Die realistische und die phantastische Rettung
Die Dichter der deutschen Klassik haben eine Griechenland-Begeisterung erzeugt, die noch heute bis in den Bundestag nachwirkt:
Zu Dionys, dem Tyrannen, schlich
Damon, den Dolch im Gewande:
Ihn schlugen die Häscher in Bande,
„Was wolltest du mit dem Dolche? sprich!“
Entgegnet ihm finster der Wüterich.
„Die Stadt vom Tyrannen befreien!“
„Das sollst du am Kreuze bereuen.“
So begann das Gedicht „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller. Ein treuer Freund bürgt für Damon, wird fast an Damons Stelle gekreuzigt, weil Damon durch ein Hochwasser und Räuber auf dem Rückweg nach Syrakus aufgehalten wird. Er kommt jedoch in letzter Sekunde zurück, um den Bürgen wieder auszulösen. Auf den Diktator macht das Eindruck:
Drauf spricht er: „Es ist euch gelungen,
Ihr habt das Herz mir bezwungen;
Und die Treue, sie ist doch kein leerer Wahn –
So nehmet auch mich zum Genossen an:
Ich sei, gewährt mir die Bitte,
In eurem Bunde der Dritte!“
Diese Treue ist für griechische Verhältnisse jedoch sehr untypisch. In Syrakus bekommt man einen Eindruck wie die antiken Griechen tatsächlich miteinanander umgegangen sind. Neben dem Amphitheater befinden sich Steinbrüche. In diesen wurden 7.000 versklavte Athener zu Tode gearbeitet, die von Syrakus im peloponnesischen Kriege 413 v. Chr. gefangengenommen worden waren.
Der athenische Heerführer Nikias hatte vor dem Sizilienzug gewarnt: Man habe bereits genug Feinde; Sizilien sei groß und zu weit entfernt; das Risiko sei daher nicht kalkulierbar. Sein Gegner Alkibiades überzeugte die Athener mit einer leidenschaftlichen Rede vom Krieg gegen Syrakus. Die Athener entschieden sich wie in Griechenland üblich aus Geldgier für den Raubzug. Es kam zur Expedition nach Sizilien, die im völligen Desaster endete.
Wenn die Griechen eins konnten: sich gegenseitig bekriegen, umbringen und schädigen. Albikiades beging auch noch Verrat und flüchtete zum Hauptfeind Athens, nach Sparta. Um die Spartaner zu beraten, wie man gegen Athen Krieg führt. Man erkennt alle Charakterzüge, die Griechenland noch heute anhängen.
Vor 2.500 Jahren war Griechenland heillos zerstritten und später eine leichte Beute für Rom. Die besten Zeiten hatte Griechenland immer unter Fremdherrschaft, egal ob Römer, Venetianer oder Türken für Ordnung sorgten. Seit der Staatsgründung 1830 herrscht eine einzige Pannenserie. Bereits 1831 wurde der erste Ministerpräsident Ioannis Kapodistrias von Kriminellen auf offener Straße umgebracht. Danach wechselten sich Staatsbankrotte und Staatskrisen ab.
Kaum ist der Kommunist Tsipras im Amt, schon werfen die Stalinisten in Athen mit Brandflaschen auf Polizisten, weil Tsipras ihnen nicht radikal genug ist. Ohne feuerfesten Anzug kann sich die Polizei in Athen nicht mehr auf die Straße wagen.
Friedrich von Schiller hat sich geirrt. Begeisternd ist an Griechenland gar nichts. Es gibt nur zwei Varianten der Rettung Griechenlands. Die realistische: Marsbewohner kommen und ordnen den Staat. Die phantastische: Die Griechen machen das alleine.