Hellas wie es sinkt und lacht
Vor einigen Tagen berichtete die Presse, daß nun auch die bohémehafte Revoluzzerpartei Syriza im großen Stil Familienangehörige der Parteiführer in der griechischen Verwaltung unterbringt. Diese Ämterpatronage hatte sich seit dem Sturz des Athener Obristenregimes 1974 und der Einführung der Demokratie in Hellas so eingebürgert. Zur Zeit des Ministerpräsidenten Papandreou wurden einmal an einem Tag 40.000 Verwandte in den öffentlichen Dienst eingestellt. Zugespitzt kann man getrost behaupten, daß der griechische Staatsapparat den herrschenden Familien nur zur Versorgung mit Posten diente und leider immer noch dient. Zur Verteidigung dieses Mißstands gibt es eine Beamtengewerkschaft, die derzeit (wie schon früher) interessanterweise der sozialistischen Regierungspartei nahesteht.
Dabei wollte Syriza den Augiasstall der Verwaltung ausmisten. So die Wahlkampfparolen. Und Syriza wollte ja vor der Wahl auch den Reichen an den Kragen. Die Reichen in Griechenland sind vor allem die Reeder. Durch seine Heirat mit der Präsidentenwitwe Jackie Kennedy bekanntgeworden war Aristoteles Onassis (1906-1975). Derzeit beträgt das Familienvermögen der Onassis so bei drei Milliarden Euro. Seine Kollegen aus der schwimmenden Zunft sind wesentlich öffentlichkeitsscheuer, aber auch sehr wohlhabend. Stavros Niarchos hatte ein Vermögen von drei Milliarden Euro zusammengeshippert. Nur 2,6 Milliarden brachte Dimitris Melissanides zusammen. George Economou – der Name ist Programm – bringt es auf 1,5 Milliarden. Das Handelsblatt berichtete, daß nur 862 von 3.760 griechischen Schiffen besteuert werden. Ein altes Kriegsleiden ist es, dass die griechische Verfassung den griechischen Reedern für Investitionen in Schiffe volle Steuerbefreiung garantiert.
Am 31.12.2014 hatten griechische Reeder Schiffsbestellungen von 19.194 000 GT (Gross Tonnage) in den Orderbüchern japanischer, chinesischer und südkoreanischer Werften. Spitzenreiter bei den Bestellungen war die Volksrepublik China mit 24.313.000 GT. Für das kleine Griechenland reichte es weltweit also wieder einmal für Platz zwei.
Wenn man davon ausgeht, daß die von Griechenland bestellten 19,2 Mio Bruttoraum etwa 19 Mrd. $ kosten, so muß die Frage erlaubt sein, warum sich das Dreigestirn aus EZB, IWF und EU noch nie für diesen Umstand interessiert hat. Gemessen an 47 Mrd. € Gesamtsteuereinnahmen in Griechenland (2014) sind die Schiffsinvestitionen wirklich kein Pappenstiel. Wenn das Geld für die Schiffskäufe mit einem moderaten Steuersatz von 30 % besteuert würde, kämen etwa 5 Mrd. € zusammen. Damit ließen sich die Probleme der griechischen Finanzverwaltung lösen – wenn nicht wieder tausende Verwandte in die Ministerien und Verwaltungen strömen würden. Die Regierung Tsipras wird sich daran messen lassen müssen, ob sie an die Gewinne der Superreichen mit normaler und milder Ertragsbesteuerung irgendwann ein bißchen herankommt.
Kürzlich habe ich einen schmackhaften griechischen Streichkäse gekauft. „Scharfer Grieche“ steht drauf. Mein erster Gedanke: Endlich fangen die Griechen an, etwas Eßbares herzustellen und zu verkaufen. Bei genauem Studium der Verpackung wurde leider offenbar: Der Griechenkäse wird nicht von einem Griechen, sondern von einem Türken mit zwei „ü“ im Namen hergestellt. Produktionsstandort: Deutschland. Die Griechen selber bringen eben wenig zustande. Griechische Unternehmer haben in der Regel die beschränkten Kompetenzen von Alexis Sorbas, einer Romanfigur aus den sechziger Jahren, die gerne trank, philosophierte und tanzte. Nebenbei baute Sorbas mit seinem Saufkumpan eine Seilbahn, die bereits im Probebetrieb zusammenkrachte.
Die griechischen Reeder beweisen allerdings, daß Griechen wirtschaftlich überaus erfolgreich sein können. Allerdings nur wenn die Firmensitze in Steueroasen im Ausland liegen.
Ministerpräsident Tsipras gibt sich nach 100 Tagen Regierung immer noch revolutionär. Ein kenntnisreiches Kind des Südens, der Schriftsteller Giuseppe Tomasi di Lampedusa (1896-1957) brachte die Moral von Revolutionen in der Levante auf den Punkt. In seinem Roman „Der Leopard“ erläuterte der Revolutionär Tancredi dem Fürsten Salinas den Sinn des Umsturzes: „Damit alles so bleibt, wie es ist, muß sich alles ändern.“