderes unterirdisches Gereime verfaßt und wäre aus dem Schneider.
Übrigens wurde von ihm auch das rührende ländlich-sittliche Bild der türkischen Ziege in den Informationskot des ZDF gezogen…
Viele Grüße an alle SPD-geführten Verfassungsschützämter, die diesen sauberen Eintrag studieren müssen…
Danke für Ihre interessanten Ansichten, Herr Dr. Prabel!
Als Bürger mit ausgeprägter Distanz zum Staatstreiben sind mir solche Eingriffe in die Freiheit des einzelnen durchweg suspekt, egal ob es um die Ähre irgendwelcher Führer geht oder um Ansichten zu speziellen historischen Vorkommnissen: Wir marschieren in die Deutsche Demokratische Republik. mfG
Danke für den Beitrag, m. E. nach das beste, das ich zu diesem woanders ansonsten langsam langweilenden Thema las.
>Böhmermann würde die Abschaffung des Paragrafen allerdings nichts nützen, weil Rechtsänderungen rückwirkend keine Rechtskraft entfalten.<
Das schätzt RA Udo Vetter (lawblog) etwas anders ein, denn er führt aus: "Nach § 2 StGB gilt nicht das Strafgesetz am Tattag, sondern im Falle einer Gesetzesänderung immer das mildeste Gesetz zum Zeitpunkt des Urteils. Wenn ein Paragraf völlig das Zeitliche segnen würde, gibt es also keine Grundlage für eine Verurteilung mit der Folge, dass das Verfahren eingestellt werden oder der Angeklagte sogar freigesprochen werden müsste."
Das ist quasi die Hintertür die Merkel, scheints, nutzen will um einerseits, ala Pontius Pilatus, die Hände in Unschuld zu waschen (Sie hat ja nur nach Recht und Gesetz gehandelt!), und andererseits eine Verurteilung (Die Ihr gewaltig schaden würde!) zu verhindern!
Herr Prabel, Sie meinen allen Ernstes, dieser Paragraph hätte auch heute durchaus seinen Sinn? Im 21. Jahrhundert? Ich will es mal auch das „aufgeklärte“ 21. Jahrhundert nennen, obwohl ein Klüngel in Europa kräftig dabei ist, die Uhr zurückzudrehen. Meinen Sie wirklich, jemand in irgendeiner hochgestochenen Stellung eines Staates würde wegen Majestätsbeleidigung durch einen Pausenclown (kann man übrigens geteilter Meinung sein über sein Delikt) einen ernsthaften Konflikt mit einem anderen Staat beginnen? Wenn wir solches archaisches Verhalten ständig zu vergegenwärtigen hätten, dann müßten einige Gesetzestexte reaktiviert werden. Ich denke da nur an die Todesstrafe. Und so einige andere Verhaltensweisen, die wir glücklicherweise ablegen konnten, müßten wir uns wieder angewöhnen. Obwohl, wenn oben erwähnter Klüngel durchkommt mit seinen Plänen, sollten wir das wohl doch ins Auge fassen…
Zum (bisherigen?) Mainstream-Comedian selbst haben Sie doch wohl die Meinung von Bettina Röhl zur Kenntnis genommen. Die Autorin geht da noch einen ganzen Schritt weiter als ich bei der Einstufung der Wertigkeit als Beleidigung oder nicht. Auf jeden Fall: Die Story hat noch viel Potential.