Die Sozialdemokraten gehen sich an die Gurgel
In der sozialistischen Fraktion des Europaparlaments sind 190 Abgeordnete vereinigt. Das macht ungefähr ein Viertel der Mandate aus. Die größten Landesgruppen stellen die Italiener mit 29, die Deutschen mit 27 und die Briten mit 20 Parlamentariern. Weit abgeschlagen sind die Spanier mit 13, die Franzosen mit 12, die Rumänen mit ebenfalls 12. Insgesamt gibt es 38 sozialistische und sozialdemokratische Parteien im EU-Parlament.
Exakt heißt die Fraktion „Progressive Allianz der Sozialdemokraten“. Blos, wo ist der Fortschritt? Fraktionsvorsitzender ist der Italiener Gianni Pittella. Er hat im Gegensatz zu seinem Amtsvorgänger Martin Schulz wenigstens einen ordentlichen Beruf und ist Mediziner. Er muß zwischen recht extremen Positionen vermitteln und beherrscht die in Italien erfundene Technik des Kreuzens und Lavierens.
Derzeit ist die Asylkatastrophe das beherrschende Thema in Europa. Das EU-Parlament hört man dabei nicht, denn es ist in den meisten Fraktionen in dieser Frage extrem zerstritten. Am meisten vielleicht in der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten.
Da gibt es einerseits die deutschen Sozialdemokraten, die Merkels Politik des offenen Scheunentors unterstützen. Andererseits die sozialdemokratischen Parteien unserer Nachbarn, die soweit sie in der Regierungsverantwortung sind, fast geschlossen am mazedonischen Grenzzaun basteln. Eine besonders dezidierte Haltung hat der sozialdemokratische Premier der Slowakei. Der tschechische Präsident steht ihm in nichts nach. Der rumänische Regierungsschef Ponta, der inzwischen zurückgetreten ist, stärkte ebenfalls das Lager derjenigen Staaten, die Asylanten nicht europaweit verteilen wollen. Und zum Schluß hat sich der österreichische Kanzler Faymann den Verweigerern angeschlossen, allerdings nicht total.
Die Slowakei will die Durchsetzung von EU-Quoten zur Aufnahme von Asylanten bekämpfen und konsequent verhindern, dass eine geschlossene moslemische Gemeinschaft in Bratislawa entstehen kann. „Die Idee eines multikulturellen Europa ist gescheitert“, sagte der Sozialdemokrat Robert Fico. „Die Migranten können nicht integriert werden, es ist einfach unmöglich.“ Gegen den deutschen Plan, die 2015 angekommenen Asylanten nach einem festen Schlüssel auf die Mitgliedsländer der EU zu verteilen, hatte die Slowakei im Dezember 2015 geklagt. Im ganzen Jahr 2015 beantragten nur 169 Leutchen Asyl, anerkannt wurden acht Bewerber. Nach den Ereignissen von Köln setzte Robert Fico noch einen drauf. Er kündigte an, sein Land werde als Reaktion auf die sexuellen Übergriffe auf Frauen in Köln und Hamburg keine moslemischen Flüchtlinge mehr ins Land lassen. „Wir wollen nicht, dass auch in der Slowakei etwas wie in Deutschland geschehen kann“, so Fico.
Mit der Headline „Zeman kritizoval Angelu Merkelovou“, machte die Zeitung „Blesk“ nach der Weihnachtsansprache des tschechischen Präsidenten auf. 90 % der Tschechen halten den Islam für die größte Bedrohung des Landes. „Dieses Land ist unser Land, es ist nicht für alle da und kann auch nicht für alle da sein“, so endete die Weihnachtsansprache von Zeman, der von 1993 bis 2001 Parteichef der Sozialdemokraten war. Etwas verbindlicher, aber in der Sache hart agiert Regierungschef Sobotka von den Sozialdemokraten. Nur 71 Bewerber erhielten 2015 dauerhaft Asyl in Tschechien. Die in Brüssel beschlossene Pflichtquote zur Verteilung der Flüchtlinge wird von seiner Mitte-Links-Regierung abgelehnt. Tschechien ist sich mit seinen Nachbarländern Polen, Ungarn und der Slowakei einig. Die Staaten drängen gegenüber Berlin auf einen stärkeren Schutz der europäischen Außengrenzen.
Auch oppositionelle Sozialdemokraten agieren gegen die deutschen Merkel-Extremisten und die mit ihr verbündete SPD. „Angela Merkel ist der größte Schadensverursacher Europas“, sagte Leszek Miller, der ehemalige polnische Regierungschef und Vorsitzende der polnischen Linkspartei nach den Pariser Anschlägen. Merkel betreibe eine unbedachte Politik, und schaffe eine Bedrohung für Europa. Niemand habe die Regierungen und Völker der EU gefragt, ob sie eine Massenzuwanderung wünschen.
Wer sich mit Bulgaren zusammenhockt, muß sich darauf einrichten mindestens zwei Stunden am Stück Beschwerden über die Türken anzuhören. Da macht es keinen Unterschied, ob es Leute aus dem linken oder rechten Spektrum sind. Gerade die damals regierenden Sozialisten waren es gewesen, die am Ende der 80er Jahre 380.000 Türken ausgebürgert und in die Türkei verjagd bzw. in Arbeitslager gesteckt hatten. Und nun sollen sie die Moslems wieder reinlassen? Die derzeit oppositionellen bulgarischen Sozialisten sind genauso nervös, wie ihre osteuropäischen Kollegen. Die Delegation der bulgarischen Sozialisten im Europäischen Parlament organisiert gerade eine Konferenz zum Thema „Die Flüchtlingskrise – Stimmen des Balkans“. Auf der Internetseite der Partei heißt es: „Die Flüchtlingskrise entwickelt sich seit mehreren Jahren, aber in den letzten Monaten in bedrohlichen Ausmaßen. Die Balkan-Halbinsel sei besonders betroffen. Europäische Institutionen hätten eine Reihe von pan-europäischen Maßnahmen ergriffen, die von den Mitgliedstaaten nicht umgesetzt wurden. Besondere Sorge für alle Länder auf dem Balkan eröffnet die Möglichkeit, eine Pufferzone zwischen den Konfliktzonen im Nahen Osten und dem Rest der Europäischen Union zu werden. Die Dublin-Verordnung hat bewiesen, dass sie nicht funktioniert.“
Bundeskanzler Frau Dr. Merkel wirbt auch in Frankreich für einen Verteilungsschlüssel für Asylanten in der EU. Frankreich will sich laut dem sozialistischen Regierungschef Manuel Valls nicht daran beteiligen. „Frankreich lehnt dies ab“, sagte der Ministerpräsident in München. „Wir sind nicht für einen dauerhaften Umverteilungsmechanismus.“ Frankreich will 30.000 Ausländer wie bisher besprochen. „Mehr wird Frankreich nicht nehmen.“ Die französischen Sozialisten, die bei den Pariser Anschlägen Hauptopfer der Merkelschen Asylantenströme waren, haben die Nase voll.
Die österreichischen Sozialdemokraten ließen ihr Land im Herbst 2015 auch von Asylanten überrennen. Inzwischen sind sie aber zur Überzeugung gekommen, daß man an der EU-Außengrenze vorsortieren muß und unterstützen die Grenzsicherung in Mazedonien. Die sozialdemokratisch geführte österreichische Regierung will keine Asylbewerber mehr beherbergen, die weiter nach Deutschland wollen. „Österreich ist kein Wartezimmer für Deutschland. Österreich hat immer klar gemacht, dass wir gegen die Politik des Durchwinkens sind“, sagte der Bundeskanzler. „Wer also dafür ist und Flüchtlinge aufnimmt, wie etwa unsere deutschen Nachbarn, hat die Möglichkeit direkt von den Verteilzentren Flüchtlinge zu übernehmen“, so Faymann. Österreich stellt 37.500 Asylplätze in 2016 zur Verfügung und nicht mehr.
Es gibt Unterschiede in der soziologischen Kulisse der verschiedenen sozialistischen und sozialdemokratischen Parteien. In einigen Ländern spielen im linken Spektrum die Interessen der arbeitenden Bevölkerung noch eine gewisse Rolle, in anderen Ländern sind die Sozialisten zu Sachwaltern der Sozialindustrie und der Staatsbürokratie verkommen. Das Entstehen des sozial-industriellen Komplexes ist einerseits Ausweis des Erfolgs sozialdemokratischer Politik. Die Sozialbürokratie hat andrerseits eine Größe und einen Einfluß erreicht, daß das Mittel zum Zweck wird, daß die sozialstaatlichen Apparate ein Eigenleben gewinnen, wobei die arbeitenden Finanzierer des Sozialstaats unter die Räder kommen. In Deutschland ist das der Fall. Arbeiter und Angestellte des gewerblich-technischen Bereichs wählen die Sozialdemokratie kaum noch, weil sie ihre Interessen nicht vertreten sehen.
In der Asylpolitik haben die deutschen Sozialdemokraten den Faden verloren und argumentieren entgegen den Interessen der Mittel- und Unterschicht für mehr Einwanderung in die Sozialsysteme. In anderen Ländern kämpfen die Sozialisten noch um den Anschluß an die geschrumpfte, aber immer noch vorhandene „Arbeiterklasse“. Daraus entwickeln sich logisch innersozialistische Konflikte.
Es gibt drei Sorten der perversen Liebe, so eine russische Anekdote aus den 80er Jahren: Die Liebe zwischen Männern, die Liebe zwischen Frauen und die Liebe zwischen sozialistischen Staaten. Die Liebe zwischen sozialistischen Parteien wohl auch…
Ihr Beitrag gefällt mir sehr gut.