Ein Boden muß ins griechische Faß
Derzeit fallen die Steuereinnahmen Griechenlands gerade ins Bodenlose. Privatisierungen kommen nicht voran und immer sind doppelt so viele Beamte zu bezahlen, als vorher versprochen. Die Beamtenzahl war seit 1974 bis 2012 von 0,3 auf 1,3 Millionen gestiegen. Das unproduktive Griechenland triumphierte über das produktive. Seither ist die Zahl der Staatsdiener etwas gesunken, der Griechenland-Blog rechnet aktuell mit 900.000. Verläßliche Zahlen insbesondere für den kommunalen Bereich und die Staatsbetriebe gibt es jedoch nicht.
Um die überversorgten Beamten herum hatte sich ein auf deren Bedürfnisse spezialisierter Dienstleistungssektor gebildet: Luxusrestaurants, Kulturbetrieb, Modeläden, Beamtengewerkschaften, Autohändler, Schmuck, Fashion, Friseure, Rechtsanwälte, Hausmeister, Steuerberater, Zeitgeistvermarktung, Wellness… Einen Einblick in diesen Bereich gab gerade Paris Match mit der Reportage über die Familie Varoufakis. Dieser ganze Luxussektor jammert und ächzt jedes Mal, wenn den Beamten wieder Geld gestrichen wird.
Die Ökonomie als Wissenschaft ist in mancher Hinsicht heute weiter als im Jahr 1776. Auf einigen Gebieten hat sie seither aber auch Rückschritte gemacht. Viele der modernen Wirtschaftserklärer haben den Gedanken eines Gleichgewichts zwischen Staat und Wirtschaft, zwischen Dienstleistung und Produktion aus den Augen verloren. Viele Leute meinen, das es ausreicht, daß alle Leute sich gegenseitig die Haare schneiden oder Briefe schreiben, um einen Wirtschaftskreislauf ewig am Laufen zu halten.
Der Ökonom Adam Smith machte sich 1776 im “Wohlstand der Nationen” Gedanken über das nützliche Verhältnis von produktiver und unproduktiver Arbeit. Die eine Arbeit als Warenproduktion, die andere als Dienstleistung. Smith schrieb dazu: “Die jährliche Arbeit eines Volkes ist der Fundus, aus der es ursprünglich mit allen notwendigen und angenehmen Dingen des Lebens versorgt wird, die es über das Jahr verbraucht. … Zwei Faktoren bestimmen nun in jedem Land diese Pro-Kopf-Versorgung: Erstens die Produktivität der Arbeit als Ergebnis von Geschicklichkeit, Sachkenntnis und Erfahrung, und zweitens das Verhältnis der produktiv Erwerbstätigen zu denen, die nicht auf diese Weise erwerbstätig sind. Von beiden Umständen hängt es ab, ob in einem Land das Warenangebot reichlich oder knapp ausfällt.”
In Griechenland fällt die Warenproduktion und damit verbunden auch der Export derzeit zu knapp aus. Etwa 5 % des BIP wird von der Landwirtschaft erbracht, 15 % von der Industrie, die restlichen 80 % bringt die Dienstleistungswirtschaft. So sagt es die offizielle Statistik.
Aber sagt das schon etwas über die wirklichen Verhältnisse aus? Sind alle in der Industrie Beschäftigten wirklich Warenproduzenten? Sind alle im Dienstleistungssektor Tätigen für die Leistungsbilanz unerheblich?
5 % der griechischen Beschäftigten sind beispielsweise im Tourismus tätig, der überwiegend für Ausländer Leistungen erbringt und Devisen erwirtschaftet. Weitere Beschäftigte sind im Transportsektor tätig, insbesondere in Reedereien, die international tätig sind. Diese Dienstleister bringen Geld ins Land.
Dagegen gehören viele industriell Tätige zu denen, die für den Staat Dienstleistungen erbringen. Das betrifft zum Beispiel jenen Teil der Bauindustrie, der für den Staat arbeitet (das ist in allen Ländern der überwiegende Teil des Bauwesens) und die Rüstungsindustrie. Alle Produktionen, die exklusiv vom Staat konsumiert werden, bringen keine positiven Effekte für die Leistungsbilanz. Ein Uniformschneider, der für die griechische Armee arbeitet, wird zwar zur Industrie gezählt, er ist jedoch letztendlich wieder ein Dienstleister, weil er nicht für den Markt arbeitet, sondern auf Bestellung. Schon in der Türkei kann er die für Griechenland erzeugten Uniformen nicht verkaufen, weil die Türken sich zu fein sind in weißen Strumpfhosen zu paradieren. In die Uniform wird ja grad geschlüpft, um sich vom Feind zu unterscheiden.
Man kann grob abschätzen, daß der Teil der griechischen Wirtschaft, der für die Schuldentragfähigkeit Griechenlands relevant ist, etwa 20 % Anteil am BIP hat, vielleicht auch deutlich weniger.
Drei Viertel bis Vier Fünftel der Beschäftigten sind in Verwaltungen und Staatsbetrieben, im Gesundheitswesen, in freien Berufen (die traditionell verlängerte Werkbänke der Staatsbürokratie sind), in Banken und Versicherungen (die für den Staat notwendig sind um Staatsschulden an Ahnungslose zu verkaufen), im Kulturbetrieb, bei Zünften, Gewerkschaften, Kammern und ähnlichen Parasiten beschäftigt. Diese verbrennen Geld, tragen zum Schuldendienst und zu Tilgungen jedoch nicht bei.
Angeblich betragen die griechischen Staatsschulden Ende 2014 318 Mrd. € und ungefähr 0,7 Millionen Beschäftigte sind im Bereich tätig, der das Geld verdient. Zum Vergleich: Deutschland hat ungefähr 10 Millionen produktiv Beschäftigte und 2.187 Mrd. € Staatsschulden.
Quotient Schulden / Produktiv Beschäftigte in Deutschland: 2.187 Mrd. / 10 Mio = 219.000
Derselbe Quotient in Griechenland 318 Mrd. / 0,7 Mio = 454.000
Das heißt, daß jeder produktiv Beschäftigte in Griechenland den doppelten Schuldenrucksack zu schleppen hat, als der vergleichbare Deutsche. Der griechische Beschäftigte hat dazu auch noch eine geringere Produktivität als sein germanischer Kollege.
Weitere Schuldenerlasse in Griechenland sind unausweichlich. Die Gläubiger sollten jedoch erst entgegenkommen, wenn eine durchgreifende Korrektur des Verhältnisses von Produktiven zu Unproduktiven erfolgt ist. Es muß mal ein Boden in das griechische Faß eingezogen werden. Die griechischen Regierungen wollen dagegen seelenruhig abwarten, daß die Beamten in Rente gehen.
Das Konzept der Steuererhöhungen und Lohnkürzungen ist in Griechenland gescheitert, weil das Grundproblem, nämlich die Relation zwischen Produktiven und Unproduktiven nicht angegangen wird. Ganz ohne die Erkenntnisse von Adam Smith zum Reichtum der Nationen wird es nicht gehen.
2 Antworten auf “Ein Boden muß ins griechische Faß”