Wie mit dem Wolf tanzen?
In den letzten Tagen war die Presse voll von Wolfsgeschichten. Aber brauchbare Ratschläge gab es eigentlich nicht. Außer daß man zum Schutz der Schafe Esel einsetzen soll. Aber soll man immer einen Esel mitnehmen, wenn man Pilze sammeln geht oder einen Hundespaziergang macht? Wer hat schon mal einen Eselstall ausgemistet? Da dürfte manchem Städter schlecht werden! Stinkt bestialisch, viel Spaß!
Gestern war ich in Brandenburg und habe einen eingeborenen Jäger gefragt. Im Fläming sind in vielen Revieren und Jagdpachten Wölfe unterwegs und es gibt immer mal eine Annäherung. Vor allem abends. Für den Jäger eigentlich kein Problem, denn er hat ja eine Waffe, um sich zu verteidigen.
Wildschweinen begegnet man ja auch vornehmlich nach 16 Uhr. Ein einzelner Wolf ist auch für den Unbewaffneten kein Problem. Wer mit einem größeren Hund zurechtkommt, kann sein Wissen teilweise auf den Wolf anwenden. Nicht hastig flüchten, nicht in die Augen sehen. Im allgemeinen wird der Wolf sich zurückziehen. Wenn sich das Tier nicht zurückzieht, oder sich nähern sollte, neben den Wolf postieren und den Raum beanspruchen. Groß machen, aufrechte Haltung und energisches Auftreten ohne Hektik sind angesagt. Ruhige Energie nennt der Menschen- und Hundetrainer Cesar Millan das. Diese Energie wirkt auch beim Pferd, beim Schafsbock, beim Ziegenbock und natürlich beim Esel…
Einen Hund nicht ableinen oder frei laufen lassen. Hunde und Wölfe können nicht miteinander kommunizieren. Die Gebärden unterscheiden sich und können vom jeweils anderen nicht fehlerfrei gedeutet werden. Das führt zu unliebsamen Mißverständnissen. Es gibt im besten Fall Jagdszenen. Sie beschützen den angeleinten Hund durch ihre eigene Präsenz.
Es ist also das Gegenteil zu tun, wie bei Begegnung mit einer Herde Rinder. Bei Rindern muß man den Hund unbedingt ableinen und laufen lassen, um selbst nicht angegriffen zu werden.
Ein hungriges Rudel Wölfe im Winter: Das ist das was ich mir nicht wünsche. Auf jeden Fall muß man vermeiden, daß man ein Tier im Rücken hat. Aber zieh das mal durch im Wald! Am besten auf den nächsten Hochstand und den Notruf antelefonieren.
Ich habe viel Übung mit sizilianischen Hundebanden. Diese Rudel bilden sich, weil die Futtersuche im Rudel besser klappt. Auch hier ist das A und O: Keinen Hund im Rücken dulden! Eine Mauer oder einen Zaun suchen, um sich das Hinterteil freizuhalten. Notfalls hilft auch ein Fahrrad im Rücken. Keine hektische Flucht, weil man damit nur den Jagdtrieb anheizt. Und auch hier: Den eigenen Hund nicht ableinen. Abgeleint zieht er gegen mehrere Hunde den Kürzeren.
Als die Gebrüder Grimm „Der Wolf und die sieben Geißlein“ aufschrieben, hatte Deutschland 20 Millionen Einwohner und war einschließlich Österreich, Pommern, Schlesien und Ostpreußen doppelt so groß wie heute. Ein Bild aus dieser Zeit von Claudine Bouzonnet Stella (1636-1697) zeigt die Verfolgung eines Wolfes, der gerade ein Schaf im Maul hat.
Die Bevölkerungsdichte hat sich seither verachtfacht. In Deutschland ist die Verteilung sehr unterschiedlich. Von 36 Einwohnern pro Quadratkilometern im Kreis Prignitz, 40 im Kreis Lüchow-Dannenberg steigt die Bevölkerungsdichte bis auf 515 in Nordrhein-Westfalen an. Die Wölfe waren bisher schlauer, als die Naturschutzbehörden. Sie sind von der Lausitz den dünn besiedelten Fläming entlanggewandert und haben die Lüneburger Heide erreicht. Von dort aus werden sie jedoch notgedrungen früher oder später in dichter besiedelte Gebiete vordringen.
Damit wächst die Gefahr, daß sie beabsichtigt oder auch versehentlich gefüttert werden und die Scheu vor dem Menschen verlieren. Viele Menschen haben heute keine Ahnung von Tieren. Sie können nicht mal mit Hühnern, Schafen oder Hunden umgehen. Mit dem Wolf schon garnicht. In dichter besiedelten Gebieten sollte die Ausbreitung von Wölfen nicht geduldet werden. Es wird beiden Seiten – Mensch und Tier – keinen Spaß machen auf engem Raum zusammenzuleben.
Eine deutsche Anekdote mag diese drangvolle Enge und fehlende Distanz veranschaulichen: Rotkäppchen geht durch den Wald und sieht hinter einem Gebüsch den bösen Wolf. Fragt Rotkäppchen: „He Wolf, warum hast du so große Augen?“ Der Wolf: „Nicht mal in Ruhe scheißen kann man hier.“
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