Die Reise in den Bevormundungsstaat
In Deutschland leben wir in einer kleinlichen Erziehungsdiktatur, die den permanenten Kniefall von uns dummen Schülern vor der Weisheit der allwissenden Lehrer erheischt. Das ist auch bei der Benutzung der Eisenbahn so. Wir Zirkustiere sollen nicht ein Jota vom Willen unserer Dompteure abweichen. Oder um ein Bild der „Farm der Tiere“ zu bemühen: Nur die Schweine bestimmen, wie umgestiegen wird.
Man darf nach der reinen Lehre dieser Schweine am Bahnhof auf keinen Fall mit einem Individualfahrzeug ankommen, sondern muß unbedingt den öffentlichen Nahverkehr benutzen. Sonst ist unser Verhalten in den Augen der CO2-fixierten Fanatiker nicht politisch korrekt. Selbst in Mittelstädten gibt es keine bahnhofsnahen Parkplätze in ausreichender Anzahl mehr. Die Nationale Front der Bundestagsparteien faselt vom integral vertakteten Verkehr, wo man von einem ins andere öffentliche Verkehrsmittel wartezeitfrei umsteigen kann und besteht darauf, daß alle dieser starren und lebensfernen Fortbewegung gehorchen.
Das funktioniert in der Praxis aber nur, wenn es keine Verspätungen gibt, wenn bis ins kleinste Dorf im Viertelstundentakt noch ein Bus verkehrt und die Leute auf ihren Wegen nichts weiter zu erledigen haben, zum Beispiel nicht Einkaufen und keine Kinder von der Schule abholen müssen.
Das Leben der wirklichen Menschen ist vor und nach der Arbeit nur ein Gehetze. Das morgendliche Abgeben der Kinder im Kindergarten nennt sich im Volksmund „Kinder abwerfen“, weil es unter extremen Zeitdruck steht. Da darf kein Knopf oder Reißverschluß klemmen. Genauso ist es abends, wenn vor der Schließzeit mit quietschenden Reifen die „Kindereinrichtung“ angesteuert wird. Und dann muß man die durchgedrehten Kinder unterwegs noch schnell durch eine Kaufhalle dirigieren. Das ist alles mit öffentlichen Verkehrsmitteln im zur Verfügung stehenden Zeitfenster nicht machbar.
Leute, die über das Leben der Normalen entscheiden, haben entweder wie Frau Merkel keine Kinder oder sie haben wie die kinderreiche Frau von der Leyen ein paar Zugehfrauen.
Ein verspätungsfreier Verkehr auf Hauptstrecken der Bahn ist unrealistisch und funktioniert nur bei Jim Knopf im Lummerland. Das bekanntlich nur aus einer Insel mit zwei Bergen besteht. Und im Kopf vom Verkehrstheoretiker Anton Hofreiter. Genauso ist ein sehr pünktlicher innerstädtischer Busverkehr in Spitzenzeiten unrealistisch. Im integrierten Taktverkehr schaukeln sich Betriebsstörungen auf, das heißt eine Verspätung bringt das ganze System durcheinander. Für langsame, behinderte und begriffsstutzige Leute sind die Umsteigezeiten oft zu kurz.
Praktisch kann man viele Alltagsaufgaben nur lösen, wenn man öffentliche Verkehrsmittel und das eigene Auto miteinander kombinert, ohne daß man vom Staat dabei bevormundet wird.
Ganz anders als im verklemmten Deutschland wird der Reiselustige in Italien behandelt. An fast allen Bahnhöfen sind in den letzten drei Jahren Großparkplätze und Parkhäuser gebaut worden und die sind bemerkenswerterweise in der Regel gebührenfrei. Das hat zur Folge, daß die Fahrgastzahlen der Bahn sich sehr erfreulich entwickelt haben. An vielen kleineren und mittleren Bahnhöfen ist eine Verdoppelung der Ankünfte und Abfahrten zu verzeichnen.
Davon kann die Deutsche Bahn nur träumen, weil es in Deutschland kein ersprießliches Miteinander von Kommunen und Bahn gibt. Die Kommunen fordern von der Bahn den ICE-Halt, immer mehr Verbindungen, ohne etwas dafür zu geben: nämlich gebührenfreien Parkraum.
Zur Flexibilität des schienengebundenen Nahverkehrs gibt es eine aufschlußreiche Anekdote: Der Trambahnführer klingelt wild, weil vor ihm ein Mann mit einem Gemüsekarren dahintrottet, genau auf den Schienen. Schließlich beugt er sich aus der Tram und brüllt: „Kannst net aus´m Gleis mit dei´m Scheißkarrn!“ „Ich scho „, antwortet der Mann, „aber du net!“